Aktuelle Rezensionen
Hans Dickel/Elisabeth Engl/Ursula Rautenberg (Hg.)
Frühneuzeitliche Naturforschung in Briefen, Büchern und Bildern. Christoph Jacob Trew als Sammler und Gelehrter
(Bibliothek des Buchwesens 29), Stuttgart 2021, Anton Hiersemann, 363 Seiten, zahlreiche Abbildungen
Rezensiert von Fabian Schulze
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 05.07.2023
Unter den historischen Beständen der Universitätsbibliothek Nürnberg-Erlangen nimmt die Sammlung von Christoph Jacob Trew einen besonderen Stellenwert ein: Dem Nürnberger Stadtarzt und Naturforscher verdankt Erlangen nicht nur eine umfangreiche Privatbibliothek von etwa 34.000 Büchern mit medizinischem und naturwissenschaftlichem Schwerpunkt, die dieser zu Studienzwecken und als enthusiastischer Bibliophiler aufbaute, sondern auch umfangreiche Briefsammlungen. Letztere gingen nicht nur aus zahlreichen Briefwechseln hervor, die Trew in bester aufklärerischer Manier mit diversen europäischen Gelehrten und Wissenschaftlern seiner Zeit unterhielt. Trew vervollständigte seine Sammlung auch gezielt durch den Aufkauf ganzer Briefserien und Konvolute von Forschern und Geistesgrößen, die für seine Interessensgebiete von Relevanz waren. Das Resultat ist eine Sammlung, die in ihrer Mannigfaltigkeit und zugleich Exemplarität eines Gelehrtenœuvres des 18. Jahrhunderts und nicht zuletzt wegen ihrer außergewöhnlich guten Überlieferungssituation kaum ihresgleichen hat.
Somit ist es sehr begrüßenswert, dass sich nun profilierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Disziplinen der Kulturgeschichte, der Buchwissenschaften und der Wissensgeschichte im Rahmen einer Tagung an der Universität Nürnberg-Erlangen 2019 zum 250. Todestag von Christoph Jacob Trew eingehend mit dem Sammler und Gelehrten befasst haben. Die Ergebnisse dieser Tagung liegen nun als Sammelband vor. Das vorliegende Werk gliedert sich in fünf Rubriken von relativ unterschiedlichem Umfang.
Nach einer den Forschungsgegenstand und die inhaltliche Gliederung des Bandes erläuternden Einleitung durch die Herausgeber steht das erste Kapitel unter der Überschrift „Trew und seine Sammlungen“. Sinnvollerweise beginnt dieses mit einem kurzen biografischen Aufriss von Thomas Schnalke über Trews beruflichen und wissenschaftlichen Werdegang sowie seine Interessensschwerpunkte und Arbeitsmethoden (S. 21–40). Christina Hofmann-Randall bietet anschließend einen Überblick über Trews Sammlungen in der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg (S. 41–60). Dem folgt ein Aufsatz Claudia Valters über Trews Wohnhaus und Bibliothek im Spiegel bibliophiler Druckgrafik (S. 61–80) sowie eine Analyse seiner europäischen Korrespondentennetzwerke durch Hubert Steinke (S. 81–94). Letzterer zeigt in seinem Beitrag auch innovative Forschungsperspektiven auf.
Das nächste Kapitel des Sammelbands, „Trew und die Bücher“, hat einen dezidiert buchwissenschaftlichen Schwerpunkt. Ute Schneider und Elisabeth Engl untersuchen in ihren Beiträgen den oft mühsamen Prozess des Büchererwerbs im 18. Jahrhundert (S. 97–112) und das Sammeln als gelehrte Praktik des Forschens (S. 113–126). Anja Wolkenhauer und Christine Sauer widmen sich in ihren Beiträgen der „Stammbuchkultur“ in der Lebensepoche Trews (S. 127–146) respektive Trews „Besucherbuch“. Sauer nimmt dabei auch die Pflanzenbilder von Künstlerinnen und Inskribentinnen Nürnberger und Altdorfer Stammbücher in den Fokus (S. 147–164). Beiden Aufsätzen ist gemein, dass sie Stammbücher nicht nur als biografische, sondern auch kultur-, mentalitäts- und sozialgeschichtliche Quellen betrachten und damit modernen Forschungsansätzen Rechnung tragen. Frédéric Barbier unternimmt in seinem Beitrag den Versuch, den „Status“ bzw. die Rolle wissenschaftlicher Bibliotheken und Sammlungen im späten 17. und im 18. Jahrhundert vor allem an französischen Beispielen zu erläutern, bleibt in seinen etwas summarischen Ausführungen aber bisweilen ein wenig oberflächlich (S. 165–177).
Diesen folgt das Kapitel „Trew als Sammler, Forscher und Autor“, das allerdings aus nur einem einzelnen Aufsatz von Ursula Rautenberg besteht und sich mit Trews Sammlung als „Wissens- und Forschungsraum“ befasst. Der Beitrag sticht schon allein aufgrund seines Umfangs hervor (S. 181–227) und analysiert exemplarisch anhand der Aloe-Studien Trews, auf welche unterschiedlichen Wissensarten dieser über seine Sammlung zurückgriff. Dennoch stellt sich hier die Frage, ob dieser Einzelbeitrag tatsächlich einer eigenen Sektion im vorliegenden Sammelband bedurft hätte.
Die nächste Sektion widmet sich „Trew und der Botanik“ anhand dreier Aufsätze zu unterschiedlichen Werken, die in einer Verbindung zu Trew und seinem Forschungsgebiet stehen: Reto Nyffeler befasst sich mit „Bild und Text in der ˏHistoria plantarumˊ von Conrad Gessner“ (S. 227–245), Dominic Olariu mit einer Bilderhandschrift Georg Öllingers (S. 247–267), Almut Uhl mit Trews eigenem Werk „Plantae selectae“, das mit den Publikationen von Jakob Sturm aus dem 19. Jahrhundert verglichen wird (S. 269–288).
Das letzte Kapitel des Sammelbandes steht unter der Überschrift „Trew und die Bilder“. Kärin Nickelsen knüpft mit ihrer Thematik unter dem treffenden Titel „Zierrat und Nutzen“ an den vorangestellten Beitrag über die „Plantae selectae“ des fränkischen Gelehrten an, bezieht in ihre Untersuchung aber noch andere botanische Tafelwerke aus der Zeit um 1800 ein (S. 291–310). Henriette Müller-Ahrndt behandelt die naturgeschichtlichen Praktiken botanischer Bildgenese (S. 311–324). Den letzten Beitrag liefert Hans Dickel, der die besondere Stellung botanischer Bilder zwischen wissenschaftlichem und künstlerischem Anspruch analysiert und diesbezügliche Entwicklungen im Lauf der Frühen Neuzeit aufzeigt (S. 325–349). In den Beiträgen der letzten Sektion wird deutlich, welche vielschichtigen Zwecke auch vordergründig primär wissenschaftliche Bildwerke zu erfüllen hatten; deren Bedeutung nämlich häufig zwischen repräsentativem Kunstwerk und naturwissenschaftlicher Abbildung oszillierte.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der vorliegende Sammelband nicht nur thematisch einen weiten Bogen spannt, er beleuchtet Trew und seine Sammlung auch aus den Blickwinkeln unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen mit teils durchaus innovativen Ansätzen. Zudem muss abschließend nicht nur der wissenschaftliche Mehrwert gewürdigt werden, sondern auch die gelungene Gestaltung und Ausstattung des Buchs. Der stolze Anschaffungspreis von 164 Euro erklärt sich auch dadurch, dass der vorliegende Band mit unzähligen qualitativ sehr hochwertigen farbigen Abbildungen ausgestattet ist. Sie lassen das Buch zum bibliophilen Schmuckstück werden – wohl ganz nach Trews Geschmack.