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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Burkhard Pöttler (Hg.)

Technik im Alltag. Lebende Technik, technisches Leben – zwölf kulturanthropologische Perspektiven zwischen Unbehagen und Selbstverständlichkeit

Graz 2022, Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie, Universität Graz, 205 Seiten mit Abbildungen, https://doi.org/10.18452/25823


Rezensiert von Burkhart Lauterbach
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 07.09.2023

Den Ausgangspunkt für die hier anzuzeigende Publikation stellt ein, wie wir das heutzutage nennen, Studienprojekt, als in theoretischer, methodischer und sachlicher Hinsicht gewichtiger, zweisemestriger Schwerpunkt innerhalb des Master-Studiengangs am Grazer Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie dar, bei dem sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus unserem Fach mit dem Thema „Technik im Alltag: Fortschritt – Herausforderung – Bedrohung?“ im Sommersemester 2021 und im darauffolgenden Wintersemester multiperspektivisch auseinandersetzten, dies unter Leitung von Burkhard Pöttler (Graz) sowie Marion Hamm (Klagenfurt) und Johannes Müske (Freiburg i. Br.). Das Projekt war seinerseits eingebettet in das Jahresthema des veranstaltenden Instituts: „Soziokulturelle Prozesse der Digitalisierung“.

In der übergreifenden Einleitung durch Herausgeber Burkhard Pöttler wird nicht nur Thematisches und Fachgeschichtliches (von Hermann Bausinger, Beate Binder, Stefan Beck, Thomas Hengartner, Johanna Rolshoven) behandelt, sondern vor allem auch der für derartige Projektarbeit – dank der Corona-Epidemie – ausgesprochen ungünstige Zeitpunkt für solches kollektiv orientiertes wissenschaftliches Tun in aller Deutlichkeit dargelegt. Ungeachtet dessen geht es in den folgenden zwölf Beiträgen um recht unterschiedliche Handlungsfelder und die dazugehörigen Forschungsansätze. Christa Berger startet in medias res, indem sie zwei autoethnografische Episoden in ihren Text einbaut, um die notwendige Klärung des Problems, wie man Quellen, welche mithin Daten über einstige alltagskulturelle Vorgänge enthalten, für die heutige Zeit „erleb- und greifbar“ (14) machen – und wie sich der Zugang zu diesen Quellen, nach der gewandelten „Datenakquise von analog auf digital“ (20) gestalten kann. Es folgen Beiträge, die sich mit materiellen Dingen, den Umgangsweisen mit ihnen, Kontexten, Funktionen sowie Bedeutungen befassen, so mit dem Kameraeinsatz im ethnografischen Film, den Alltagsritualen rund um den Umgang mit Hörgeräten, der Bedeutung des sogenannten Home Office, mit Praxiskonzepten des übergreifenden Smart Home, mit dem elektrischen Rollstuhl, der Waschmaschine, dem Kühlschrank sowie dem Wecker. In eine eher politische Richtung gehen die Beiträge über die potentiellen Zusammenhänge von technologischen Innovationen und Formen der Nutzung derselben für partizipative demokratische Praxis sowie über Formen des Umgangs mit dem menschlichen Körper unter analogen versus virtuellen Bedingungen. Eine besondere Rolle nimmt der abschließende und den Aufsatzband abrundende Beitrag von Cordula Weitgruber ein, in dem ausgesprochen intensiv und vor allem ethnografisch wie auch autoethnografisch Problemen der zwischenmenschlichen „Kommunikation im Alltag“ unter den konkreten Bedingungen einerseits des technischen Fortschritts und andererseits der vorgenannten Epidemie nachgegangen wird. Fazit: „Die technischen Hilfsmittel tragen dazu bei, dass sich der Kommunikationsraum durch Flexibilität, ubiquitäre Erreichbarkeit und Translokalität auszeichnet“ (192), gleich ob sich diese Vorgänge beispielsweise an Grazer Haltestellen des Öffentlichen Nahverkehrs oder in Untergrundbahnen in Seoul registrieren lassen (171).

Insgesamt ist zu resümieren: Die verschiedenen Aufsatztexte kommen durchgängig vielseitig, problemorientiert und wohl formuliert daher, dabei stets anschaulich unterstützt durch egodokumentarische Zitate. Und sie laden in deutlicher Weise zu weiteren, vertiefenden wie auch ausgedehnteren, Erkundungen der verschiedenen alltagsbezogenen Handlungsfelder ein. In diesem Sinne haben wir es mit einem erfolgreichen Studienprojekt zu tun.