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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Joachim Zeune

Gottesburgen. Kirchenburgen, Wehrkirchhöfe und Wehrkirchen in Franken

Regensburg 2022, Friedrich Pustet/Morsbach Verlag, 232 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen


Rezensiert von Erich Schneider
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 04.10.2023

Gab es am Ende des Mittelalters 500 bis 600 Kirchenburgen, Wehrkirchhöfe und Wehrkirchen alleine in Franken, wie es die ältere Literatur glauben macht, oder waren es deutlich weniger? Zeune sieht sein Thema im „Laienparadies“, im „Niemandsland zwischen den Forschungsdisziplinen“ angesiedelt. Er räumt deshalb sofort mit dem „großen Missverständnis von Schutz und Trutz auf“. Es war nur folgerichtig, dass sich die Menschen bei kriegerischen Angriffen früher aus ihren hölzernen Katen hinter die dicken Mauern der Kirche zurückzogen oder im Bann des Gotteshauses Gaden zur Bevorratung von Lebensmitteln für Notfälle errichteten. Immer wieder hört man, dass wertvolles Kirchengerät in verborgenen Räumen versteckt wurde oder sich die Menschen in Erdställe flüchteten (wobei derlei, in fast jedem Ort bezeugte unterirdische Kammern und Gänge eine eigene Untersuchung wert wären). Der Kirchturm als höchster Punkt des Ortes war ein Ausguck bei Gefahr, aber wie Kirche und Friedhof trotz Ummauerung zur Verteidigung in der Regel ungeeignet. Allenfalls dem Gläubigen ist der sich in der Kirche manifestierende Gott „ein feste burg“, so die Idee von Kapitel V. Den technischen, organisatorischen und finanziellen Seiten der Erbauung von Kirchenburgen oder befestigten Kirchhöfen widmet sich ein weiteres Kapitel mit vielen Abbildungen aus historischen Quellen, bevor sich der Autor den rechtlichen Grundlagen des Baus solcher Anlagen zuwendet. Ein zweiter Teil des Buches bietet kurze Monographien zu 30 frühen Kirchenburgen vom fränkischen Kinding im Altmühltal über Effeltrich bei Forchheim oder St. Laurentius in Gebsattel – wo tatsächlich einmal eine Schießscharte im Turm existiert – bis zu Kleinlangheim, Mönchsondheim mit dem Kirchenburgmuseum oder Ostheim vor der Rhön. Es liegt in der Natur einer solchen Auswahl, dass nicht alle derartigen Anlagen aufgenommen werden konnten. Ein kompaktes Literaturverzeichnis mit Hinweisen zu jedem der behandelten Objekte und eine Karte beschließen den Band.

Mit Joachim Zeune hat hier ein mit allen Wassern der Thematik gewaschener Fachmann ein Buch über Kirchenburgen geschrieben und räumt darin mit „vielen kriegerischen Phantastereien“ in der einschlägigen, häufig von in der Thematik wenig bewanderten Laien geschriebenen Literatur auf. Nicht alle Schlitze an Kirchtürmen oder Friedhofsmauern waren eben Schießscharten und Aborterker wie in Effeltrich dienten tatsächlich als solche und nicht als Gusserker zur Verteidigung. Genauso wie Zeune mit derlei immer wieder kolportierten, bestenfalls romantischen Fehldeutungen des Baubestandes aufräumt, genauso haben er und Gerald Richter das Buch mit wunderbaren, sorgfältig auf die Aussage des Textes abgestimmten Fotografien bereichert. Es sind hervorragend ausgeleuchtete, streng sachliche Fotos ohne Menschen und (fast) ohne Autos. Die Fotos stehen als Bildargument dem geschriebenen Wort gleichberechtigt zur Seite. Es fällt allerdings auf, dass alle abgebildeten Objekte handwerklich perfekt restauriert, ja geradezu „herausgeputzt“ sind. Alles ist penibel sauber und der Betrachter freut sich deshalb fast schon ein wenig, wenn, wie im Falle von Hüttenheim (S. 30) ein paar Gräslein an einem Treppenaufgang im Kirchhof überlebt haben. Das sprichwörtliche „fränkische Gerütsch“ ist mit diesem Buch ebenfalls Mythos geworden?

Es lohnt sich auch aus anderen Gründen, wie etwa bei den zwei Türmen von der Kirchenburg in Ostheim auf dem Umschlag, die perfekten Fotos sorgfältig zu studieren. Sie sind nämlich bis in die Lagen der Mauersteine präzise und lassen Fragen nach Restaurierungen (?) und sonstigen Veränderungen zu. Das putzig mit Geranien gezierte achteckige Belvedere (vulgo Gartenhäuschen) auf dem erkennbar später erhöhten Rundturm dürfte jedenfalls mit der Kirchenburg Ostheim im eigentlichen Sinn nichts zu tun haben, sondern ist bestenfalls Zeugnis der Veränderungen des Baubestandes. Die moderne Technik ermöglicht mit Drohnenfotografien inzwischen Vogelperspektiven, die früher teuer und dementsprechend selten waren. Damit geben Zeune und Richter Einblicke nicht nur in die Dachstruktur vielgestaltiger Baukomplexe wie in Dörrenbach (S. 60), Effeltrich (S. 94/95) oder Ostheim vor der Rhön (S. 169), die tatsächlich einen Erkenntnisgewinn bieten, der sich dem Betrachter von der Straße aus sonst verschließt. Darüber hinaus bietet der Band noch eine Vielzahl von historischen Burgansichten, über die nur jemand wie Joachim Zeune verfügt, der seit Jahrzehnten auf diesem Gebiet forscht.