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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Manfred Knedlik (Hg.)

Martin Willibald Schrettinger (1772–1851). Vom eigenwilligen Mönch zum leidenschaftlichen Bibliothekar

(Neumarkter Historische Beiträge 17), Neumarkt 2022, Historischer Verein für Neumarkt i.d. Opf. und Umgebung, 273 Seiten, zahlreiche Tafeln


Rezensiert von Johann Kirchinger
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 25.11.2023

Zu den vielen Superlativen, mit denen sich Bayern schmückt, gehört offenbar auch die Erfindung der Bibliothekswissenschaft. Es war der aus Neumarkt in der Oberpfalz stammende Weißenoher Exbenediktiner Martin Schrettinger, der freilich nicht das Fach Bibliothekswissenschaft erfunden hat, aber immerhin dessen Namen. Diesem, einem der größten Söhne der oberpfälzischen Landstadt Neumarkt, wurde nun anlässlich seines 250. Geburtstages ein Sammelband gewidmet, herausgegeben von dem Literaturhistoriker Manfred Knedlik, sicher dem besten Kenner aller literarischen Regungen in der frühneuzeitlichen Oberpfalz.

Zunächst beschäftigt sich der Neumarkter Stadtarchivar Franz Präger mit dem familiären Netzwerk Schrettingers in aller ermüdenden Detailliertheit. Dann behandelt der Landeshistoriker Alois Schmid die bisher unerklärlicherweise kaum berücksichtigte monastische Frühgeschichte des großen Gelehrten im Benediktinerkloster Weißenohe im oberfränkisch-oberpfälzischen Windschatten der großen geistesgeschichtlichen Zentren. Dabei hat sich die spätere Bibliothekskoryphäe noch kaum für die Bibliothek interessiert, in aufklärerischer Manier aber zahlreiche Konflikte mit seinen Ordensoberen ausgetragen. Dabei kam es auch zu einem einzigen agraraufklärerischen Aufsatz über die Obstkultur in seinem Kloster. Ob nun die heutige Obstkultur der Fränkischen Schweiz „eine Fortführung dieser monastischen Initiativen bis heute“ ist (S. 72), darf bezweifelt werden.

Die beiden Bibliothekare Bernhard Lübbers und Ingrid Rückert beschäftigen sich in ihren Aufsätzen mit dem bibliothekarischen Wirken Schrettingers. Dieses lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass er Katalog- und Aufstellungssystematik trennte, indem er jene einer alphabetischen Gliederung unterwarf. Die Kunsthistorikerin Christine Sauer behandelt dann Schrettingers Überlegungen zum museologischen Umgang mit wertvollen Büchern. Knedlik versucht über eine Rekonstruktion von Schrettingers Bibliothek dessen Interessenspektrum zu erkunden. Und der Germanist Klaus Wolf untersucht die Dialektforschung des den Dialekt ablehnenden Schrettinger im Schatten seines berühmteren Bibliotheksnachfolgers Johann Andreas Schmeller. Die Germanisten Gabriele von Bassermann-Jordan und Waldemar Fromm schließlich breiten sich dann über Schrettingers poetische Versuche aus, die tatsächlich bisweilen veröffentlicht wurden. Jedenfalls macht die Qualität der Gedichte Schrettingers Berufswahl besser verständlich. Dies gilt auch im Hinblick auf seine zeichnerischen Versuche, die der Kunsthistoriker Andreas Strobl vorstellt.

Den sauber redigierten und reich bebilderten Band beschließt eine Bibliographie der Werke von und über Schrettinger sowie dankenswerterweise ein Personenregister. Entstanden ist das intellektuelle Panoptikum eines bestenfalls zweitrangigen, auf vielen Gebieten dilettierenden Polyhistors, wie er typisch für die Aufklärungszeit war. Es waren aber gerade diese Figuren, die die Ideen der Aufklärung verbreitet bzw. in diesem Fall in einem äußerst begrenzten Fachbereich vertieft haben. Da wissenschaftlich mit der Beschäftigung mit solchen Personen kaum Ruhm und Ehre zu erlangen ist, ist der Band als umso verdienstvoller zu werten. Dass lokalpatriotische Übertreibungen darin enthalten sind, gehört geradezu zum Wesen einer Jubiläumsschrift.