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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Brigitte Frizzoni/Christine Lötscher (Hg.)

„Bring me that horizon!“ Neue Perspektiven auf Ästhetik und Praxis populärer Literaturen und Medien. Festschrift für Ingrid Tomkowiak

Zürich 2020, Chronos, 335 Seiten mit Abbildungen, ISBN 978-3-0340-1592-9


Rezensiert von Burkhart Lauterbach
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 17.08.2023

Das (nicht nur) kulturwissenschaftliche Festschriftwesen hat es schwer. Es wird bisweilen geradezu heftig kritisiert, wie uns der einschlägige Wikipedia-Artikel mitteilt; es wird in etlichen Fällen modifiziert, bisweilen gar marginalisiert. Dennoch kommt es im Großen und Ganzen nicht zur Aufgabe dieses Rituals. Im Gegenteil, man fahndet vielmehr nach veränderten Praxisformen. Einerseits gibt es zwar nach wie vor den gewichtigen Sammelband in einer gebundenen Ausgabe (z. B. FS Hugger 1995; FS Simon 2016). Andererseits wird aber auch nach Alternativen gesucht: Man lässt Festschriften im Medium des Taschenbuchs erscheinen (FS Bausinger 1986); man bringt (Quasi-)Festschriften bereits zum 50. Geburtstag der jeweiligen Kolleginnen oder des Kollegen heraus (z. B. Jeggle 1991; Korff 1992); man ersetzt die Fremdbeiträge durch eine Auswahl an Eigenbeiträgen der zu feiernden Persönlichkeit (z.B. Maase 2011; Korff 2013). Oder aber man bringt eine vielseitige Mischung aus allen möglichen Darstellungsformen, seien sie wissenschaftlicher, essayistischer oder gar künstlerisch-ästhetischer Provenienz. Im konkreten Fall hat man sich für just diese zuletzt genannte Kombination entschieden, eine Kombination, die in ihrer Buntheit, grob gesagt, der Farbpalette jenes Halstuchs entspricht, welches die Jubilarin Ingrid Tomkowiak, langjährige Professorin am Zürcher Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft, auf ihrem, dem Einleitungstext der beiden Herausgeberinnen folgenden, Porträtfoto (11) trägt.

In fünf Abteilungen präsentieren 21 Damen und 15 Herren aus dem direkten und indirekten thematischen und/oder organisatorischen Umfeld der gefeierten Kollegin ihre Beiträge. Da geht es um „Ästhetische Erfahrung und ästhetische Praxis“, um die „Kulturanalyse des akademischen Lebens“, um „Populäre Figuren“, um „Materialität“ sowie um verschiedene „Populäre Genres“. Grundsätzliche Überlegungen zum Umgang mit ästhetischen Gegenständen und Prozessen wechseln sich ab mit Ausführungen über konkrete Erzähl- und Bildwelten; Fragen zur Nostalgie und Kindheit in der Populärkultur werden ebenso erörtert wie der sogenannte Ereignishumor aus dem akademischen Alltagsleben in einem Universitätsinstitut; Forschungen über Tove Janssons Œuvre und über amerikanische Alltagsmythen werden ebenso einer Analyse unterzogen wie das Biografie- beziehungsweise Autobiografiewesen. Es gibt sachlich-ernsthafte Beiträge sowie solche, die ausgesprochen locker und augenzwinkernd daherkommen. Eine kräftige Portion Humor lässt sich dem Band auf gar keinen Fall absprechen, gleich ob es sich bei den jeweiligen Gaben um Texte, Fotos oder Comics handelt. Und noch etwas fällt auf: Der Festschrift-Band ist durchzogen von persönlichen Bemerkungen, mit denen die Autorinnen und Autoren auf ihre Beziehungen zur Jubilarin in Vergangenheit und Gegenwart verweisen, was gleichermaßen in den Beiträgen selbst als auch in dem ausführlichen Biografieanhang aufzuspüren ist. Dies führt dazu, dass wir es mit einem dichten Text- und Bildgewebe zu tun haben, welches sich in höchstem Maße als eine kollektive kreative Leistung wertschätzen lässt.