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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Hans-Peter Hock

Heim-Spiel. Tischfußball im vordigitalen Zeitalter

Dresden 2022, Landesamt für Archäologie Sachsen mit Landesmuseum für Vorgeschichte, 52 Seiten mit Abbildungen, ISBN 978-3-943770-78-0


Rezensiert von Tobias Hammerl
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 14.09.2023

Die alltagskulturelle Relevanz von Fußball ist gegenwärtig unbestritten und auch der Tischfußball ist spätestens seit der bemerkenswerten Ausstellung „Fußball aufgetischt“ im Stadtmuseum Deggendorf und der in Verbindung damit erschienen gleichnamigen Publikation, herausgegeben von Birgitta Petschek-Sommer, mit dem Untertitel „Kickern mit Leonhart. Kult und Geschichte des Tischfußballs“ (2006) Teil der kulturwissenschaftlichen Forschung. Der vorliegende Band, der aufgrund seiner wertigen Aufmachung schon beim Aufklappen Freude verspricht, richtet den Fokus jedoch nicht auf das klassische Kneipenspiel, sondern auf solche Tischfußballspiele wie „Tipp-Kick“, welche eher den Brettspielen zuzuordnen sind. Die Publikation erschien flankierend zu einer Ausstellung des Staatlichen Museums für Archäologie in Chemnitz, welches sich in seinen so genannten Foyerausstellungen auch mit Themen jenseits der Archäologie befasst. Das Museum nahm die beiden fußballerischen Großereignisse des Jahres 2022, die WM der Männer in Katar und die EM der Frauen in Großbritannien, zum Anlass, sich mit dem Thema Tischfußball zu befassen.

Ausgangspunkt der Betrachtung ist eine kursorische Darstellung der Genese des Fußballs unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung des Frauenfußballs, von der Gründung der Football Association 1863 bis zur WM in Katar 2022 (9–16). Als Hintergrund für die Entwicklung der Tischfußballspiele ist dies sicher hinreichend, historisch betrachtet ist es aber zu kurz gegriffen, da frühe Formen des Fußballs, etwa das Jedburgh Ba Game, bereits ab 1704 nachweisbar sind und letztlich markiert die Gründung der Football Association und später der Rugby Football Union das Ende einer langsamen Ausdifferenzierung der beiden heutigen Sportarten Rugby und Fußball. Im zweiten Teil wird dann die nahezu zeitgleich zum „echten“ Fußball zu beobachtende Entwicklung von Tischfußballspielen dargestellt. Hier zeigt Hock fundiert und kenntnisreich auf, wie diese als Spielwaren zunächst für Salon- oder Gesellschaftsspiele eines gehobenen Publikums auf den Markt gebracht wurden, um dann zu „Heim-Spielen“ zu werden, welche am Küchentisch Stadionatmosphäre versprachen. Obgleich der chronologische Streifzug durch die Genese von Tipp-Kick & Co. besonders auch aufgrund der Einbeziehung der ehemaligen Ostblockländer einen sehr guten und fundierten Überblick über die Entwicklung dieser Brettspielgattung gibt, so ist die Publikation in erster Linie aus der Perspektive des Sammlers geschrieben. Hans-Peter Hock beschäftigt sich ausführlich und sehr fundiert mit den Spielwaren und deren Herstellern, mit Schachtelbildern und Spielfiguren. Zwar schneidet der Band auch aus kulturwissenschaftlicher Sicht spannende Punkte an, allerdings ohne in die Tiefe zu gehen. So werden Fragen nach kulturellen Wertigkeiten oder der sozialen Differenzierung von Spielwaren und -praxen aufgeworfen, wenn der Autor etwa mitteilt, dass ein Hersteller ein Spiel sowohl als Luxusartikel für stolze 15 Mark als auch als Sparvariante für ein Zehntel des Preises im Programm hatte. Hierzu würde man gerne mehr erfahren, allerdings hätte dies sicher den Umfang dieser Publikation gesprengt. Insgesamt ist der Band jedoch eine mindestens genauso freudige Erfahrung wie eine Runde „Tipp-Kick“.