Aktuelle Rezensionen
Jürgen Aretz/Thomas Brechenmacher/Stefan Mückl (Hg.)
Zeitgeschichte in Lebensbildern. Katholische Persönlichkeiten des 20. und 21. Jahrhunderts
(Zeitgeschichte in Lebensbildern 13), Münster 2022, Aschendorff, 290 Seiten, zahlreiche Abbildungen
Rezensiert von Christopher Dowe
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 19.09.2023
Vor fünfzig Jahren veröffentlichte Rudolf Morsey als Herausgeber unter dem Titel Zeitgeschichte in Lebensbildern“ einen Sammelband mit Biografien aus dem deutschen Katholizismus des 20. Jahrhunderts. Auf dem Stand der Forschung, aber in allgemein verständlicher Sprache und ohne Anmerkungen folgten 21 biografische Skizzen einer Einleitung, in der methodische Überlegungen und geschichtspolitische Zielsetzungen des Projektes skizziert wurden. Zu jeder Biografie gehörte ein Porträtfoto sowie in einem Anhang Hinweise zur Quellenlage und zur Forschungsliteratur. Zu den Vorgestellten gehörten das Führungspersonal der Zentrumspartei, darunter vier Reichskanzler, ferner zwei Bischöfe sowie mit Hedwig Dransfeld eine Frau. Bis 2007 erschienen weitere elf Bände der Reihe „Zeitgeschichte in Lebensbildern“, so dass insgesamt 216 Persönlichkeiten des deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts vorgestellt wurden. Ab Band 3 fungierten Jürgen Aretz und Anton Rauscher als Mitherausgeber. All diejenigen, die sich mit dem deutschen Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts beschäftigt haben, kamen und kommen an dieser grundlegenden Reihe nicht vorbei.
Fünfzehn Jahre später setzten Jürgen Aretz, Thomas Brechenmacher und Stefan Mückl als Herausgeber die Reihe mit Band 13 fort, der 2022 erschien und hier vorgestellt werden soll. In bekannter Art und Weise werden die Biografien von 14 Männern und drei Frauen vorgestellt. Ein Schwerpunkt liegt auf den Wirkungsbereichen Politik und Wissenschaft. Hervorzuheben ist, dass mit Ellen Ammann und Hanna-Renate Laurien zwei Politikerinnen porträtiert werden und dass nicht nur Helmut Kohl, Paul Mikat und Alfred Gomolka aufgenommen wurden, sondern auch die beiden katholischen Sozialdemokaten Hans-Jochen Vogel und Wolfgang Clement. Damit reagieren die Herausgeber, wie sie in der Einleitung überzeugend argumentieren, auf den Formwandel des Katholischen im 20. und 21. Jahrhundert. Dass noch keine Politikerin und noch kein Politiker der Grünen aufgenommen wurde, erklärt sich daraus, dass wie bisher nur verstorbene Persönlichkeiten Eingang in die Reihe finden. Im Bereich Wissenschaft werden Männer vorgestellt, die als Juristen, Theologen, Sozialwissenschaftler oder Philosophen große öffentliche Aufmerksamkeit fanden oder über ihr Fachgebiet hinaus wirkten. Hier sei exemplarisch auf Ernst-Wolfgang Böckenförde, Josef Pieper, Robert Spaemann oder Anton Rauscher verwiesen. Nicht nur hier, sondern auch in der Aufnahme von Isa Vermehren und Joseph Beuys zeigt sich das gegenüber dem Band 1 gewandelte Verständnis des Katholischen.
Wie bei Sammelbänden so oft, porträtieren die jeweiligen Autorinnen und Autoren sehr unterschiedlich die vorzustellenden Personen. Aus dem Rahmen fällt der Beitrag von Paul Josef Kardinal Cordes über Karl Lehmann, da er bewusst als eine Erinnerungsschrift verfasst ist. Dass die Autorinnen und Autoren mit einer katholischen Brille auf die von ihnen Porträtierten schauen, macht auch und gerade bei Personen wie Joseph Beuys den Reiz des Sammelbandes aus. Aus einer bayerisch-landesgeschichtlichen Perspektive ist insbesondere der Beitrag von Nikola Becker über Ellen Ammann beachtenswert, aber auch bei den Vorstellungen der Viten von Hans-Jochen Vogel, Klaus Mörsdorf oder Robert Spaemann wird deren jeweilige bayerische Lebens- und Wirkensphase vorgestellt.
So sehr die Zielsetzung, ein breiteres Publikum zu erreichen, zu begrüßen ist, so hätte sich der Rezensent doch Nachweise in Form eines knappen Endnoten-Apparats gewünscht. Ein weiterer Band ist in der Vorbereitung. Bei der Auswahl der dort Vorzustellenden sollten nicht nur mehr Frauen berücksichtigt werden, sondern auch noch stärker Personen, die als deutsche Katholikinnen und Katholiken mit anderen Teilen der Weltkirche verbunden waren und transnational in der katholischen Weltkirche wirkten. Unabhängig von diesen Bemerkungen ist die Fortführung der „Zeitgeschichte in Lebensbildern“ sehr zu begrüßen.