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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Magdalena Weileder (Bearb.)

Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern (1314–1347) nach Archiven und Bibliotheken geordnet, hg. von Michael Menzel, Heft 12: Die Urkunden aus den Archiven und Bibliotheken Unterfrankens

Wien/Köln/Weimar 2021, Böhlau, LII, 318 Seiten


Rezensiert von Katharina Gutermuth
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 15.11.2023

Bereits um die Mitte des vorvergangenen Jahrhunderts wurden die Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern (1314–1347) durch Johann Friedrich Böhmer zusammengestellt, der damals knapp über 3550 einzelne Urkunden (hauptsächlich anhand von Drucken) gesammelt hatte und diese einer chronologischen Reihung folgend verzeichnete (Regesta Imperii inde ab anno MCCCXIIII usque ad annum MCCCXLVII, Frankfurt am Main 1839 sowie drei Additamenta-Bände, wovon der letzte 1865 posthum aus Böhmers Nachlass durch Julius Ficker herausgegeben wurde). Diese Bände bilden zwar nach wie vor eine Grundlage für die quellenbasierte Forschung zu Ludwig dem Bayern und seiner Zeit, sind aber naturgemäß nicht mehr aktuell – weder hinsichtlich der seitdem bekannt gewordenen Urkunden und Urkundenüberlieferungen noch bezüglich der seit Mitte des 19. Jahrhunderts erschienenen Literatur. Bereits seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts gab es daher Bemühungen, das Regestenwerk umfassend neu zu bearbeiten. Seit 1967 – mit der Gründung der Deutschen Kommission für die Bearbeitung der Regesta Imperii e.V. – begann zunächst unter Leitung von Peter Acht eine Arbeitsgruppe mit der Neusammlung originaler und kopialer Überlieferung von Ludwigsurkunden. Die schiere Menge an (bis dato unbekanntem) Urkundenmaterial und historiographischen Nachrichten, die im Laufe der ersten Archivrecherchen und Überprüfung neuerer Literatur zusammenkam, zwang die Bearbeiter rasch, das bisherige System der Erstellung von Regestenbänden (chronologisch geordnet, angereichert mit historisch relevanten Ereignissen der jeweiligen Jahre, zusätzlich die Aufnahme von Reichsangelegenheiten betreffenden Urkunden) hinter sich zu lassen. Stattdessen entschied die Arbeitsgruppe sich, auch um zügig ein Ergebnis der Neubearbeitung vorlegen zu können, die Urkunden nach regionalen Gesichtspunkten zu publizieren. Hierzu wurden und werden jeweils die Archive, Bibliotheken und (Privat-)Sammlungen bestimmter Gebiete (Bundesländer, Regierungsbezirke, Länder, wichtig ist allerdings auch der historische Zusammenhang eines Gebietes) systematisch nach Überlieferungen von Ludwig-Urkunden durchsucht, die Ergebnisse dann in einzelnen Teilbänden chronologisch zusammengestellt. Inzwischen liegt mit dem zu besprechenden Band „Die Urkunden aus den Archiven und Bibliotheken Unterfrankens“ bereits der zwölfte Teilband der Neubearbeitung vor.

Den 361 Regesten, die Weileder für den unterfränkischen Raum zusammenstellt, geht eine umfassende und detaillierte Einleitung voraus. Zunächst wird der historische Raum vorgestellt – der 1838 gebildete Regierungsbezirk Unterfranken (und Aschaffenburg, bzw. „Mainfranken“) umfasst zahlreiche unterschiedliche historische Territorien und Herrschaftsgebiete, die heute teils in die angrenzenden Bundesländer und Regierungsbezirke hineinreichen (vgl. S. VII). Dadurch sind die von Weileder bearbeiteten Urkunden keineswegs rein auf Unterfranken zu beziehen, sondern beinhalten auch solche, die beispielsweise für die hessische, baden-württembergische oder auch rheinland-pfälzische Geschichte durchaus interessant sind (zu nennen sind Urkunden unter anderem für die Geistlichkeit in Fulda, Mainz, Trier, aber auch an den Würzburger Bischof bezüglich heute in Oberfranken liegender Territorien wie das Zisterzienserkloster Ebrach).

Ein Großteil der unterfränkischen Überlieferung findet sich jetzt im Staatsarchiv Würzburg, den Weg der Archivalien (vor allem aus den Beständen des Domkapitels und Hochstifts Würzburg sowie des Domkapitels und Erzstifts Mainz) dorthin sowie die einzelnen Bestände und dort untergebrachten Adels- und Vereinsdeposita dokumentiert Weileder gründlich und bietet damit auch einen historisch relevanten, kurzen Überblick über die bayerische Archivgeschichte. Neben den Überlieferungen im Staatsarchiv Würzburg fanden auch die Bestände in den anderen Würzburger Archiven (Stadt-, Diözesanarchiv), der dortigen Universitätsbibliothek, zweier Adelsarchive (Archiv der Fürsten von Leiningen in Amorbach, Fürstlich Castell’sches Archiv in Castell) und einiger unterfränkischer Stadtarchive (Arnstein, Bad Königshofen im Grabfeld, Fladungen, Ipfhofen, Lohr am Main, Obernburg am Main und Schweinfurt) sowie des Heimatmuseums Eltmann Aufnahme in den Regestenband (vgl. S. XLV). Weileder ergänzt zusätzlich aus inhaltlichen Gründen auch elf Regesten, für die der Einleitung zufolge keine unterfränkische Überlieferung vorliegt: ein Teil der S. XII f. mit Anm. 42 verzeichneten Regesten weist allerdings zusätzlich sehr wohl eine unterfränkische Überlieferung auf (Nrr. 159, 180) oder muss zu den „13 Urkunden“ gezählt werden, deren Text nur mehr durch einen Druck bekannt ist (Nrr. 127 [nicht 126], 244, vgl. S. XV). Dies aber sind Marginalien; letztlich enthält der Band insgesamt 361 Regesten (statt rechnerisch 362), von denen 234 (etwa 62 Prozent) als Vollregesten geboten werden; im Vergleich zur Böhmerschen Ausgabe gibt es also etwa 30 Prozent mehr verzeichnete Urkunden, aber auch hinsichtlich der Überlieferungen bereits bekannter Ludoviciana dürfen zahlreiche Ergänzungen festgestellt werden.

Ein weiteres Kapitel der Einleitung umfasst die inhaltliche Auswertung, sowohl hinsichtlich der Urkundenbetreffe (den größten Teil nehmen dabei Verpfändungen und ähnliches ein) als auch in Bezug auf die ludovicianische Politik, die sich im unterfränkischen Bereich vor allem im Wechselspiel mit den Mainzer Erzbischöfen (Erzstift/Domkapitel) und den Bischöfen von Würzburg abzeichnet. Anhand eines detailliert aufgeschlüsselten Empfängerverzeichnisses (S. 279 f.) können weitere Empfänger, wie Städte, Klöster, Adelige etc., ludovicianischer Urkunden erschlossen werden.

Die diplomatischen Bemerkungen stützen sich zunächst auf die äußeren Merkmale wie Format, Größe und Gestaltung der Originalurkunden. Hinzu kommen Bemerkungen über die verwendeten Siegel (alle außer der Goldbulle) und Kanzleivermerke. Anschließend untersucht Weileder die inneren Merkmale von 205 der als Vollregest aufgenommenen Urkunden (zu den 234 Vollregesten zählen auch Deperdita und fünf Fälschungen bzw. fälschungsverdächtige Urkunden). Knapp ein Drittel der als Vollregesten verzeichneten Urkunden gehen auf lateinische Urkunden zurück, wovon der Großteil in der ersten Regierungshälfte Ludwigs ausgestellt wurde. Damit sind für den unterfränkischen Bereich deutlich mehr lateinische Urkunden zu konstatieren als beispielsweise in der Oberpfalz/Tschechien oder in Ober- und Mittelfranken. In Bezug auf Formular und Schreiber stützt sich die Bearbeiterin auf Vorarbeiten zur Kanzlei von Helmut Bansa und Peter Moser, so findet sich auch bei jedem Vollregest ein Hinweis auf die betreffenden Seiten über Formular oder Schreiber in den jeweiligen Monographien (soweit vorhanden). Abschließend gibt es einige kurze Hinweise zum Kanzleipersonal Ludwigs des Bayern und zu den Schreibern der Mainzer erzbischöflichen Kanzlei (immerhin 15 Prozent der unterfränkischen Originale wurden in der Kanzlei des Mainzer Erzbischofs ausgefertigt), sowie zu Datierungsstil und Mehrfachausfertigungen.

Nach einer kurzen Zusammenfassung über den Forschungsertrag des zwölften Teilbandes der Ludwig-Regesten (Weileder verweist hier unter anderem auf neue Forschungsperspektiven für die Lokal- und Regionalgeschichte, aber auch sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Aspekte können anhand der minutiösen Bearbeitung der einzelnen Vollregesten auf eine neue Grundlage gestellt werden) folgt eine Danksagung seitens der Bearbeiterin, die neben zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Archive auch die Arbeitsgruppe nennt. Hier allerdings eine kleine Bemerkung: so sehr Einheitlichkeit der einzelnen Hefte gewünscht ist (hinsichtlich Aufbau, Textgestaltung usw.), so wäre es dennoch schön, wenn sprachliche Unfeinheiten, die in den ersten Heften passiert sind, nicht der Einheitlichkeit willen durchgezogen werden (dabei handelt es sich nur um Kleinigkeiten: man darf auch nach elf Heften noch das Transsumpt statt einem Transsumt einführen und archivalische Überlieferungen tauchen nicht einfach auf, vielmehr gibt es bislang keine Hinweise auf / Spuren von originale[r] oder kopiale[r] Überlieferung).

Nach der Einleitung und Verzeichnissen von Archiven, Abkürzungen und Digitalisaten folgt das eigentliche Regestenwerk. Den 234 Vollregesten stehen 127 Kurzregesten gegenüber. Die Entscheidung für die Erstellung eines Kurzregests liegt dabei an der archivalischen Überlieferung: für diese Urkunden liegen ältere Überlieferungen außerhalb des Untersuchungsgebietes vor (teilweise bereits in den erschienenen Heften verzeichnet; aber auch im Falle eines noch nicht erschienenen Teilbandes wird auf die Erstellung eines Vollregestes verzichtet, vgl. z.B. Nr. 38). Die Vollregesten bieten den gesamten Urkundeninhalt (wo nötig aufgeteilt in die einzelnen Bestimmungen), sie können somit auch mehrere Seiten umfassen; die Datierung steht im Wortlaut. Es folgt die unterfränkische Überlieferung, weitere nicht unterfränkische Überlieferungen sowie die Angabe von Drucken und Regesten. Bedauerlicherweise haben einzelne Archive in letzter Zeit ihre Bestände neu signiert, weswegen einige Urkunden, die im Text noch als „sub dato“ verzeichnet sind, inzwischen neue Signaturen haben (vgl. z.B. die Bestände des Klosters Ebrach [Nr. 82 etc.] und der Johanniterkommende Würzburg [Nr. 61] im Staatsarchiv Würzburg oder den Bestand Kloster Langheim im Staatsarchiv Bamberg [Nr. 90]), ob diese neuen Signaturen noch hätten eingearbeitet werden können, ist nicht zu entscheiden.

Besonders hervorzuheben sind die Anmerkungen zu den einzelnen Regesten: sowohl zu den Urkundeninhalten als auch zu Vorurkunden und zu fast allen genannten Personen gibt Weileder weitere Literaturhinweise (vgl. z.B. Nrr. 129–132, 223, 331 usw.). Ein besonderes Schmankerl findet sich noch in der PDF-Version des Heftes auf der Website der Regesta Imperii: Wenn von einem Original oder einer kopialen Überlieferung ein Digitalisat vorliegt, gibt es den hochgestellten Hinweis „dig“ (vgl. z.B. Nr. 60). In der PDF-Version kann der Nutzer auf das „dig“ klicken und wird direkt zu dem jeweiligen Digitalisat weitergeleitet (die Links zu den Beständen sind auch im gedruckten Heft angegeben).

Ein ansehnliches Literatur- und Quellenverzeichnis sowie ein umfangreiches Register mit zahlreichen Unterstichworten und einer genauen Einführung zu seiner Nutzung runden den Teilband schließlich ab. Dieses zwölfte Heft der Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern wird aufgrund seiner außerordentlich sorgfältigen Bearbeitung eine große Bedeutung als Forschungsgrundlage zu Ludwig dem Bayern und seiner Zeit haben.