Aktuelle Rezensionen
Mark Häberlein (Hg.)
Pest und Cholera. Seuchenbewältigung und Medizinalwesen in Bamberg in der Frühen Neuzeit
Begleitband zur Ausstellung in der Staatsbibliothek Bamberg, 24. April - 15. Juli 2023 (Bamberger Historische Studien 20), Bamberg 2023, University of Bamberg Press, 109 Seiten und zahlreiche Abbildungen
Rezensiert von Christian Schumacher
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 14.03.2024
Die „Bamberger Historischen Studien“ werden vom Institut für Geschichte der Otto-Friedrich-Universität Bamberg herausgegeben und dienen mitunter der Veröffentlichung von Tagungs- und Sammelbänden. Der 2023 erschienene Band trägt den Titel „Pest und Cholera. Seuchenbewältigung und Medizinalwesen in Bamberg in der Frühen Neuzeit“ und ist der Begleitband einer gleichnamigen Ausstellung in der Staatsbibliothek Bamberg.
Die Idee für eine solche Ausstellung kam im Sommer 2020 auf und wurde in eineinhalb Jahren erarbeitet. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn der ganze Band unter dem Eindruck der Covid-19-Pandemie steht. So werden in einigen der Beiträge implizite, in anderen direkte Vergleiche zur Gegenwart aufgestellt.
Bemerkenswert ist die Konzeption: Unter der Leitung von Prof. Dr. Mark Häberlein erarbeitete ein studentisches Seminar sowohl Ausstellung als auch Buch. Daher sind die meisten der 14 Beiträge von Studenten verfasst. Diesen, durchweg nur wenige Seiten umfassenden Aufsätzen ist eine ausführlichere Einleitung von Mark Häberlein vorangestellt. Der Band beleuchtet die Seuchenbewältigung in Stadt und Hochstift Bamberg in der Frühen Neuzeit, wobei Kontinuitätslinien auch bis weit ins 19. Jahrhundert verfolgt werden. Der Schwerpunkt liegt vor allem im von Seuchenausbrüchen geplagten Zeitraum vom 16. bis zum 17. Jahrhundert.
Die Konzeption sieht vor, dass anhand von knapp 40 Exponaten die unterschiedlichen Aspekte und Perspektiven des Themas durch die Zeit hindurch nachvollzogen werden. Entsprechend gestaltet ist auch der Band selbst. Überaus reich bebildert widmet sich jeder Beitrag einem oder mehreren Exponaten und gibt neben einer knappen Beschreibung eine kurze Deutung. Die thematische Bandbreite ist dabei sehr reichhaltig: Neben bischöflichen Pestmandaten und ärztlichen Pestschriften werden genauso bildliche Darstellungen von exotischen Akteuren des Medizinalwesens wie Scharfrichtern oder Grundrisse und Baupläne von Krankenhäusern besprochen. Die Konzentration auf Quellen und Akteure aus Bamberg weist die Arbeit als eindeutig landesgeschichtlich motiviert aus – freilich ohne eine gewisse Kontextualisierung der dargestellten Objekte zurückzustellen.
Die prägnante Kürze der nun in aller Knappheit zu besprechenden Beiträge lässt indes das Bild eines schlaglichthaften Aufblitzens der unterschiedlichen Aspekte der frühneuzeitlichen Seuchenbekämpfung entstehen. Nach einer ausführlicheren Einleitung von Mark Häberlein über die allgemeine Situation in Stadt und Hochstift Bamberg bezüglich des Gesundheitswesens schließen sich 13 Kurzbeiträge an. Der erste behandelt die religiöse Dimension der Thematik und geht dabei vor allem auf die im katholisch gebliebenen Bamberg ununterbrochen fortdauernde Heiligenverehrung der Nothelfer und vor allem des Hl. Rochus als Pestheiligen ein. Der zweite Beitrag befasst sich mit der Rolle des Domkapitels in der Seuchenbekämpfung im 17. Jahrhundert. Besprochen wird im Wesentlichen ein vom Kapitel erlassenes Pestmandat. Thematisch verwandt ist der fünfte Beitrag über die Medizinalpolizei Bambergs um 1600. Auch hier wird ein Pestmandat des Bamberger Fürstbischofs besprochen. Die Beiträge sechs und sieben sind ebenfalls thematisch eng miteinander verbunden. Es werden die Pestschriften der Bamberger Ärzte Adam Schilling und Johannes Puollamer aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erläutert und bieten so einen schönen Vergleich. Beide Schriften präsentieren sich als typische Vertreter ihrer Art.
Obwohl der Band die Seuchengeschichte thematisiert, bietet er darüber hinaus auch allgemeinere Betrachtungen des Bamberger Gesundheitswesens. So wird im dritten Beitrag der Blick auf die Leprosenhäuser Bambergs gelenkt. Einen ebenso allgemeineren Ansatz wählt der vierte Aufsatz, der sich mit dem Apothekenwesen der Frühen Neuzeit in Bamberg auseinandersetzt. Die Beiträge neun und zehn beleuchten einen anderen interessanten Aspekt des Gesundheitswesens. Im Fokus stehen jene Vertreter des Medizinalwesens, die entweder durch ihre gesellschaftliche Stellung oder durch ihre ständige Mobilität auffallen und dennoch selbstverständlich zum vormodernen Medizinalwesen gehören: einerseits der Scharfrichter als volksmedizinkundiger Außenseiter in der Stadt und andererseits reisende Zahn- und Augenärzte, die durch die Lande ziehend ihre Dienste anboten und allein schon durch mangelnde vergleichbare Ausbildungsstandards aus dem eigentlichen Schema eines Arztes hinausfallen.
Die Beiträge elf bis vierzehn widmen sich schließlich dem Umbruch in die Moderne, welcher für das Gesundheitswesen in Bamberg mit der Gründung des Allgemeinen Krankenhauses auf Initiative des Bamberger Fürstbischofs Franz Ludwig von Erthal im Jahre 1789 begann (Nr. 11). Dabei wird aufgezeigt, dass sich im gleichen Maße zunächst alte vormoderne Behandlungsmethoden und Vorstellungen noch weit im 19. Jahrhundert hielten. Beispielhaft demonstriert an den Maßnahmen gegen die Cholera um 1830, dargestellt im vierzehnten Aufsatz. In den ärztlichen Empfehlungsschreiben sind die gleichen Präventivmaßnahmen zu finden wie schon hunderte Jahre zuvor. Und auch die Miasmentheorie wurde nach wie vor als Verbreitungserklärung angeführt. Andererseits sind mit den Pockenimpfungen im frühen 19. Jahrhundert in Bamberg schon wesentlich neuere Aspekte der Seuchenbekämpfung zu registrieren (Nr. 13).
Allgemein präsentiert sich in den Beiträgen ein durchaus differenziertes Gesundheitswesen im Bamberg der Frühen Neuzeit. Neben Spitälern und Sondersiechenhäusern gab es Apotheken, Badestuben und natürlich auch Ärzte. Hier sind vor allem die Leibärzte der Fürstbischöfe ab dem 16. Jahrhundert zu erwähnen. Auch in Bamberg wurden Seuchen als Strafe Gottes für die Sünden der Menschen gesehen. Dies bedeutete jedoch nicht, dass sich die Ärzteschaft und andere Vertreter des Medizinalwesens nicht nach bestem Wissen um die Menschen in Seuchenzeiten kümmerten – auf Veranlassung der Obrigkeit. Freilich war die frühneuzeitliche Medizin in vielen Fällen schlicht machtlos. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn vor allem Präventivmaßnahmen aller Art dominierten. Mit der Gründung des Allgemeinen Krankenhauses im Jahre 1789 bricht indes für das Bamberger Gesundheitswesen allmählich eine neue Zeit an. Zudem konnte das 19. Jahrhundert mit neuen Medizinschulen und Nervenheilanstalten aufwarten. Jedoch ist bei aller Neuerung nicht zu übersehen, dass bis weit ins 19. Jahrhundert auch in Bamberg das Medizinalwesen von vormodernen Vorstellungen und Strukturen geprägt blieb.
Bei dem Sammelband handelt es sich um eine sehr quellennahe Betrachtung des behandelten Themas. Und darin liegt wohl auch die größte Stärke der Arbeit. So fällt die Publikation weniger durch innovative, neue Erkenntnisse zum Thema als vielmehr durch den quellenreichen und konkret verorteten Nachweis bereits bekannter Forschungszusammenhänge auf und lässt geschichtswissenschaftliche Thesen neu aufleuchten.