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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Renate Berresheim

Violante Beatrix von Bayern, Großprinzessin der Toskana (1673-1731). Eine Biografie

Regensburg 2021, Friedrich Pustet, 286 Seiten, 5 Abbildungen


Rezensiert von Elena Taddei
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 18.12.2023

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die an der Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität zu München angenommene, leicht überarbeitete Dissertation von Renate Berresheim. Darin verfolgt die Autorin das Ziel, die Vita der bayerischen Prinzessin Violante Beatrix darzustellen, Tochter des Kurfürstenpaares Ferdinand Maria von Bayern und Henriette Adelaide von Savoyen. Die Arbeit folgt der klassischen Lebenschronologie und ist eingeteilt in die frühen Jahre der Prinzessin, ihre Heirat mit Ferdinando de’Medici, ihr Leben als Großprinzessin der Toskana und ihre 18 Jahre lange Witwenzeit als Gouverneurin von Siena. Unterbrochen wird diese Darstellung von biografischen Einschüben der wittelsbachischen und der mediceischen Familienmitglieder.

Die Forschungsfrage besteht aus einer Reihe von Detailfragen, will aber insgesamt erarbeiten, inwiefern „dieses Einzelschicksal bezeichnend“ ist „für die Adelswelt der Vormoderne, in der Frauen Elemente der Société des princes waren“ (S. 14, Hervorhebung im Original). Die dafür angewandte Methode sieht vor, „so viel an Material zusammenzutragen, dass daraus eine Biografie dieser bemerkenswerten Frauengestalt, die ihr Lebensweg bereits in jungen Jahren in ein fremdes Land führte, wo sie ein bewegtes Schicksal durchlebte, entstehen kann, bei der es nicht nur darum geht, Lebensdaten aneinanderzureihen, sondern grundsätzliche Fragen zur Situation des europäischen Adels in der Zeit des Barock zu beantworten“ (S. 14).

In der Tat werden nicht nur Lebensdaten, sondern ausführliche Einzelbiografien der Vorfahren und Zeitgenossen der bayerischen Prinzessin aneinandergereiht. Ein vergleichendes Bild des Adels im Barock entsteht allerdings dadurch nicht. Dass Fürstinnen jung in die Fremde verheiratet wurden, zu einem ungeliebten Mann kamen, Schuld am Aussterben der Dynastie trugen, Konkurrenzsituationen am neuen Hof erfuhren, karitativ waren und Kultur förderten, ist an vielen neuzeitlichen Beispielen belegt worden und macht die Protagonistin in diesem Sinne wenig bemerkenswert.

Die vorliegende ist eine ausschließlich deskriptive prosopografische Arbeit über die Mitglieder der Familie Medici und jene der Wittelsbacher des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts. Allein die Herkunftsfamilie nimmt mit 100 von 251 Seiten einen überbordenden Platz ein. An mehreren Stellen verliert sich die Studie in Details wie z.B. im Abschnitt über die Bestrafung von Kutschern (S. 147) oder bei der Problematik der unterschiedlichen Kalender und Datierungsarten (S. 35 f.). Die Kapitel über die Verwandten, v.a. die Mutter und die Geschwister, sind sehr ausführlich und erwecken den Eindruck, die Arbeit aufblähen zu wollen, wo hingegen Violante Beatrix selbst zu wenig durch ihre Korrespondenz zu Wort kommt. In anderen Fällen hätte man sich hingegen eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den Quellen gewünscht, auch um der Argumentation folgen zu können. Nicht nachvollziehbar ist z.B. die Aussage, „in die neue Heimat brachte sie ein Gefolge, das nach politischen Aspekten ausgewählt wurde. Auf dessen Auswahl hatte der bayerische Hof nur geringen Einfluss genommen: Der Beichtvater sollte dem Jesuitenorden angehören, und Turiner Kavaliere durften keinesfalls ins Gefolge aufgenommen werden.“ (S. 68) In der Fußnote wird festgehalten, dass der bayrische Kurfürst selbst die Turiner (aus dem Einflussbereich der Brautmutter kommend) ausgeschlossen hatte. Warum bzw. inwiefern dies ein Zeichen seines geringen Einflusses auf die Hofstaatszusammensetzung hatte, wird nicht klar.

Manche Begriffe und Fakten werden nur erwähnt und für ein fachlich und geografisch breiteres Lesepublikum nicht aufbereitet. So bleiben die „Blutweihe in Altötting“ (S. 75) oder die „Erleichterung der Ablösung von Scharwerken“ (S. 58) zusammenhanglose Hinweise. Auch die Umschrift auf der Gedenkmünze zur Geburt Violantes wird zwar in Latein angeführt, aber weder übersetzt noch inhaltlich kommentiert oder mit jener der Münzen für die Geschwister verglichen.

Die spannendste Zeit in der Biografie scheint den benutzten Quellen nach das Eheleben und die Witwenschaft in der Toskana zu sein. In der detaillierten Darstellung der florentinischen Heirat fehlt allerdings die Einbettung in den zeitlichen Kontext und die Auseinandersetzung mit Praxen der politischen Kommunikation. Zum Beispiel erwähnt die Autorin die Verkleidungen anlässlich eines Maskenumzugs im Rahmen der Hochzeitsfeierlichkeiten. Hier wäre interessant gewesen zu erfahren, wie der Bruder des Bräutigams in „der Kleidung […] eines Deutschen“ (S. 153) auftrat, welche Stereotype und Wahrnehmungen damit verbunden wurden.

Die Arbeit schwächelt auch an der herangezogenen Sekundärliteratur und an inhaltlichen wie sprachlichen Fehlern. So hätte zur Herkulesideologie (S. 47) die Arbeit von Harriet Rudolph herangezogen werden sollen und zum Spanischen Erbfolgekrieg das Überblickswerk von Matthias Schnettger. Falsch ist im detailreichen Kapitel zur Brautreise die Angabe des Ortes Mattern (statt Matrei), eine oft angepeilte Zwischenstation auf dem Weg nach Italien. Besonders das erste Kapitel fällt aufgrund der zahlreichen Grammatik- und Tippfehler (S. 40, 41, 47, 48, 49, 50) auf. Dieser Abschnitt zum Kurfürstentum Bayern scheint noch nachträglich hinzugefügt und nicht mehr lektoriert worden zu sein.

Das abschließende Kapitel über die Handlungsspielräume von Frauen in der Frühen Neuzeit zeigt das Fehlen der Protagonistin in der italienischen Erinnerungskultur. Mit dem einzigen Absatz, der ihr gewidmet ist, stellt sie geradezu ein Negativbeispiel dar. Sie hat in der Fortführung der Dynastie versagt, hat sich keinen eigenen geistlichen oder halbweltlichen Handlungsspielraum aufgebaut, kaum Spuren hinterlassen und wurde nur durch die Gunst ihres Schwiegervaters Gouverneurin von Siena. Dass sie hierbei jenseits der gesetzlichen Vorgaben Einfluss und Entscheidungsmacht hatte, wird gerade einmal an einem Beispiel gezeigt. So stellt sich die Frage, inwiefern sie – wie in der Einleitung festgehalten – besonders war, wenn sie sich im Gegensatz zu ihrer kunstaffinen Schwägerin Anna Maria Luisa de’Medici auch als Kunstförderin kaum hervortat. Interessant wäre es gewesen zu erfahren – wenn die Quellen das zulassen –, wie sie mit ihrem oft kränklichen und der Pflicht der Fortpflanzung nicht nachkommenden Körper umgegangen ist, ob und wie sie über diesen gesprochen hat, zumal es ja eigene Andeutungen über ihre Magerkeit gibt (S. 106 f). Stattdessen stehen auch in diesem Abschnitt vorrangig normative Quellen wie Instruktionen im Vordergrund.

Vielleicht ist das letzte Wort zu Violante Beatrix von Bayern, Großprinzessin der Toskana, noch nicht gesagt; vielleicht zeigen weitere Arbeiten ihre tatsächliche Besonderheit. Die vorliegende Arbeit stellt in der Zwischenzeit einem biografischen Nachschlagewerk gleich einen Überblick über die Wittelsbacher der ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts und über die im Aussterben befindlichen Medici dar.