Logo der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

Kommission für bayerische Landesgeschichte

Menu

Aktuelle Rezensionen


Anja Schöne/Malin Drees (Hg.)

Er gehört zu mir. Muslimische Lebenswelten in Deutschland. Katalog zur Ausstellung im RELíGIO – Westfälisches Museum für Religiöse Kultur, 5. Mai bis 28. August 2022, Telgte

Münster 2022, Waxmann, 202Seiten mit Abbildungen, ISBN 978-3-8309-4579-6.


Rezensiert von Fatma Sagir
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 07.09.2023

Kulturanthropologin Anja Schöne thematisiert in ihrer Einführung in den Ausstellungskatalog „Er gehört zu mir. Muslimische Lebenswelten in Deutschland“ kulturanthropologische Begrifflichkeiten wie etwa „Lebenswelten“ (15) und stellt die Konzeptionierung der Ausstellung dar. Dabei stellt sie heraus, dass das Ziel gewesen sei, „mit Muslimen“ zu sprechen und nicht über sie (16). So führen muslimische Menschen aus Deutschland durch die Ausstellung. Das Buchcover zeigt plakativ einige der Ausstellungsteilnehmerinnen im Porträt. Der Titel „Er gehört zu mir“ sei eine bewusste Wahl gewesen, auch wenn er an Marianne Rosenbergs Schlager erinnere. Der Titel solle der politischen Kontroverse um den Ausspruch „Der Islam gehört zu Deutschland“ einen Gegenentwurf entgegensetzen (20).

Damit platzieren die Herausgeberinnen ihre Ausstellung und den vorliegenden Begleitband in den gesellschafts-politisch dauer-aktuellen Diskurs „Islam in Deutschland“ und sämtliche mit diesem Thema konnotierte Themen. Dazu gehören Fragen der Migration, des Rassismus und der Aushandlung von Zugehörigkeit und Identität (16–17).

Dementsprechend ist der Ausstellungskatalog thematisch gegliedert. Dabei folgt der Aufbau einer tradierten Vorstellung von Einführungen in den Islam (23–85), die einen historischen Abriss zur „Geschichte der Muslim:innen in Deutschland“ enthält (23–29). Neben dem rituellen Gebet und der Rolle der Moscheen (53–61) findet sich ein ausführliches Kapitel zu Festen und Ritualen (85–139). Dieses Kapitel schließt mit der Abbildung eines muslimischen Grabsteines aus dem 17. Jahrhundert auf einem westfälischen Friedhof (138). Einzig das Kapitel „Schutz vor Unheil“ weicht von diesem tradierten Aufbau dahingehend ab, als es sich dem Feld der Materialität von alltagsreligiösen Praktiken widmet, die häufig im Bereich des „Aberglaubens“ verortet werden. Der Problematisierung dieser, häufig auch in wissenschaftlicher Literatur verwendeten, Wertung widmet sich Kornelius Hentschel (143–147). Dem schließen sich Abbildungen einer Reihe von Objekten an (149–159), die die Vielfalt dieser Praktiken und Materialitäten deutlich zeigen.

Dieses Motiv zieht sich durch den gesamten Katalog und ist der geografischen, historischen, sprachlichen, ökonomischen und theologischen Diversität muslimischen Lebens weltweit geschuldet. Folglich bieten der Katalog und die Ausstellung lediglich einen Einblick in einen Ausschnitt muslimischen Lebens in Deutschland, was bereits eine Herausforderung darstellen dürfte. Diese Ausstellung ist deshalb ein begrüßenswertes Unterfangen, da zeitgenössische muslimische Alltagskultur im musealen Raum und in der musealen Repräsentation in Deutschland nahezu nicht vorhanden ist.

Die beiden Schlusskapitel verorten die Ausstellung gesellschaftspolitisch und innerreligiös, indem sie sich dem Thema Islamophobie und anti-muslimischer Rassismus widmen (163–169) sowie der Frage von Pluralität und Dissonanz im innerislamischen Diskurs (173–175). Der Ausstellungskatalog schließt mit Fotografien der Ausstellungsteilnehmerinnen und ihren Objekten ab. Die ausgezeichnete Qualität der Fotografien sowie die grafische Gestaltung des Kataloges machen diesen Band besonders reizvoll.