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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Richard Bauer/Frank Meissner

August Seidel. Romantische Aquarelle von Alt-München

Weißenhorn 2023, Konrad, 288 Seiten, zahlreiche Abbildungen


Rezensiert von Susanne Herleth-Krenz
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 01.03.2024

Schwerpunktmäßig beschäftigt sich die „Forschungsstelle August Seidel“ mit der Erforschung von Leben und Werk der Münchner Landschaftsmaler August Seidel (1820-1904) und Franz Seidel (1818-1903). Ihrem Engagement verdanken wir den vorliegenden Katalog zu August Seidel mit hervorragend reproduziertem Bildmaterial, das vorwiegend aus dem Stadtmuseum München sowie von zahlreichen Privatsammlern stammt. Etwa die Hälfte der Aquarelle Seidels gilt als verschollen.

August Seidel, dem hier die „Romantischen Aquarelle von Alt-München“ gewidmet sind, war ein weit gereister Münchner Maler, Mitglied der Münchner Akademie und Schüler des Landschaftsmalers Carl Rottmann. In Seidels ersten sechzig Jahren spielte das Aquarell als Technik eine untergeordnete Rolle. Ein Großteil seiner überlieferten Aquarelle entstand erst in den 1880er Jahren, meist mit Motiven seiner Heimatstadt München. Kunden von Seidels Aquarellkunst waren historisch interessierte Personen mit starkem Münchenbezug, also bevorzugt Alt-Münchner Familien sowie Mitglieder der Münchner Vereine. Den Ausschlag für Seidels Beschäftigung mit Stadtmotiven gab vermutlich seine einzige Stadtansicht in Öl, „Die alte Roßschwemme“ von 1878, die nach ihrem Ankauf durch König Ludwig II. in der Neuen Pinakothek ausgestellt wurde.

Seidels künstlerische Entwicklung als Aquarellist gilt schon von Beginn an als vollendet. Grundlage seiner Aquarelle ist eine Mischung aus Realismus und Idealisierung. Sein Schaffenswerk zeigt eine stilistische wie motivische Geschlossenheit. In der Gesamtschau verteilen sich seine Motive auf gut 350 Ansichten Münchens und seiner Vororte, auf 125 Gebirgslandschaften, auf 60 Landschaften der Münchner Hochebene und des Alpenvorlandes, auf 15 Vorstudien zu Gemälden sowie wenige Tier- und Personenstudien. Diese Motive sind heute für uns kulturhistorisch hochinteressante Zeugnisse des in weiten Teilen verschwundenen alten München. Offene Stadtbäche, Brunnhäuser, Handwerker- und Herbergsviertel, Traditionswirtschaften und Künstlerlokale zeigen die urbane Realität von damals, als amtlicher Denkmalschutz noch nicht existierte. Seidels detailverliebte Wiedergabe der Vorstädte und deren prekärer Wohnverhältnisse sowie des katastrophalen Zustandes von Straßen und Wegen ermöglicht tiefe Einblicke in die historische Bausubstanz und Alt-Münchner Lebenswirklichkeit. Das Aquarell „Der Viktualienmarkt“ hat als Zentralmotiv den spitzgiebeligen Weiberbau, der einst Teil des Heiliggeistspitals für Kranke und Alte war, und zeigt die Situation vor seinem Abbruch im Jahr 1885. Es sticht ins Auge, dass die Heiliggeistkirche noch ohne Turm ist. „Die alte Roßschwemme“ ganz in der Nähe befand sich einst an der Stelle, wo heute das Kustermann-Haus steht. Das Aquarell „Der ehemalige Sterngarten am Bahnhofsplatz“ zeigt die damals beliebte Bierwirtschaft am Bahnhofsplatz, wo sich jetzt das frühere Kaufhaus Hertie/Karstadt befindet. An den von Seidel gezeichneten Verkaufsbuden besorgten sich die Gäste ihr Essen zum Bier.

Seine Bilder in sanften Grün-, Blau- und Ockerfarben staffiert August Seidel mit Figuren einfacher Städter aus, die die Kulisse durch typische, auch erzählerische Posen beleben. So zeigt uns das Aquarell „Blick auf die Mariahilfkirche von Süden“ ein Idyll mit zwei Wäscherinnen am Entenbach samt den namensgebenden Wasservögeln. Das Aquarell „Angler am Entenbach“ zeigt dem Betrachter die in verklärendem Dunst liegende ferne Stadtsilhouette. Die vormalige Weite von Alt-München verdeutlichen exemplarisch die Aquarelle „Die Theresienwiese“ sowie „Blick auf München von Südwesten“. Seidel zeichnet flache Landschaften unter hohem Himmel, die durch perspektivisch angelegte Wege erschlossen werden.

Beim Betrachten dieser herrlichen Aquarelle bewahrheitet sich der Ausspruch des Münchner Komikers und Vorstadtphilosophen Karl Valentin: „A oids Buidl von München is mehra wert ois a Brillant.“ Literaturauswahl, Abbildungsnachweise und Abkürzungsverzeichnis runden das überaus gelungene Werk ab.