Aktuelle Rezensionen
Manuel Teget-Welz/Hans Dickel (Hg.)
Renaissance in Franken. Hans von Kulmbach und die Kunst um Dürer
Petersberg 2022, Michael Imhof, 192 Seiten, zahlreiche Abbildungen
Rezensiert von Erich Schneider
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 28.06.2023
Ausstellungen mit dickleibigen Katalogen von Albrecht Dürer (1471–1528), dem Nürnberger Megastar der deutschen Renaissancekunst, gehören zu den festen Programmpunkten der internationalen Museumswelt. Im Schatten von dessen Popularität verschwinden freilich häufig zu Unrecht andere Maler seiner Zeit, darunter kunstgeschichtlich so bedeutende Meister wie der wohl seit 1500 ebenfalls in dem „hotspot“ Nürnberg wirkende Hans von Kulmbach (ca. 1480–1522). Abgesehen von der Krakauer Ausstellung 2019 ist seit 1996 keine Monographie zu dessen Schaffen mehr erschienen. In der Tradition der Erlanger Sammlungsausstellungen haben Hans Dickel und Manuel Teget-Welz den 500. Todestag dieses Malers zum Anlass für eine verdienstvolle Ausstellung seiner Werke und der Kunst um Dürer im Sommer 2022 in der Fränkischen Galerie Kronach unter dem Dach des Münchner Bayerischen Nationalmuseums genommen. Dazu ist bei Imhof eine von den beiden an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen wirkenden Kunsthistorikern edierte Publikation erschienen. Den Hintergrund lieferte das von Dickel geführte Forschungsprojekt in Kooperation des von Teget-Welz geleiteten Vorhabens „Zeichnen seit Dürer. Süddeutsche und schweizerische Zeichnungen der Renaissance in der Universitätsbibliothek Erlangen“. Dabei handelt es sich um einen Bestand von ca. 2.000, aus der markgräflichen Schlossbibliothek in Ansbach im Winter 1805/06 nach Erlangen überführten Zeichnungen aus dem Zeitraum von 1510 und 1520. Sie stammen aus dem Betrieb der großen Nürnberger Künstlerwerkstätten, die, sieht man einmal von Dickels Bestandskatalog von 2014 ab, leider selten genug für eine breitere Öffentlichkeit zu sehen sind.
Eine Auswahl aus diesem Konvolut von Zeichnungen bildete den heimlichen Höhepunkt der Kronacher Ausstellung. Die dazu erarbeitete Publikation ist denn auch lediglich im Falle der präsentierten, in einem Anhang von Manuel Teget-Welz und Elisabeth Dlugosch vorgestellten Zeichnungen ein Katalog im engeren Sinn. Ansonsten handelt es sich um ein durchaus eigenständiges, sorgfältig gestaltetes und aufwendig gedrucktes Buch. Im Mittelpunkt stehen acht um das Schaffen von Hans von Kulmbach kreisende Essays, an denen zunächst einmal die ausgezeichneten, meist neu aufgenommenen farbigen Abbildungen mit zahlreichen Details bis in die Pinselführung hinein ins Auge fallen, und dem zu Recht gerühmten virtuosen Koloristen ein Denkmal setzen.
Den Herausgebern ist es zudem gelungen, führende Expertise zur Mitarbeit heranzuziehen. Matthias Kammel widmet sich dem „künstlerischen Kosmos des Hans von Kulmbach“ im „Brainpool“ Nürnberg. Manuel Teget-Welz untersucht dessen „Karriere“ und Matthias Weniger unternimmt den „Versuch einer Würdigung“ seines „malerischen Schaffens“. Die „neuen Dimensionen“ in seinen Werken für St. Sebald in Nürnberg beschäftigen Gerhard Weilandt. Unter der Fragestellung „Kollegen oder Konkurrenten?“ untersuchen Isabella Sturm und Manuel Teget-Welz „Die Kooperationen des Hans von Kulmbach“. Noch weiter greift Stefan Roller aus Frankfurt aus, der die Beziehungen zwischen dem Maler und dem „Nürnberger Bildschnitzer Meister Jörg“ ins Visier nimmt. Da rund ein gutes Drittel der etwa 120 mit Hans von Kulmbach verbundenen Zeichnungen als Vorlagen für Glasmalereien dienten, vertieft sich Hartmut Scholz in dieses Spezialgebiet der Nürnberger Kunstgeschichte. Christina Hofmann-Randall unterzieht sich der Aufgabe, den Erlanger Bestand nach 1929 im Hinblick auf „Die Handzeichnungen Hans von Kulmbachs“ erneut kritisch zu prüfen: Obwohl sich an der Gesamtzahl von 22 Arbeiten nichts geändert hat, ergaben sich dabei doch 4 neue Zu- respektive Abschreibungen.
Den konservatorischen Bedürfnissen der ausgestellten Zeichnungen war die relativ kurze Ausstellungszeit in der Festung Kronach geschuldet. Das ist nicht zu ändern. Die bemerkenswerte Begleitpublikation ist mehr als ein „Ersatz“! Es bleibt daher zu hoffen, dass dadurch Impulse für die weitere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Schaffen des Hans von Kulmbach ausgehen.