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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Walter Brandmüller

Franconia Sacra. Rückblicke auf 1000 Jahre Kirche in Franken

Neustadt an der Aisch 2022, Ph.C.W. Schmidt, 303 Seiten


Rezensiert von Dieter J. Weiß
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 15.06.2023

„Franconia Sacra“ – verband man diesen Buchtitel bisher von der Diözesanbeschreibung von Johann B. Stamminger und August Amrhein bis zur Jubiläumsausstellung zur Erhebung der Kiliansreliquien 1952 mit der Diözese Würzburg, so rückt der vorliegende Band Mittel- und Oberfranken und das Bistum Bamberg in den Mittelpunkt. Walter Cardinal Brandmüller, emeritierter Ordinarius für Kirchengeschichte in Augsburg und Präsident des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften in Rom, legt die Summe seiner historischen Arbeiten zum fränkischen Raum in einem Sammelband vor. Sie sind erstmals in dem weiten Zeitraum von 1956/57 bis 2002 erschienen, haben aber wegen ihrer Quellennähe nichts von ihrer grundlegenden Bedeutung eingebüßt. Sie werden in chronologischer Folge des Erscheinens gegeben.

Den fränkischen Schwerpunkt der Forschungen von Walter Brandmüller bildet seine Heimatstadt Ansbach. Seine 1963 abgeschlossene und an der Ludwig-Maximilians-Universität München von Hermann Tüchle betreute Dissertation „Das Wiedererstehen katholischer Gemeinden in den Fürstentümern Ansbach und Bayreuth“ war diesem Bereich gewidmet. Der vorliegende Band enthält seine Studien zu dem letzten katholischen Stiftsprediger bei St. Gumbert in Ansbach, Dr. Johannes Winhart (1467/68–1531), der wegen seiner Glaubenstreue im Exil sterben mußte. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde das konfessionelle Leben in Ansbach toleranter. So wirkte ab 1756 in Bayreuth und ab 1769 in Ansbach der vormalige französische Soldat Leutnant Joseph Sicard (1716–1788) als Hoffechtmeister. In beiden Residenzen engagierte er sich als Mitglied der in Entstehung begriffenen katholischen Gemeinden. Brandmüller ediert sein Testament als wertvolles Zeitdokument. Aus diesem zeitlichen Umfeld stammt auch das ebenfalls edierte Tagebuch des Erlanger Kuraten Dr. Ludwig Busch (1763–1822) aus den Jahren 1793 bis 1801. Es enthält wichtige Information über den Entstehungsprozeß der dortigen katholischen Gemeinde, aber auch lokalhistorisch und volkskundlich interessante Nachrichten.

In das Mittelalter greifen die Studien zur Frühgeschichte der Benediktinerabtei Michelsberg in Bamberg zurück. Brandmüller postuliert auf Grund liturgischer Gemeinsamkeiten mit Fulda die Herkunft eines Teils der ersten Mönche aus diesem Kloster. Als Beleg bietet er den Abdruck der Kalendare aus den Handschriften der Staatsbibliothek Bamberg Lit. 1 und der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe 504.

Mit weiteren Aufsätzen greift der Herausgeber in das 19. Jahrhundert und damit die in Zeit der bayerischen Quasi-Staatskirche aus. Sehr ausführlich stellt er die Publikation der Beschlüsse des 1. Vatikanischen Konzils im Königreich Bayern vor. Auch dieser Beitrag zu den Anfängen des Kulturkampfes in Bayern zeichnet sich durch die Edition zentraler Quellen aus – immerhin 38 Dokumente. Vom Beginn des 19. Jahrhunderts und noch getragen vom Geist der Spätaufklärung ist die untersuchte Predigt des ersten königlich bayerischen Ansbacher Stadtpfarrers Alois Dörr (1772–1846): „Vom vernünftigen Verhalten des Christen gegen die zufälligen Gebräuche seiner Religion.“ Im Mittelpunkt eines weiteren Beitrags steht nochmals ein Ansbacher Geistlicher, mit dem Pfarrer von St. Johannis, Johann Rurer (um 1480–1542), allerdings ein Anhänger der Reformation, der Luthers Lehre in Ansbach Eingang verschaffte. Brandmüller dokumentiert seine Verteidigungsrede gegen den entschieden katholischen Stiftsprediger Dr. Johann Winhart.

Der abschließende jüngste Beitrag ist dem mit dem Namen Förner gezeichneten, nur abschriftlich und fragmentarisch in Rom überlieferten Bericht über einen angeblichen Exorzismus Förners auf der Festung Rosenberg über Kronach gewidmet. Der Bamberger Generalvikar und Weihbischof Friedrich Förner (um 1570–1630) berichtete in seiner „Panoplia“-Predigt 1617/18 tatsächlich über dämonische Vorgänge vom Anfang des 17. Jahrhunderts auf der Festung Rosenberg. Brandmüller kann allerdings wahrscheinlich machen, daß der von ihm edierte Bericht nicht auf Förner, sondern auf seinen kirchenpolitischen Gegner Weihbischof Johann Schöner (†1651) zurückgeht, der dessen Konfirmation als Weihbischof in Rom hintertreiben wollte. An der päpstlichen Kurie sah man nämlich den Glauben an Dämonie und Hexenspuk durchaus kritisch, und auch wer sich an ihrer vermeintlichen Bekämpfung beteiligte, konnte leicht in ein kritisches Licht geraten.

Walter Cardinal Brandmüller zeigt seine Meisterschaft als wohl bedeutendster Konzilienhistoriker nicht nur mit Arbeiten zu Pavia-Siena (1423–1424) und Konstanz (1414–1418), sondern auch in der kleineren Form von Abhandlungen über seine fränkische Heimat. Die „Franconia Sacra“ versteht er selbst als Ausgangspunkt seines historischen Interesses, wie es in dem vorliegenden Band deutlich wird.