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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Cornelia Jahn/Katharina Wohlfart (Hg.)

Olympia 72 in Bildern. Fotografien aus den Sammlungen der Bayerischen Staatsbibliothek

(Bayerische Staatsbibliothek. Ausstellungskataloge 95), München 2022, Volk Verlag, 192 Seiten, zahlreiche Abbildungen


Rezensiert von Sandra Leibner
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 24.01.2024

Als Teil des von der Landeshauptstadt München koordinierten Gesamtprogramms zum 50. Jubiläum der Olympischen Spiele 1972 widmete sich auch die Jahresausstellung 2022 der Bayerischen Staatsbibliothek diesem für München so bedeutenden und nachhaltig prägenden Ereignis. Der zur Ausstellung erschienene 192 Seiten starke Begleitband umfasst neben dem Bildteil drei kurze, aber sehr informative einleitende Beiträge (inklusive Vorwort). In diesen wird einerseits konkret auf die inhaltliche Konzeption und den strukturellen Aufbau von Ausstellung und Bildband eingegangen, andererseits die Entwicklung des Bildarchivs seit seiner Gründung in den 1980er Jahren vorgestellt.

Im Vorwort geht somit Klaus Ceynowa zunächst auf einige erst jüngst in den Jahren 2019 bzw. 2021 erworbene fotografische Archive ein, „die vielfältiges und einzigartiges Material auch zu den Olympischen Spielen 1972 in München enthalten“ (S. 6). Daneben problematisiert er den Umgang mit dem Attentat vom 5. September 1972 im Rahmen des Jubiläums und erläutert, wie mit diesem in Ausstellungskonzept und -parcours umgegangen wird. Er unterstreicht dabei, dass die Olympischen Spiele von 1972 unlösbar mit der Ermordung israelischer Sportler verbunden seien und folglich „ein 50-jähriges Jubiläum der Spiele auch nicht ‚gefeiert‘, sondern allenfalls eingedenkend begangen werden [könne]“ (S. 6).

Detaillierte Informationen zur Sammlungsgeschichte finden sich bei Cornelia Jahn, die die Entwicklung „[v]on der Porträtsammlung zum zeitgeschichtlichen Bildarchiv“ (S. 8) nachzeichnet und einen Überblick über die vielfältigen Bestände gibt. Der Leser erfährt hier unter anderem, wie Teilsammlungen ihren Weg in das Bildarchiv fanden, welche Schwerpunkte die Fotografen hinsichtlich der Auswahl ihrer Motive setzten und inwiefern die Sammlungen Aufnahmen zu den Olympischen Spielen von 1972 und 1936 umfassen. Im Zuge dieser Ausführungen wird ein ausführlicher Einblick in die bei Klaus Ceynowa eingangs bereits angesprochenen Neuerwerbungen gegeben, die auch für Ausstellung und Bildband eine wichtige Materialgrundlage darstellen. Cornelia Jahn geht hier näher auf den Ankauf des Fotoarchivs von Max Prugger, die Übernahme der Fotos von Karsten de Riese, dem offiziellen Fotografen des Organisationskomitees der Olympischen Spiele 1972, sowie die herausragende Bedeutung der Schenkung des STERN-Fotoarchivs an die Bayerische Staatsbibliothek ein.

Welche Rolle das Visuelle und die Fotografie bei Olympia 1972 spielten, erläutert Katharina Wohlfart. Der Fokus ihres Beitrags liegt auf den unterschiedlichen Perspektiven der Fotografen, die die Entwicklung der Stadt München in den 1960er und frühen 1970er Jahren sowie die Olympischen Spiele mit ihren Kameras begleiteten. Dabei berücksichtigt Katharina Wohlfart sowohl die motivischen Schwerpunkte freier Fotografen wie Max Prugger als auch die Perspektiven der für die Olympia-Bildberichterstattung verantwortlichen STERN-Fotografen.

Die drei einleitenden Beiträge geben darüber hinaus jeweils einen Überblick über die Zielsetzung von Ausstellung und Bildband. Klaus Ceynowa, Cornelia Jahn und Katharina Wohlfart heben hervor, dass Ausstellung und Bildband nicht darauf abzielten, „die Olympischen Spiele in ihrer Vollständigkeit abzubilden“ (K. Wohlfart, S. 15) und mit Fotos von Wettkämpfen Olympia als Sportereignis zu präsentieren. Vielmehr solle „de[r] Blick, den die Fotografen […] auf die Spiele hatten“ (C. Jahn, S. 8), aufgezeigt werden, womit letztlich die mit Olympia verbundenen gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Aspekte in den Fokus genommen werden. In diesem Sinne gliedern sich die Ausstellung und dementsprechend ebenso der Ausstellungskatalog in fünf Module: „Stadtentwicklung 1966 bis 1972“; „Vom Oberwiesenfeld zum Olympiagelände“ (im Bildband mit dem Unterkapitel „Das Dach“); „Design, Kultur und Medien“ (im Bildband unterteilt in die Kapitel „Design und Gestaltung“/„Kultur und Medien“); „Das Attentat“; „Nachleben“. Im Ausstellungskatalog wird jedes Modul durch eine knappe und jeweils wenige Sätze umfassende Einleitung kontextualisiert. Die insgesamt rund 140 ausgewählten Farb- und Schwarzweißfotografien, die im Rahmen von Ausstellung und Katalog zum Teil erstmals veröffentlicht wurden, vermitteln dem Betrachter einen äußerst vielfältigen und abwechslungsreichen Eindruck von der Olympiageschichte der bayerischen Landeshauptstadt. Dank der breiten Varianz der Motive gelingt es, zahlreiche mit Olympia verbundene Aspekte bildlich zu dokumentieren und aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Im Abschnitt „Vom Oberwiesenfeld zum Olympiagelände“ finden sich so beispielsweise neben Luftaufnahmen zur Veranschaulichung der baulichen Entwicklung des Geländes insgesamt auch Fotos einzelner Bauten wie dem Olympiaturm, Ereignissen wie der Grundsteinlegung oder Bilder von Personen, wie zum Beispiel von „Gastarbeitern“.

Der Anhang des Kataloges nach den Bildkapiteln beginnt mit einer Chronik der Olympischen Sommerspiele 1972. Diese umfasst neben Daten zur Geschichte des Oberwiesenfeldes, der Bewerbung, der Bauarbeiten etc. detaillierte Angaben zum Ablauf des Attentates sowie eine chronologische Übersicht über die Programme der Eröffnungs- und Schlussfeier. Das daran anschließende Literaturverzeichnis gibt Literaturhinweise zum Bildarchiv der Bayerischen Staatsbibliothek allgemein und speziell zum Erwerb des STERN-Fotoarchivs, zudem ebenso zu ausgewählten zentralen Werken zur Geschichte der Olympischen Spiele. Der Konkordanz, wahlweise aufgegliedert nach Seitenzahlen und nach Bildnummern, folgt das Fotografenregister, das dem Leser eine gezielte Suche nach den Fotos bestimmter Fotografen ermöglicht. Auf der letzten Seite des Ausstellungskataloges – und damit fast ein wenig versteckt – ist eine von Max Prugger angefertigte Luftbildaufnahme vom Oberwiesenfeld aus dem Jahr 1966 vor den Bauarbeiten abgedruckt, in die die späteren Olympiabauten skizzenhaft eingezeichnet wurden. Diese anschauliche Illustration bildet letztlich eine bildmotivische Klammer mit dem ersten im Katalog abgedruckten Ausstellungsfoto, das ebenfalls ein von Prugger aufgenommenes Luftbild vom Oberwiesenfeld noch ohne olympische Bauten ist.

Abschließend sei auf die ansprechende visuelle Gestaltung des Kataloges verwiesen, die das Farbkonzept der Olympischen Spiele von 1972 aufgreift. Die Farben leiten den Leser bzw. Betrachter in gewisser Weise durch den Bildband. Die Einleitungen zu den Bildkapiteln sind so auf farbige Doppelseiten in den Farben orange, grün und blau gedruckt, wobei zusammengehörige Abschnitte die gleiche Farbe tragen. So erschließt sich auf den ersten Blick die Einheit der Kapitel „Vom Oberwiesenfeld zum Olympiagelände“ und „Das Dach“ sowie die Zusammengehörigkeit von „Design und Gestaltung“ mit „Kultur und Medien“. Insgesamt liegt mit dem Ausstellungskatalog somit ein sehr gelungener und konzeptuell stimmiger Bildband vor, der angesichts der Vielfalt und breiten Spannweite der Motive und fotografischen Perspektiven dem eigenen Anspruch gerecht wird, die Olympischen Spiele in ihrer gesellschaftlichen, soziokulturellen und politischen Bedeutung zu präsentieren.