Aktuelle Rezensionen
Wiltrud Fischer-Pache/Arnold Otto/Daniela Stadler/Ulrike Swoboda/Steven M. Zahlaus (Hg.)
Katalog des Stadtarchivs Nürnberg zur Ausstellung „Weimarer Republik Nürnberg 1918–1933“ in zwei Bänden
Nürnberg 2021, Ph.C.W. Schmidt, 2.076 Seiten, zahlreiche Fotos, Tabellen, Abbildungen
Rezensiert von Christoph Wagner
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 17.05.2023
Allein der schiere Umfang des vorliegenden zweibändigen, unter Federführung des Stadtarchivs Nürnberg entstandenen Ausstellungskatalogs wirkt beeindruckend. Auf mehr als 2.000 Seiten beleuchten die 27 Autorinnen und Autoren in insgesamt 36 Aufsätzen verschiedene Aspekte der Geschichte der Stadt Nürnberg in der Zeit der so genannten Weimarer Republik. Die Publikation knüpft dabei chronologisch und thematisch unmittelbar an das im Jahr 2014 erschienene Werk „Der Sprung ins Dunkle. Die Region Nürnberg und der Erste Weltkrieg 1914–1918“ an. Allerdings liegt der Fokus nunmehr ausschließlich auf der Stadt Nürnberg.
Der Aufbau wie auch das gewählte Layout vermögen durchaus zu gefallen. Band 1 umfasst dabei zwei Grußworte, das Geleitwort der Herausgeber, eine Zeitleiste und die Beiträge zu den Themengebieten „Körperkultur“, „Verwaltung“, „Medien“, „Kultur“, „Uniformierte“, „Stadtbau“. In Band 2 finden sich die Aufsätze zu den Themengebieten „Politik“, „Frauen“, „Religion“, „Wirtschaft“, „Wohlfahrt“, „Image“, „Vorbei“ sowie der Anhang mit einem Abkürzungsverzeichnis und dem Verzeichnis der Autorinnen bzw. Autoren. Jeder Themenbereich weist eine individuelle Farbgebung auf. Auch sind sämtliche Aufsätze einheitlich gestaltet und enden in einem Anmerkungsteil mit ergänzenden Informationen, Literatur- bzw. Quellenangaben.
Der die Dimension eines gewöhnlichen Ausstellungsbegleitbands sprengende Umfang des Katalogs resultiert laut den Herausgebern vor allem aus der überaus umfangreichen und gleichzeitig sehr ergiebigen Quellen- und Forschungsarbeit.
Es würde den Rahmen dieser Rezension überschreiten, jeden einzelnen Aufsatz näher thematisieren zu wollen. Stattdessen sollen die mit der Publikation verbundenen Ansprüche bzw. Ziele in den Blick genommen werden. Durchaus ambitioniert und selbstbewusst klingt die Feststellung des Herausgeberteams, das Standardwerk für die Geschichte Nürnbergs während der Weimarer Republik geschaffen zu haben. Tatsächlich existiert bis dato keine vergleichbar umfassende Publikation, deckt der Ausstellungskatalog doch insgesamt 13 Themenbereiche mit jeweils zwischen einem und neun umfassenden Teilartikeln ab.
Den Einstieg in die Thematik bildet eine Zeitleiste, welche stichpunktartig einen bereits relativ ausführlichen, aber immer noch ausreichend übersichtlichen chronologischen Überblick über wesentliche Ereignisse der Jahre 1918–1933 auf internationaler Ebene und Reichsebene, in Bayern und Franken sowie in Nürnberg bietet.
Die Beiträge zu den bereits genannten Themenbereichen tragen durchgehend fachwissenschaftlichen Standards Rechnung. Sämtliche Aufsätze stützen sich auf eine breite Quellen- und Literaturbasis. Neben der klaren Trennung zwischen den Fakten und deren Interpretation bzw. Einordnung sind die Beiträge gut lesbar und verständlich geschrieben, bei durchgängig tiefgehender Analyse. Darüber hinaus enthalten sie zahlreiche Abbildungen wie Fotographien, Gemälde, Plakate, Flugblätter, Pläne usw. Diese haben meist illustrativen Charakter; teilweise bieten sie aber auch neue Detailinformationen. Alle Darstellungen sind mit einem Nachweis ihrer Provenienz versehen. In summa lässt sich der vorliegende Ausstellungskatalog als gelungene und abwechslungsreiche Publikation zur Geschichte Nürnbergs in der Weimarer Zeit bezeichnen.
Jedoch können einige kritische Anmerkungen nicht unterbleiben. So werden die Themenbereiche im Hinblick auf Umfang und Anzahl der Beiträge teilweise sehr unterschiedlich und nicht immer angemessen bzw. ausgewogen behandelt. Beispielsweise wirkt die Betrachtung der Auswirkungen der „Weimarer Moderne“ auf Rolle bzw. Selbstverständnis der Frau und deren Situation in Nürnberg rudimentär, wenn sie sich allein auf die Analyse der „Nürnberger Hausfrauenzeitung“ sowie das Wirken der ersten Stadträtinnen bezieht. Auch der inhaltliche Zuschnitt sowie einzelne Schwerpunkte sind zumindest diskutabel. Hingewiesen sei hier etwa auf das Kapitel „Kultur“, in dem relativ ausführlich auf die Nürnberger Schullandschaft, das Projekt der Volkshochschule sowie die Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften eingegangen wird, während ein eigener Themenbereich „Erziehung und Bildung“ fehlt. Auch die starke Fokussierung auf Person und Tätigkeit des Oberbürgermeisters Hermann Luppe im Kapitel „Politik“ ist in ihrer Einseitigkeit auffällig.
Die systematische Erschließung der einzelnen Themenbereiche (z.B. zu „Körperkultur“, „Kultur“, „Politik“, „Religion“) mittels eines allgemein gehaltenen Überblicks und zusätzlicher, differenzierender Beiträge zu spezifischen Gesichtspunkten wird nicht einheitlich durchgehalten. Zum Abschluss bietet der Katalog zwei Aufsätze zum Selbstbild Nürnbergs nach dem 2. Weltkrieg und zur Ausprägung der Weimarer Moderne in verschiedenen deutschen Städten, daneben eine überwiegend allgemein gehaltene Überblicksdarstellung zum Ende der Weimarer Republik. Dieser Ausgriff kann nicht recht überzeugen, da er der eigentlichen Thematik des Katalogs nur bedingt Rechnung trägt.
Resümierend lässt sich konstatieren, dass die vorliegende Publikation ihrem Anspruch, ein Standardwerk für die Geschichte Nürnbergs zwischen 1918 und 1933 zu sein, weithin erfüllt. Dennoch: Die Beiträge fügen sich nicht zu einem Gesamtbild, sondern nur zu einem umfassenden Bild zusammen.