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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Haruka Oba/Akihiko Watanabe/Florian Schaffenrath (Hg.)

Japan on the Jesuit Stage. Transmissions, Receptions, and Regional Contexts

Leiden 2021, Brill, 344 Seiten


Rezensiert von Alkuin Schachenmayr
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 26.05.2023

Das Buch sammelt schriftliche Ergebnisse der Tagung „Japan on the Jesuit Stage“, die 2018 in Wien gehalten wurde. Elf englisch verfasste Aufsätze widmen sich diversen Darstellungen vom „christlichen Jahrhundert“ in Japan (etwa 1550–1650) auf der Jesuitenbühne der Frühen Neuzeit.

Thematischer Stoff der allermeisten Japan-Dramen ist das Martyrium von Jesuiten und katholisch gewordenen Japanern. Besonders die 26 Märtyrer von 1596/97 sind ein oft geschildertes Ereignis, besonders nach deren Seligsprechung im Jahr 1627. Man beachte allerdings, dass die 26 zum großen Teil Franziskaner waren, nicht Jesuiten. Im Jahr 1614 wurden alle Jesuiten aus Japan ausgewiesen, aber einige verblieben dort im Untergrund; als sie gefunden wurden, erlitten auch sie grausamste Folter und Hinrichtung. Die Brutalität der dortigen Christenverfolgung macht es umso erstaunlicher, dass einige japanische Katholiken im Untergrund bis ins 19. Jahrhundert überleben konnten.

Zuerst kommt eine substantielle, aber kurze Einführung in den literarischen und theatergeschichtlichen Stoff und in die zu erwartende Abfolge von Aufsätzen. Alle (außer dem ersten) sind auf erhaltene Drucke oder „Periochen“ (Kurzfassungen der Dramen) fokussiert. Der erste Aufsatz leitet in das Kommunikationsnetzwerk der Jesuiten ein, über das Neuigkeiten aus der japanischen Mission in Europa bekannt wurden. Innerhalb von einem Jahr konnten asiatische Nachrichten in Europa rezipiert werden: Generell sei die frühneuzeitliche Bevölkerung Europas besser über Japan informiert gewesen, als man meinen möchte. Besonders die Seligsprechung von 1627 habe vielerorts zu einer Faszination bezüglich der Japanmission geführt. Der Reiz in der thematischen Auswahl dieses Tagungsbandes ist, dass alle behandelten Theaterstücke einen mehr oder weniger belastbaren historischen Bezug haben. Jedenfalls beanspruchten sie, „wahre Geschichten“ zu erzählen.

Fast alle Jesuitendramen wurden lateinisch verfasst und gespielt, weil das zum pädagogischen Programm der Gymnasien gehörte und Eltern eine landessprachliche Inszenierung als für ihre Söhne zu wenig anspruchsvoll abgelehnt hätten. Die europäischen Autoren von Japan-Dramen bekamen ihren narrativen Stoff aus den Briefen, Berichten und rasch nach dem Ereignis erscheinenden Geschichtsbüchern über die Japanmission. Die Theaterstücke sind nur in seltenen Fällen aus persönlicher Missionarserfahrung entstanden. Auch die meisten Historiker, die ab 1588 einflussreiche Bücher über Japan schrieben, waren nie dort gewesen. Ab 1640 war eine Japanreise für Europäer so gut wie unmöglich, aber Stücke über die „Gegenwart“ in Japan wurden einem europäischen Publikum noch über Generationen hinweg dargeboten.

Jesuitentheater über Japan wurde freilich auch in anderen Missionsgebieten gespielt, etwa in Lateinamerika. Forschung darüber ist selten und kommt auch in diesem Buch nicht vor. Stücke über ein Missionsgebiet in einem anderem zu inszenieren, bot den Jesuiten Gelegenheit zur Selbstreflexion. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die lateinischen Inhalte beinahe ausschließlich intern verstanden wurden, also von den Theatermachern, nicht aber vom Laienpublikum.

Einzelne Aufsätze gehen auf Fragen wie Märtyrerideal und Heroik ein. Allerdings ist der Zugang der meisten Forschungsansätze regional. Sie verzeichnen Werktitel, Erzählstoffe, Autoren und Darsteller. Hitomi Rappos Beitrag über Frankreich ragt heraus, weil dieses Land in bisheriger Forschung über das Jesuitentheater zu kurz gekommen ist. Gebiete wie Flandern, Belgien, Bayern, Österreich und Böhmen sind besser erforscht und entsprechend stark im Buch vertreten. Die Beiträge über Kroatien und Litauen stellen wichtige Ergänzungen über seltenere Materien dar.

Das Buch liefert Anregungen zur vertieften Kenntnis europäischer Theatergeschichte, gerade weil das Thema durchgehend Asien ist. Ebenso wie die Aufsatzsammlung, die 2013 von Jan Bloemendal u.a. herausgegeben wurde – „Drama, Performance, and Debate. Theatre and Public Opinion in the Early Modern Period“ – vertieft es unsere Kenntnis vom Einfluss des Ordens- und Universitätstheaters im europäischen Rahmen. Etwas über den Tellerrand geschaut, wären auch weitere Bezugspunkte möglich gewesen, etwa zum merkwürdig katholisch anmutenden „protestantischen“ Stück „The Virgin Martyr“ von Thomas Dekker und Philip Massinger (1622), das zur selben Zeit wie die jesuitischen Japan-Martyrien ein Martyrium in der Diokletianischen Verfolgung darstellt. Sehr ähnlich im Stoffprofil wäre auch Robert Dabornes „A Christian Turned Turke“ (um 1610) gewesen. Beide greifen vergleichbare Thematik auf, aber im Kontext von Reformation und Islam.

Jüngere Entwicklungen der Theaterwissenschaft sind im Band nicht vertreten; der methodologische Zugang wird eindeutig von der Neolatinistik bestimmt, wo es erwartungsgemäß um Textanalyse geht. Umsonst sucht man Hinweise auf die „Reenactment“-Bewegung, Kriegsspiele oder Geschichtsfestivals, die seit etwa 20 Jahren auch als Performanz gesehen und theaterwissenschaftlich ausgewertet werden. Historisierende Aufführungen beziehen sich auch auf Zeitgeschichte und erheben gelegentlich den Anspruch, Zeitzeugen als Darsteller einzusetzen, damit das „ursprüngliche“ Ereignis näher rückt. Dieses Modell wäre auf barocke Aufführungen des Martyriums in Japan anwendbar, da die Jesuiten, die das Stück aufführten, eben Japan-Missionare waren.

In der Tat verspürten viele Zuschauer im Barock den Wunsch, die ihnen dargebotenen Bühnenrollen im eigenen Leben zu übernehmen. In diesem Sinne legt Haruka Oba ihren erfrischenden Aufsatz vor, in dem nicht so sehr linguistische Analysen oder Wissenstransfer Thema sind, sondern der historische Kontext rund um die Münchener Inszenierung von „Victor“ im Jahr 1665. Die Japanerin Oba, die 2010 in München promoviert wurde und zahlreiche Stipendien in Deutschland und Österreich erhielt, analysiert einerseits die kolonialen Interessen des bayerischen Hofes an Japan und Amerika. Andererseits zeigt sie, wie gewisse Lehrer den Heroenkult von japanischen Märtyrern unter den bayerischen Jesuitenzöglingen bekannt machten und wie sich das im gesteigerten Interesse junger Mitglieder des Ordens äußerte: Sie wollten selber nach Japan entsandt werden.