Aktuelle Rezensionen
Michael Kaufmann OSB
Die Barockbibliothek der Abtei Metten
(Entwicklungsgeschichte der Benediktinerabtei Metten 7), Sankt Ottilien 2021, EOS, 213 Seiten, zahlreiche Abbildungen
Rezensiert von Alois Schmid
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 18.09.2023
Zu den bedeutendsten Kulturschöpfungen des Barock gehören die prachtvollen Bibliothekssäle. Vor allem die großen Abteien im oberdeutschen Raum brachten ihre Büchersammlungen in den meist neu errichteten Klosteranlagen in wahren Prunkräumen unter, die noch heute als Hauptsehenswürdigkeiten gelten. Oftmals wirkten an ihrer Gestaltung die gleichen Künstler mit wie in den Kirchen. Die höchstrangige Pflege der Bibliothekskultur ist ein Signum der oberdeutschen Klosterlandschaft in der Frühen Neuzeit, das über die Beschreibung hinaus noch vertiefter Interpretation bedarf.
Einen der bedeutendsten barocken Bibliothekssäle hat die niederbayerische Benediktinerabtei Metten geschaffen. Dieser erfährt im anzuzeigenden Band seine erste wissenschaftliche Beschreibung und umfassende Dokumentation. Sie verdankt sich dem derzeitigen Haushistoriker, der nicht nur seine einzigartigen Kenntnisse um die Geschichte seines Klosters, sondern zur kunstgeschichtlichen Interpretation das notwendige theologische Fachwissen einbringt. Er stellt mit optimaler Ortskenntnis die baulichen Gegebenheiten und hoher Sachkenntnis ihre künstlerische Ausstattung vor, bietet aber zudem zu jedem Detail die zugehörige Deutung. Denn gerade im mit vielen Symbolen aufgeladenen Bibliotheksraum steckt hinter jedem Element eine vertiefende Aussage. Der Band hat in der Verbindung von Historiker und kunstgeschichtlich versiertem Theologen den optimalen Bearbeiter gefunden. Eine großzügige, durchwegs im aufwendigen Qualitätsdruck dargebotene Bebilderung verschafft den profunden Erörterungen zur Historie, Kunstgeschichte und Theologie eine willkommene Anschaulichkeit.
Der Band konzentriert den Blick auf die Kunstgeschichte. Ihm ist eine Ergänzung zu wünschen, die mit gleicher Kompetenz den Inhalt des Prunkraumes einer ähnlich profunden Analyse unter institutionsgeleiteten Fragestellungen unterwirft. Neben der ästhetischen Komponente hat die Bibliothekshistorie eine pragmatische Seite, die sich den profanen Aspekten der Verwaltung, Finanzierung, Aufstellung, Benützung oder auch der Bestandsanalyse zuwendet. Doch das ist ein anderes Thema – ein Thema für sich. Hier wird der anzustrebende Vergleich durchaus manche örtliche Besonderheit ergeben, z.B. die atypische Lage des Mettener Büchersaals. Der ergänzende »Epilog« des Abtes Christian Schütz richtet den Blick bereits in diese Richtung, indem er die Kernfrage nach der Zweckbestimmung aufwirft und mit dem Bild des „Zeitfensters“ (S. 204) den Weg zu einer ordensspezifischen Funktionsbeschreibung weist.
Der inhaltlich überzeugende, aber auch buchtechnisch vorzüglich gestaltete Band macht deutlich, dass Bibliotheken in Klöstern eine andere Wertigkeit hatten als in den primär von politisch-administrativen oder rein wissenschaftlichen Zwecken geleiteten Residenzen, Universitäten, Schlössern, Kommunen oder Gelehrtenstuben. Er bietet einen instruktiven Beitrag zum vertieften Verständnis der einzigartigen Buchkultur der Klöster im Zeitalter von Barock und Aufklärung.