Logo der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

Kommission für bayerische Landesgeschichte

Menu

Aktuelle Rezensionen


Toni Aigner

Sophia von Bayern - Königin von Böhmen, Jan Hus und die Wenzelsbibel

Lindenberg 2021, Josef Fink, 180 Seiten, 87 Abbildungen


Rezensiert von Christian Petrzik
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 25.11.2023

In jüngerer Zeit sind tschechische und slowakische Historikerinnen bemüht, historische Fehlurteile über Königin Sophia von Böhmen (1376-1428) zu revidieren, ihr Leben auf Grundlage der Quellen nachzuvollziehen und von Legenden zu befreien. Dies ist auch Toni Aigner ein Anliegen, dessen Biographie der Königin eine Forschungslücke schließt, da eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung dieser Persönlichkeit bislang ein Desiderat der deutschsprachigen historischen Forschung darstellte. Sophia wurde als Tochter Herzog Johanns II. von Bayern-München und seiner Frau Katharina von Görz geboren, wuchs am Landshuter Hof ihres Onkels Friedrich von Bayern-Landshut (um 1339-1393) auf, heiratete am 2. Mai 1389 König Wenzel (1361-1419) und wurde somit Königin von Böhmen und römisch-deutsche Königin. Toni Aigner zeichnet ein genaues Bild vom Wirken Sophias und ihrem Umfeld in Prag, wobei die Verbindung zu dem Prediger Jan Hus, der die Lehren des Oxforder Theologen John Wycliff aufgegriffen hatte, im Vordergrund steht. Die Königin solidarisierte sich mit dem Kirchenkritiker und -reformer, sodass sie selbst bei Papst Martin V. in den Verdacht der Ketzerei geriet.

Der Autor beschreibt die Parallelen in den Lebenswegen der Königin und von Jan Hus, die fast zur gleichen Zeit, Ende der achtziger Jahre des 14. Jahrhunderts, nach Prag kamen, und zeigt, dass Hus sein Reformwerk ohne die Unterstützung Sophias wohl kaum hätte umsetzen können. Erst als Hus 1412 der Ketzerei angeklagt wurde und unter dem Druck der weiteren Ereignisse Prag verlassen musste, konnte sie ihm nicht mehr helfen. In einem seiner letzten Briefe aus der Haft vor seiner Verbrennung während des Konzils von Konstanz grüßte Hus Sophia, die bis zuletzt auf seine Rehabilitation gehofft hatte, als seine Herrin und dankte ihr für alles, was sie ihm Gutes erwiesen hatte.

Im Kontext kirchenreformerischer Bestrebungen und der Verbindung zwischen Jan Hus und Königin Sophia entstand die sogenannte Wenzelsbibel, eine der eindrucksvollsten abendländischen Prunkhandschriften, die leider nicht fertiggestellt wurde. Aigner würdigt die von dem Königspaar Sophia und Wenzel in Auftrag gegebene Bibelübersetzung zu Recht als „ein einmalig künstlerisches, kirchenpolitisch wagemutiges und fortschrittliches Projekt für das es kein Vorbild gab“. Des Weiteren stellt er dar, welch enormer Arbeitsaufwand und welche Kosten mit dem Werk verbunden waren und schildert das Schicksal der Handschrift, die heute in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien aufbewahrt wird, nach dem Tod König Wenzels.

Vor dem Hintergrund der genannten Themenbereiche gelingt Aigner eine detailreiche Analyse des Wirkens Sophias, die auch ihre Kunstförderung und den Ausbau der ihr anvertrauten Königinnenstädte, deren Einkünfte den böhmischen Königinnen ein selbstständiges Agieren ermöglichen sollten, betrachtet. Besondere Würdigung erfährt Sophias Unterstützung für ihren psychisch angeschlagenen Ehemann während ihrer dreißigjährigen Ehe. König Wenzel widmet Aigner ein eigenes Kapitel und zeigt, welche Gründe kirchliche und universitäre Kreise in Prag, ebenso wie ein Teil der deutschen Fürsten hatten, den König zu diffamieren, was letztlich dazu führte, dass er wie kaum ein Staatsoberhaupt des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation negativ dargestellt wurde. Bei aller Sympathie, die der Autor dem Königspaar entgegenbringt, fehlt es seiner Darstellung nicht an der nötigen Objektivität. So begegnet einem Wenzel einerseits als ein Regent, der durchaus Fehler machte, indem er beispielsweise im Reich zu wenig präsent war. Andererseits zeigt Aigner, dass Wenzel nach dem Tod seines Vaters Kaiser Karls IV. (1347-1378) ein schweres Erbe antrat und spätestens seit 1386 an einer psychischen Krankheit litt.

Nach seinem Tod 1419 trat Sophia ein halbes Jahr mutig, aber erfolglos gegen den Ausbruch der hussitischen Revolution auf, wie Aigner feststellt. Nach ihrer Vertreibung aus Prag 1419/20 hatte die Königinwitwe keine andere Möglichkeit, als sich dem Hof des Nachfolgers und Halbbruders ihres verstorbenen Mannes, König Sigismund, anzuschließen. Ihren Lebensabend musste sie in dessen Residenz in Preßburg verbringen, wo sie 1427 starb.

Eine der wichtigsten Quellen zu den letzten Lebensjahren Sophias ist die Korrespondenz mit ihren Münchner Brüdern, den Herzögen Ernst (1375-1438) und Wilhelm III. (1397-1438) von Bayern, die im Geheimen Hausarchiv der Wittelsbacher im Bayerischen Hauptstaatsarchiv verwahrt wird. Im Rahmen seiner Arbeit sichtete Aigner die Briefe und erstellte Regesten zum Schriftwechsel zwischen 1422 und 1428, die ein wertvolles Hilfsmittel für weitere Forschungen über die Königin darstellen.

Toni Aigner ist mit seinem Werk „Sophia von Bayern – Königin von Böhmen, Jan Hus und die Wenzelsbibel“ eine eindrucksvolle Biographie gelungen, die einem Sophia und ihr Umfeld nahebringt, dabei detaillierte Einblicke in die politischen Vorgänge im spätmittelalterlichen Böhmen ermöglicht und zur weiteren Beschäftigung mit der Königin und ihrer Zeit anregt.