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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Robert Klugseder (Hg.)

Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte des Klosters Aldersbach

Bericht zur interdisziplinären Tagung „Mittelalterliche Geschichte des Klosters Aldersbach“ am 1. und 2. Oktober 2020 (Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige, Ergänzungsband 55), St. Ottilien 2021, EOS Editions, 570 Seiten


Rezensiert von Roman Deutinger
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 26.05.2023

Wer Aldersbach heute besucht, wird – sofern er nicht in erster Linie um des hier gebrauten Biers willen angereist ist – vor allem von der ansehnlichen Klosteranlage des 18. Jahrhunderts beeindruckt sein, besonders von der barocken Innenausstattung der Kirche, die keine geringeren Künstler als die Brüder Cosmas Damian und Egid Quirin Asam besorgt haben. Als die beiden dort tätig waren, hatte das Kloster freilich schon eine sechshundertjährige Geschichte hinter sich. Um 1120 zunächst als Augustinerchorherrenstift gegründet, wurde es als Eigenkloster des Bistums Bamberg 1146 dem Zisterzienserorden übergeben. Als älteste Zisterze in Altbayern hat die Abtei ihr Umfeld von Anfang an geprägt, nicht nur, aber auch durch die Gründung der Tochterklöster Fürstenfeld, Fürstenzell und Gotteszell.

Diese weniger bekannte und vor allem weniger augenfällige Aldersbacher „Vor-Geschichte“ einmal ins rechte Licht zu rücken, war das Anliegen einer Tagung im Herbst 2020, deren Vorträge erfreulich rasch publiziert werden konnten und nun in einem stattlichen Sammelband zu einem relativ günstigen Preis vorliegen. Dabei steht vor allem das kulturelle Leben der Abtei im Mittelpunkt, und es ist das Verdienst der Veranstalter, die verschiedensten Fachdisziplinen erstmals unter dem gemeinsamen Aldersbacher Dach zusammengebracht zu haben.

Nach einem kurzen einleitenden Überblick zur Klostergeschichte aus der Feder des Mitveranstalters Bernhard Lübbers skizziert Richard Loibl die regionalen Machtverhältnisse im 12. Jahrhundert. Vor allem die Grafen von Vornbach dominieren hier das Bild, doch kommen mit den Verwerfungen des Investiturstreits auch andere Familien verstärkt zum Zug: zunächst die Rapotonen, dann als deren Erben die Grafen von Ortenburg, die sich besonders langfristig hier etablieren können, letztlich bis zum 19. Jahrhundert. Herbert W. Wurster ordnet die Gründung des Stifts in die damalige, schon weitgehend vollständige Klosterlandschaft des Bistums Passau ein und nimmt dann v.a. die der Abtei im Lauf der Zeit inkorporierten Pfarreien in den Blick, also denjenigen Bereich der klösterlichen Wirksamkeit, der die engsten Berührungspunkte mit der Diözesanverwaltung aufwies. Sebastian Kalla behandelt die Vogtei über das Kloster; diese wurde zuerst von den benachbarten Herren von Kamm-Hals ausgeübt, die mit Osterhofen und Asbach noch weitere Bamberger Eigenklöster bevogteten, dann von den Ortenburger Grafen. Die Wittelsbacher hingegen traten erst spät als Vögte auf, sogar noch deutlich später als bislang angenommen. Letzteres bestätigt von einer anderen Warte her der Beitrag von Alois Schmid, dem zufolge Aldersbach lange Zeit gar nicht in das Blickfeld der wittelsbachischen Territorialpolitik geraten ist. Zwar wurde bereits 1231 eine Schirmvogtei über das Kloster als Anspruch formuliert, doch wurde diese erst in einem längeren Prozess verwirklicht, der 1283 zum Abschluss kam. Das Verhältnis der niederbayerischen Herzöge zu Aldersbach in den Jahren 1255 bis 1340 verfolgt anschließend Tobias Appl. Zwar mussten die Äbte die Herzöge relativ häufig bei sich beherbergen und wurden auch sonst regelmäßig zu Diensten und finanziellen Leistungen herangezogen, doch traten die Herzöge kaum mit Stiftungen hervor, und in das Gebetsgedenken der Aldersbacher Mönche wurden nur wenige von ihnen aufgenommen. Die auf den ersten Blick scheinbar intensive Bindung ist letztlich wohl nur einer besonders günstigen Quellenlage geschuldet; das Verhältnis anderer Klöster zum Landesherrn war vermutlich nicht weniger eng, doch fehlt es dort an einschlägiger Überlieferung. Adelheid Krah beleuchtet zunächst das politische Umfeld der ersten erhaltenen Aldersbacher Urkunden von 1139 (ausgestellt fast 20 Jahre nach der Entstehung des Stifts) und beschreibt dann genauer einen Rechtsstreit mit der Zisterze Zwettl um das Patronatsrecht über die Pfarrkirche von Thaya in Niederösterreich 1291 bis 1297, den die niederbayerische Abtei für sich entscheiden konnte.

Hat sich dieser erste Block vornehmlich mit dem Verhältnis des Klosters zu den weltlichen Mächten beschäftigt, so widmet sich ein zweiter Block der handschriftlichen Überlieferung. Vorweg gibt Susanne Wolf einen Einblick in die Geschichte des Aldersbacher Archivs und zeigt an einigen Beispielen, wie frühneuzeitliche Archivrepertorien bei der Identifizierung urkundlich genannter Orte und damit bei der lokalhistorischen Forschung helfen können. Bernhard Lübbers stellt die von ihm 2009 edierten Rechnungsbücher des Klosters vor (QE NF 47/3), die mit dem Jahr 1291 einsetzen und somit ein ungewöhnlich frühes Beispiel für diese Quellengattung abgeben. Die Ausgabenrechnungen erlauben vielfältige Aussagen zum Alltag im Konvent wie auch zur Baugeschichte; als interessanter Einzelfall erscheint die hier dokumentierte, 1322 erfolgte Anschaffung einer mechanischen Uhr, damals ein hochmodernes Gerät, von dem Aldersbach eines der frühesten bekannten Exemplare in ganz Deutschland besaß. Carolin Schreiber gibt einen Überblick über die mittelalterlichen Handschriften, von denen sich heute noch ca. 350 in der Bayerischen Staatsbibliothek befinden, und rekonstruiert anhand alter Kataloge ihre damalige Aufstellung in der Klosterbibliothek. Ein Anhang identifiziert eine Reihe von Codices, die in einem Katalog des 18. Jahrhunderts aufgeführt sind, sich aber in der Staatsbibliothek nicht im geschlossenen Block der Aldersbacher Handschriften (Clm 2531–2891) wiederfinden, sondern schon früh auf andere Bestände verteilt wurden. Speziell den ältesten Handschriften widmet sich Donatella Frioli. Das Aldersbacher Skriptorium war bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts höchst produktiv; dieser Umstand erlaubt es, das geistige Profil der Abtei im ersten Jahrhundert ihres Bestehens recht genau nachzuzeichnen. Eine offene Frage bleibt vorerst allerdings, woher die Schreiber die nötigen Vorlagen für ihre Texte bezogen. Hier könnten weitere philologische Untersuchungen Aufschluss über das Beziehungsgefüge des jungen Klosters geben. Von diesem Beitrag gibt es übrigens in dem Band eine italienische und eine deutsche Fassung; allerdings wurde die deutsche merklich gekürzt und verzichtet zudem auf Nachweise, sodass man für eine ernsthafte Beschäftigung mit dem Gegenstand doch auf die italienische angewiesen ist. Martin Roland bietet mit rund 80 Seiten Darstellung zur Aldersbacher Buchmalerei beinahe eine eigene kleine Monographie; auch die meisten Abbildungen im Band beziehen sich auf diesen Beitrag. Phasen mit hochstehender Produktion wechselten sich mit künstlerischen „Flauten“ ab; als „das unbestrittene Hauptwerk der Buchmalerei für Aldersbach“ (S. 275) kann ein reich geschmücktes Antiphonar aus dem Jahr 1452 (Clm 2766) gelten. Robert Klugseder stellt die handschriftlichen Zeugnisse für die Liturgie und, damit zusammenhängend, für den Choralgesang in der Abtei vor; nebenbei werden auch Messstiftungen sowie einige Minnesänger erwähnt, die mit dem Kloster in Verbindung standen. Besonders bemerkenswert ist ein in Aldersbach überliefertes Fragment des 13. Jahrhunderts mit mehrstimmiger Musik, auch wenn es leider nicht die Musikpraxis im Konvent repräsentiert, sondern aus Frankreich stammt. David Hiley erläutert an einigen eindrucksvollen Beispielen die Unterschiede der Aldersbacher Choralpraxis, die dem zisterziensischen Usus folgte und damit letztlich auf französische Vorbilder zurückging, und den Melodien, wie sie in der Passauer Diözese sonst gesungen wurden. Daniela von Aretin stellt einige musiktheoretische Traktate in der Handschrift Clm 2599 vor, geschrieben um 1200 wahrscheinlich, aber nicht sicher in Aldersbach; falls ja, handelt es sich um eines der wenigen Zeugnisse zur Pflege der Artes liberales im Kloster.

Thematisch weniger geschlossen erscheint der abschließende Block, der sich auch zeitlich stärker weg vom Mittelalter in die Neuzeit hinein bewegt. Ramona Baltolu behandelt in ihrem Beitrag den in der Epigraphik eher ungewöhnlichen Fall von rund zwanzig Gedenktafeln, die in der Renaissance für längst verstorbene Stifter aus dem 14. und 15. Jahrhundert neu angefertigt wurden. Dafür wurden nicht nur Urkunden und Memorialaufzeichnungen herangezogen, sondern anscheinend auch ältere, jetzt verlorene Inschriften. Anlass und Ziel bleiben jedoch unklar. Robert Klugseder stellt, hauptsächlich aus Urkunden, Rechnungen und neuzeitlichen Chroniken, umfangreiches Material zur Baugeschichte der Abtei vom 13. bis zum 17. Jahrhundert zusammen, nicht nur zur Kirche und zu den Konventbauten, sondern auch zu Wirtschaftsgebäuden und Wasserleitungen, darüber hinaus auch zur Innenausstattung wie Wandteppichen, Tafelbildern und liturgischen Geräten. Unter der Rubrik „Raumwirksamkeit zisterziensischer Narrative“ verfolgen Christian Malzer, Winfried Schenk und Thomas Büttner in einem gemeinsamen Beitrag die Frage, wie die heutige Kulturlandschaft durch Zisterzienserklöster geprägt wurde, exemplifizieren dies jedoch ausschließlich anhand von Aldersbachs Mutterkloster Ebrach in Oberfranken. Ludger Drost behandelt die Wallfahrt nach Kößlarn, die späteren Zeugnissen zufolge 1364 entstand und über die Zugehörigkeit der Wallfahrtskirche zur Pfarrei Rotthalmünster, die ihrerseits der Abtei Aldersbach inkorporiert war, auch mit dem Kloster in Verbindung stand. Dessen Interesse an den dortigen Vorgängen beschränkte sich freilich auf wenige Jahrzehnte um 1500, ehe die Wallfahrt im Zuge der Reformation weitgehend wieder zum Erliegen kam. Maximilian Vogeltanz stellt im letzten Beitrag des Bandes die digitale Erschließung der umfangreichen Klosterchronik aus der Feder des Abtes Gerhard Hörger (1651–1669) vor, die unter der Adresse http://gams.uni-graz.at/context:aled online zur Verfügung steht. So begrüßenswert es an sich ist, dass dieser sonst unpublizierte Text damit bequem zugänglich gemacht wird, so ist doch die Transkription leider ausgesprochen unzuverlässig und ohne den Vergleich mit den Handschriften-Digitalisaten teilweise gar nicht verständlich. Neben dieser Möglichkeit zur Überprüfung am Original kommen die zweifellos vorhandenen Vorteile einer digitalen Edition in diesem Fall allerdings kaum zur Geltung. Dass es in München keine „Hauptstaatsbibliothek“ (S. 513 u.ö.) gibt, sei bloß nebenbei bemerkt.

Insgesamt behandelt der Band ein erfreulich breites Themenspektrum, auch wenn es selbstverständlich noch weitere Bereiche der Klostergeschichte gibt, die eine nähere Beschäftigung verdienten, so beispielsweise die Einbindung der Abtei in den Zisterzienserorden, das Verhältnis zum Bistum Bamberg als dem Eigenkirchenherrn oder die Aldersbacher Grundherrschaft und damit der Einfluss des Klosters auf seine nähere Umgebung. Auch die klösterliche Geschichtsschreibung blieb weitgehend außen vor; so wird die Klosterchronik des Abtes Wolfgang Marius (1514–1544) zwar immer wieder als grundlegend für die mittelalterliche Geschichte der Abtei erwähnt, erhält aber keine eingehendere kritische Würdigung. Schmerzlich vermisst man auch eine professionelle Auswertung der archäologischen Befunde im Klosterbereich aus den 1980er Jahren und aus einer kleineren Grabungskampagne von 2019/20, die vor allem über die Gründungs- und Frühzeit des Klosters neuen Aufschluss geben dürfte; sie ist allerdings demnächst in einer separaten Publikation von Bernhard Häck und Hardy Maaß zu erwarten. Beachtenswert ist, dass eine Reihe von Beiträgen über das im Titel genannte Mittelalter hinaus weit in die frühe Neuzeit hinein ausgreift; mehrere erschließen dabei neues Quellenmaterial, auf dem weitere Forschungen aufbauen können. So bietet der Band in gewisser Weise sogar mehr, als man von ihm erwarten würde, und die angesprochenen inhaltlichen Lücken zu füllen würde ohne weiteres einen eigenen Sammelband füllen. Die zahlreichen, in vielen Fällen farbigen Abbildungen sind zwar von mäßiger Qualität, doch bleibt das Buch gerade dadurch auch für Privatleute erschwinglich und somit auch für ein eher lokalhistorisch interessiertes Publikum empfehlenswert.