Aktuelle Rezensionen
Marita Krauss/Stefan Lindl (Hg.)
Landschaft. Umwelt. Identität. Die Region Bayerisch-Schwaben im Vergleich
München 2021, Volk, 286 Seiten
Rezensiert von Jens Soentgen
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 10.04.2024
Der von Marita Krauss und Stefan Lindl herausgegebene Band ist aus gleich drei Gründen empfehlenswert. Zum einen wird hier der in der modernen umweltwissenschaftlichen und umweltpolitischen Diskussion marginalisierte, aber unentbehrliche Begriff der Landschaft, und zwar in Verbindung mit kulturwissenschaftlichen Konzepten in den Mittelpunkt gerückt. Die 17 Beiträge widmen sich in fünf Kapiteln vor allem dem Thema der Landschaftstransformation in Bayerisch-Schwaben und in ausgewählten Regionen Ostmitteleuropas in einer zeitgeschichtlich-kulturgeschichtlichen Perspektive. Zunächst gehen fünf Studien auf Landschaftsveränderungen und die gesellschaftlichen Reaktionen auf diese ein, ein kleineres Kapitel (2 Beiträge) widmet sich dann Gewässerlandschaften und dem Wassermanagement. Urbane Landschaften (3 Beiträge) werden anschließend betrachtet. Das Thema Müll und anthropogene Verschmutzungen steht in drei darauffolgenden Beiträgen im Mittelpunkt; den Abschluss bilden vier Studien zu Landschaften und Umweltthemen in Ostmitteleuropa.
Mehrere Studien thematisieren Landschaften, die bislang kaum oder wenig untersucht worden sind, so geht Nadja Hendriks am Beispiel des „Monte Scherbelino“ bei Augsburg dem Versuch der Umwandlung eines Müllberges in ein Naherholungsgebiet nach und beleuchtet die damit verbundenen erheblichen Probleme. Auf die Geschichte der Landschaftspflegeverbände geht die gründliche Studie von Magdalena Schmid ein. Den Versuch, urtümliche Natur nach ihrem Untergang zu reproduzieren, betrachtet Franca Tanzer am Beispiel der Augsburger Kanu-Olympiastrecke. Die überwiegende Mehrzahl der Beiträge arbeitet mit historischer Methodik, es gibt jedoch mit Stephan Boschs Aufsatz zu „Landschaftswandel und Energiewende“ auch eine geographische Studie.
Die meisten Studien, und damit komme ich zum zweiten herausragenden Charakteristikum dieser Publikation, wurden von Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern im Rahmen von Lehrforschungsprojekten erarbeitet, die vor allem am Lehrstuhl für Europäische Regionalgeschichte der Universität Augsburg entstanden sind. Das Buch zeigt, welch motivierende Kraft von dem Angebot ausgeht, eigene Wege gehen zu dürfen und das Resultat schließlich auch publizieren zu können. Dabei hat die Verbindung von Engagement und professioneller Unterstützung durch Herausgeberin und Herausgeber durchgehend eine hervorragende Qualität entstehen lassen, die hier leider nur streiflichtartig angesprochen werden kann.
Schließlich ist bemerkenswert, dass der Blick in den abschließenden Beiträgen auf Ostmitteleuropa gerichtet wird, wodurch vergleichende Betrachtungen möglich werden. Dabei lassen sich sowohl Differenzen wie auch Parallelen zur Entwicklung in Mitteleuropa ausmachen, eher Parallelen anhand der ausgezeichneten Studie zum Braunkohletagebau und dessen Nachfolgelandschaften in Tschechien (im Beitrag des tschechischen Historikers Matěj Spurný über die nordböhmische Stadt Most), eher Differenzen beim Umgang mit Müll in der rumänischen Bukowina, wie der Aufsatz zur Müllentsorgung in der rumänischen Bukowina von Benedikt Schäferling zeigt, der auch einen expliziten und durch Einbeziehung der Perspektiven der Akteure besonders aufschlussreichen Vergleich mit der Region Bayerisch-Schwaben enthält.
Der Band besticht durch die hohe Qualität der Beiträge, durch deren sorgfältige Integration, durch die professionelle editorische und redaktionelle Arbeit, die sich etwa in einem Ortsregister, in einer Gesamtbibliografie, aber auch in der Ausstattung aller Texte mit farbigen, aussagekräftigen Abbildungen ausspricht. Die Publikation zeigt, welche hohe Qualität studentische Arbeiten erreichen können, und weist in seiner Thematik auf ein zu wenig beleuchtetes Gebiet ökologischer und gesellschaftlicher Transformationen. Lesen!