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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Martina Außermeier

St. Kastulus in Moosburg. Geschichte, Bau, Stil

Lindenberg im Allgäu 2020, Josef Fink, 296 Seiten, 222 Abbildungen


Rezensiert von Markus M. Böck
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 12.09.2023

In ihrer Regensburger Dissertation widmet sich Martina Außermeier einem bedeutenden Zeugnis des bayerischen Kirchenbaus, dem Münster St. Kastulus in Moosburg an der Isar. Das im Nordosten der Erzdiözese München und Freising gelegene Bauwerk ist vor allem für die noch deutlich erkennbare Architektur der Romanik und Spätgotik bekannt, die der Sakralbau über das Zeitalter barocker Überformungen bewahren konnte.

Ziel der Arbeit ist eine Auseinandersetzung mit der Baugeschichte sowie dem Baustil des ehemaligen Kollegiatstiftes, wobei „Forschungsergebnisse der Vergangenheit […] ergänzt und neu geordnet“ sowie „neue Erkenntnisse ausgewertet und kommentiert“ (S. 14) werden sollen. Betrachtet wird dabei en détail die Zeit bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Auf die ältere Forschungsliteratur geht Außermeier eher kursorisch ein, als Schwerpunkt für die wissenschaftliche Bezugnahme lässt sich die Forschung des 20. Jahrhunderts festmachen. Neu und äußerst bemerkenswert ist die Behandlung der Baugeschichte der Kapellen und Anbauten sowie die Erstellung graphischer Rekonstruktionen der einzelnen Bauphasen. Die Studie gliedert sich in drei Hauptteile, erstens: eine knappe Verortung des Münsters St. Kastulus in der Bistums- und Landesgeschichte sowie ein Überblick über die Frühphase der Entstehung und den Fortgang vom Benediktinerkloster zum Kollegiatstift bis zu dessen Translation nach Landshut, zweitens: eine detaillierte Beschreibung der Baugeschichte sowie der historischen Ausstattung des Münsters, drittens: eine wissenschaftliche Einordnung der Architektur und Bauskulptur in die kunsthistorischen Stilepochen. Diesem Hauptteil angehängt sind die bereits genannten wertvollen Rekonstruktionen. Während der erste Teil, auch hinsichtlich des Umfanges, eher einleitenden Charakter hat, zeigt Außermeier in den folgenden beiden Teilen mit technischer Raffinesse ihre außerordentliche fachliche Kompetenz. Begleitet werden ihre Ausführungen von hochauflösenden und ästhetisch ansprechend komponierten Farbfotografien, welche dem Leser das Beschriebene treffend bebildern.

Der Fokus der Arbeit liegt auf der Beschreibung der Bau- und Ausstattungsgeschichte. Außermeier stellt bei der Betrachtung der einzelnen Elemente den Bezug zu vergleichbaren Werken zeitgenössischer Künstler in Süddeutschland her. Sie arbeitet für die Gebäudeteile stichhaltig die potenziellen Verwendungszwecke heraus, was ein herausragendes Qualitätsmerkmal dieser Dissertation darstellt. Die skulpturalen Arbeiten Hans Leinbergers reflektiert sie überzeugend innerhalb dessen künstlerischen Werkkomplexes. Überdies bietet die Autorin eine eingehende Beschreibung des romanischen Westportals sowie eine überzeugende Interpretation von dessen berühmten Tympanon. In die Baugeschichte lässt sie viele archäologische Erkenntnisse der jüngeren Zeit einfließen, die während der umfassenden Renovierungsmaßnahmen im Jahr 2009 erlangt werden konnten. Der dritte Hauptteil zur stilistischen Einordnung ist prägnant formuliert und umfasst etwa ein Fünftel der Arbeit. Die dabei gezogenen Rückschlüsse sind evident und fundiert. Bemerkenswert ist die These, dass der markante Westturm des Münsters wohl ursprünglich als Doppelturmfassade angelegt gewesen sein könnte (S. 199). Der Kontext der jeweiligen zeitgenössischen ästhetischen Ideale in der süddeutschen Sakralarchitektur wird treffend zur Ausführung gebracht.

Außermeier analysiert sorgfältig, aber ohne Ausschweifung, die Ausstattung und Architektur des Münsters St. Kastulus. Die Arbeit eignet sich besonders für eine intensive Auseinandersetzung mit dem Gebäude und dessen Innenausstattung und spricht dabei nicht nur ausgewiesene Experten der Kunstgeschichte an, sondern macht sie einem breiten Publikum zugänglich. Durch die Verwendung von Endnoten wird zwar ein ruhiges Schriftbild hergestellt, doch der Zugang zu weiterführender Forschungsliteratur erschwert, was freilich dem in der Schriftsetzung allgemein zu beobachtenden Trend der künstlichen Trennung von Darstellung und Forschung geschuldet ist. Die Dissertation wird ihrem erklärten Vorhaben, einer möglichst umfänglichen kunsthistorischen Beschreibung und stilistischen Einordnung des Münsters in die Baugeschichte bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, auf hohe Weise gerecht. Spätere bauliche Entwicklungen finden deshalb nur gelegentlich in Form von Exkursen Erwähnung. Äußerst hilfreich sind darüber hinaus die aufgeführten Thesen zur möglichen säkularen und sakralen Nutzung der einzelnen Räume und Gebäudeteile.

Die kunsthistorische Bearbeitung des Moosburger Münsters St. Kastulus von Außermeier besticht durch eine treffsichere Ausdrucksweise, die auf Grundlage souveräner wissenschaftlicher Argumentation ein gut nachvollziehbares und unerlässliches Werk für diesen Sakralbau darstellt. Es eignet sich für alle, die sich mit der romanischen und gotischen Baugeschichte des Münsters auseinandersetzen möchten und darf zugleich zu weiterführenden, vergleichend angelegten Studien anregen.