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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Stefan Pfaffenberger

Aspekte der Stadtentwicklung Bambergs im frühen und hohen Mittelalter aus archäologischer Sicht

(Arbeiten zur Archäologie Süddeutschlands 32), Büchenbach 2020, Verlag Dr. Faustus, 647 Seiten, zahlreiche Abbildungen


Rezensiert von Philipp Scheitenberger
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 04.09.2023

Bei dem seitenstarken Buch handelt es sich um die Promotionsschrift des Bamberger Stadtarchäologen Stefan Pfaffenberger, die 2019 am Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit an der Otto-Friedrich-Universität, Bamberg eingereicht wurde.

Ziel der Monographie ist es, einen Beitrag zur Bamberger Stadtgeschichte im frühen und hohen Mittelalter aus archäologischer Sicht zu erbringen. Pfaffenberger leistet eine integrierende Auswertung der wichtigsten archäologischen Befunde aus der genannten Epoche und entwickelt daraus zentrale Aspekte der Stadtentwicklung Bambergs vor dem Hintergrund des bestehenden, größtenteils archäologischen Forschungsstands. Hierbei legt er bautypologische Schwerpunkte, womit die Stadtentwicklung auch als Architekturgeschichte fassbar gemacht wird. Pfaffenbergers Interesse gilt darüber hinaus auch der Geschichte der Bamberger Stadtarchäologie mit einer teils sehr berechtigten kritischen Bestandsaufnahme der archäologischen Grabungen im Stadtgebiet von den Anfängen bis einschließlich 2009. Als erweiterte Materialgrundlage dient dabei der in Teil V als Anhang beigefügte „Katalog der archäologischen Maßnahmen im Stadtgebiet Bambergs“ (S. 311–647). Dieser enthält auch die über das frühe und hohe Mittelalter hinausreichenden Befunde, womit sie für weitergehende Forschungen zur Verfügung stehen; sie lassen sich mit Hilfe eines Verzeichnisses der alphabetisch geordneten Straßennamen erschließen.

Die Materialgrundlage der Untersuchung bilden die im 20. und 21. Jahrhundert erhobenen archäologischen sowie bauforscherischen Befunde aus der angeführten Untersuchungsphase. Mit Archäologie und Bauforschung werden also zwei eng benachbarte Fachgebiete berücksichtigt. Ergänzend zieht Pfaffenberger bei der Bewertung und Diskussion der Befunde sowie der Stadtentwicklung Bambergs auch eine Vielzahl an historischen Bild-, Text- sowie Kartenquellen heran, so etwa den aus dem Jahr 1602 stammenden Zweidler-Plan. Diese werden jedoch nicht alle im Buch abgebildet.

Neben einem chronologischen Überblick über die „Stadtarchäologie“ (S. 10–13) sowie der Erläuterung der „naturräumlichen Gegebenheiten Bambergs“ (S. 13–16) leitet Pfaffenberger den Forschungsteil II (S. 48–267) mit Ausführungen zur „vor- und frühgeschichtlichen Besiedelung des Stadtgebietes“ (S. 16-26) und zum „frühmittelalterlichen bis spätkarolingischen Siedlungsgefüges des Bamberger Raums“ (S. 26–39) ein. Darauf folgen Beobachtungen zur Territorial- und Kirchengeschichte (S. 39–47), vor allem zur Bistumsgründung sowie -entwicklung von Kaiser Heinrich II. bis Bischof Otto I. (S. 41-47).

Im Hauptteil II (S. 48–267) folgen Beschreibung, Erläuterung, Interpretation, Bewertung und Diskussion der früh- und hochmittelalterlichen archäologischen Befunde in Verbindung mit der Grabungsgeschichte der jeweilis betrachteten Areale. Hierbei konzentriert sich Pfaffenberger auf den Domberg mit der Kathedrale („Heinrichsdom“), das Domkloster und die Pfalz mit dem hier vormals befindlichen Castrum Babenberg sowie den Resten der Befestigungsanlagen wie Wehrmauern und -gräben etc. Wegen ihrer Bedeutung für die Entwicklung Bambergs sind sie zentrale Ausgangspunkte des Erkenntnisinteresses. Im Sinn der von Heinrich II. und den Bischöfen vorangetriebenen städtebaulichen Entwicklung rückt Pfaffenberger dann die Oberstadt und die Anhöhen mit ihrer Sakraltopografie in den Vordergrund seiner Betrachtungen. Hierzu zählen neben dem Michaelsberg mit dem Kloster St. Michael (S. 119–132) und der ebenfalls dort gelegenen, ehemaligen Probstei St. Getreu (S. 133) der Stephans- und Jakobsberg mit der Stephans- und Jakobskirche (S. 134–137) sowie das am Unteren Kaulberg gelegene Benediktinerinnenkloster St. Maria und Theodor (S. 141–144).

Das Sandgebiet, als Bereich des ehemaligen Suburbiums, wird anhand diverser Grabungsfunde, etwa im Bereich der Schranne, dem Standort des abgegangenen Franziskanerklosters, am Katzenberg oder am Regnitzufer untersucht (S. 144–200). Die hochmittelalterliche Entwicklung der Inselstadt verfolgt Pfaffenberger vor allem im Fokus auf den Maximiliansplatz, dem Standort der abgegangenen Pfarrkirche St. Martin. Weitere Überlegungen beleuchten die Situation am Jesuitenkolleg oder in der Hellerstraße (S. 201–228). Mit dem Ausblick auf die in der Inselstadt gelegenen Befestigungen versucht Pfaffenberger, den ehemaligen Verlauf der Bamberger Stadtmauer unter Einbeziehung verschiedener Bild- und Textquellen sowie der Bauforschung zu rekonstruieren (S. 221–228). Seine Ausführungen zu den Befunden in der Theuerstadt geben ein sehr differenziertes Bild dieses von verkehrsgeographischen Einflüssen geprägten frühmittelalterlichen Siedlungsgebiets Bambergs (S. 228–268), besonders aussagekräftig am Beispiel der Oberen Königstraße.

Die im III. Teil zusammengefassten Ergebnisse der archäologischen Befunduntersuchung zeichnen facettenreich die früh- bis hochmittelalterliche Siedlungsgenese Bambergs nach (S. 268–289). Demzufolge bildete das von Pfaffenberger typologisch als „große bis sehr große […] karolingisch-ottonische Mittelpunktburg“ (S. 269) eingeordnete „castrum Babenberh“ (S. 269) ab dem 8. bis 9. Jahrhundert die Keimzelle für Bambergs Siedlungsentwicklung. Der als vorgelagerte Verteidigungseinrichtung der Burg dienende Michaelsberg nahm hierbei eine bedeutende Funktion ein, wie auch die sich aus einer Furtsiedlung ab dem 10. Jahrhundert am rechten Regnitzarm entwickelnde Theuerstadt. Das im Sandgebiet am Ufer des linken Regnitzarms ebenfalls im Frühmittelalter entstandene Suburbium, mit seiner ökonomischen Versorgungsfunktion für die Burg, kann Pfaffenberger als weiteres wichtiges „frühstädtische[s]“ Element“ (S. 271) identifizieren. Für den Forscher wurde bereits im Frühmittelalter durch die im Bereich der Burg, im Suburbium sowie in der Theuerstadt nachgewiesenen Siedlungszellen die Basis für die „polyzentrische Entwicklung Bambergs“ (S. 274) gelegt.

Die Gründung des Bistums Bamberg 1007 durch Heinrich II. eröffnete schließlich im 11. Jahrhundert „ein neues Kapitel in der Stadtentwicklung“ (S. 274). Die Bistumsgründung legte die Grundlage für Bambergs Aufstieg „zu einem der politisch, kirchlich und kulturell bedeutendsten Zentralorte des Reiches“ (S. 274). Im Stadtbild wird er vor allem in der Sakraltopographie erkennbar. An den Heinrichsdom und die Pfalz im Bereich des ehemaligen „castrum Babenberh“ (S. 279) fügten sich noch weitere für die Funktion eines Bischofssitzes essentielle Gebäude an, die Stiftskirchen St. Stephan und St. Jakob sowie das Benediktinerkloster St. Michael. Sie stellten die Grundsteine eines auf die „memoria“ (S. 280) für Heinrich II und seine Gemahlin Kunigunde ausgerichteten Entwicklungskonzepts dar; aus ihnen sollte sich Bambergs hochmittelalterliche „Kirchenlandschaft“ (S. 280) entwickeln.

Das 12. Jahrhundert war hingegen gekennzeichnet von „umfangreichen stadträumlichen Veränderungen“ (S. 282). Sie wurden in der „Ausbildung eines stadträumlichen Gebildes“ greifbar; sie schufen die Basis für die „Ausdehnung der Stadt im weiteren Verlauf des Mittelalters und der Frühen Neuzeit“ (S. 282). Erstmals wurden im 12. Jahrhundert „Ansätze zur Ausbildung eines zusammenhängenden Stadtorganismus sichtbar“ (S. 289). Im Detail äußerte sich der dem Wirken von Bischofs Otto I. zuzuschreibende Stadtentwicklungsprozess in der „Ausweitung des Stadtraumes“ (S. 282), „der Einbeziehung der Inselstadt in den Stadtraum“ (S. 282), der „Verdichtung innerhalb der bestehenden Kernräume“ (S. 282) sowie in einer Transformation von gewerblich genutzten Stadtquartieren für die sakrale Nutzung, wie etwa an der Schranne. Er deutete sich in den nun verwendeten Architekturformen an, so beispielsweise in der Ablösung des Holzbaus durch vermehrten Steinbau.

Pfaffenberger gelingt mit seiner Untersuchung ein bedeutender Wissenszuwachs für die Landesgeschichte, in der Bamberg vor allem unter Heinrich II. aber auch darüber hinaus eine wichtige Stellung einnimmt. Zudem ist seine katalogförmige Aufarbeitung der archäologischen Maßnahmen auf dem Stadtgebiet und seine kritische Sichtung der Stadtarchäologie für die künftige Forschung sehr verdienstvoll. Trotzdem wirkt sein Ansatz wegen des stark architekturtypologisch orientierten Zugangs an manchen Stellen überfrachtet und im Hinblick auf wissenschaftliche Analyse sowie Qualität stark durchwachsen. Mangelnde Stringenz lassen die Betrachtungen der historischen Bild- und Kartenquellen erkennen, gerade auch in ihrer Verbindung mit den archäologischen Befunden. Ein Beispiel dafür ist der Zweidler-Plan: Seine Auswertung für eine weitergreifende Kontextualisierung der archäologischen Befunduntersuchungen vermisst man immer wieder, so etwa bei den Ausführungen zur Inselstadt. Hier fehlt es nicht nur an Durchdringungstiefe in der Befundanalyse, sondern auch an methodisch sauberer Visualisierung der Befestigungsanlagen, vor allem der Stadtmauerverläufe. Der Zweidler-Plan hält hierzu Informationen bereit, wie auch zu Grenzen und Flurstücken. Für die Theuerstadt vermisst man weiterführende Beobachtungen zur gartenbaulichen Nutzung dieses Areals, obwohl dies die Befundgeschichte erlauben würde.

In der Gesamtschau ist das Buch von Stefan Pfaffenberger durchaus als wertvoller Beitrag zur historischen Stadtentwicklung von Bamberg einzustufen. Dem Leser sei dennoch empfohlen, an der ein oder anderen Stelle auch eine kritische Brille aufzusetzen.