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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Julia Krieger für den Bezirk Mittelfranken (Hg.)

Wohnen ohne Eigentum. Mieten und Bauen in Land und Stadt seit dem Mittelalter in Franken

(Geschichte und Kultur in Mittelfranken 10), Baden-Baden 2022, Ergon, 350 Seiten mit Abbildungen, ISBN 978-3-95650-922-3


Rezensiert von Klaus Freckmann
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 02.08.2024

Mietshäuser – Wer denkt da nicht an riesige Baublöcke in industriellen Ballungsgebieten, an die sogenannten Mietskasernen? Lebte man früher ausschließlich in der Stadt zur Miete, oder gab es so etwas auch auf dem Land? Darauf deutet die Bezeichnung „Mieten und Bauen in Land und Stadt“ hin, so im Titel der Publikation. Gewohnt ist man eher die umgekehrte Version „Stadt und Land“.

Die Herausgeberin, Julia Krieger, Mitarbeiterin der Bezirksheimatpflege Mittelfranken, greift in ihrer Einführung die Differenzierung von Stadt und Land auf und weist darauf hin, dass Mietwohnungen in Deutschland seit dem 12. Jahrhundert bekannt sind. In den urbanen Zentren setzte sich diese Wohnart im 14. Jahrhundert vermehrt durch; die ländlichen Gebiete folgten ein Jahrhundert später. Alleine diese beachtliche Tradition rechtfertigt das Thema „Wohnen ohne Eigentum“, ein wirtschafts- und sozialhistorisches Phänomen, das von der Hausforschung bisher wenig beachtet wurde. Die vorliegende Publikation, die auf eine entsprechende Vortragsreihe zurückgeht, versucht diesem Defizit abzuhelfen. Verantwortlich für die Initiative waren die Abteilung „Historische Kulturtechniken am Denkmal“ der genannten Bezirksheimatpflege und das „Kompetenzzentrum für Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologie“ der Universität Bamberg. Das Projekt konnte wegen der Corona Pandemie erst im Herbst 2021 starten.

Thomas Wenderoth legt mit seinem Beitrag „Die Entwicklung des Mietwohnens in Franken vor 1800“ das Fundament des Sammelbands (17–64). Zunächst klärt er die Terminologie, die sich aufgrund geänderter Verhältnisse im Lauf der Zeit verändert hat. Mieter galten im Mittelalter als Hintersassen oder Hausgenossen. Das Mietobjekt war damals eine Angelegenheit des Zinses. Die üblichen Herd- oder Hausgemeinschaften boten den Hauseigentümern mit ihrer Verwandtschaft, dem zugehörigen Gesinde und eventuell auch Mietern eine gemeinsame Bleibe. Die von allen Bewohnerinnen und Bewohnern benutzte Herdstelle war das Zentrum einer solchen Örtlichkeit. Derartige vielgliedrige Einrichtungen traten indes in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in den Hintergrund, und ein Hang zum Privaten mit der Einzelwohnung je Familie wurde deutlich.

Wenderoth kann auf Auswertungen des „Reichssteuerregisters“ oder der „Reichstürkenhilfe“ zurückgreifen, wie sie beispielsweise das Fürstentum Brandenburg-Ansbach-Kulmbach als Abgabe an das Heilige Römische Reich zu leisten hatte. In diesen Listen sind die Haushalte der einzelnen Städte erfasst. Geben die Einträge den Zusatz „Hausgenoss“ an, so ist von einem Nachweis für ein Mietverhältnis auszugehen. Auf einer solchen Grundlage hat der Autor eine Tabelle für das Jahr 1497 erarbeitet, die den Anteil der Mieter je Herdgemeinschaft oder Haushalt mitteilt (Tabelle 3) und eine beträchtliche Spannweite zeigt. In Roth bei Nürnberg machten, gemessen auf der Basis aller Wohnungsmöglichkeiten, die Herdgemeinschaften mit Hausgenossen 24 % aus, in Erlangen oder Berneck dagegen nur 1 %.

Weitere Quellen für die Errechnung der Miethaushalte sind die Huldigungslisten, die die Einwohner verzeichnen, die ein Treuegelöbnis gegenüber einem neuen Herrscher auszusprechen hatten. Zusätzliche, zensusgleiche Zählungen erlauben ebenfalls Aussagen über die Relation von Hauseigentum und Mietwohnungen und über Schwankungen in diesem Verhältnis, wie sie etwa durch Kriege ausgelöst wurden. Im Jahr 1799 belief sich schließlich der Anteil der Mietungen im genannten Fürstentum Ansbach auf 75 % aller Haushalte (38).

Mehrere historische Baupläne veranschaulichen Wenderoths statistisch-tabellarische Erkenntnisse. Die älteste Darstellung, ein Blatt von 1590, zeigt eine aus zwei Doppelhäusern und einem schuppenartigen Nebengebäude bestehende Zinshausgruppe (Abb. 5). Die unregelmäßige Anordnung dieser Bauten war möglicherweise bereits damals eine Ausnahme; eine reihenmäßige Aneinanderfügung einzelner Wohnungen unter einem gemeinsamen, lang gestreckten Dach – eine Bauweise eher der Neuzeit? – gab es schon im mittleren 16. Jahrhundert, so ein Beispiel im Nürnberger Vorort Laufamholz (Abb. 6). Das Augenmerk des Autors richtet sich auch auf die dörflichen Torhäuser, die einst zur „Befestigung“ fränkischer Marktorte gehörten. Exemplarisch vertritt eine barock geprägte Fachwerkanlage in Uehlfeld (Landkreis Neustadt an der Aisch-Bad Windsheim) diesen Bautyp (Abb. 11). Der wie ein Stadtturm wirkende Bau bildet den Schlusspunkt von Wenderoths Untersuchung, die aufgrund einer intensiven archivalischen Recherche sehr instruktiv ist.

Es folgt der von Clemens Wischermann verfasste Beitrag über „Die ‚Erfindung‘ der modernen Mietwohnung im Zeitalter der Urbanisierung“ im 19. und frühen 20. Jahrhundert, vor allem in den Jahrzehnten nach 1850, als „eine rasante Verschärfung der Relation von Eigentümern und Mietern eintrat“ (65). Ausgelöst wurde diese Eskalation durch die bekannte Verquickung von Industrialisierung und Landflucht, die ein explosionsartiges Wachstum der Großstädte zur Folge hatte. Enorme Unterschiede zeigten sich bei der Eigentumsquote von Wohnungen. Während sie beispielsweise im Jahr 1905 in den württembergischen Kleinstädten bei knapp 81 % lag, verfügten nur circa 30 % der Bevölkerung in den größeren Städten (ab 5 000 Einwohner) über einen persönlichen oder familiären häuslichen Besitz.

Es gibt über die miserablen großstädtischen Wohnverhältnisse dieser Epoche zahlreiche Berichte, auch Fotos. Deren Quellenproblem besteht darin – der Autor betont es –, dass die Aufnahmen „meist gestellte Posen, keine diskret aufgenommene Wohnwirklichkeit“ (66) zeigen. Deutlich wird das Bemühen, eine gewisse Wohnkultur wiederzugeben, die sich an bürgerlichen oder „gutbürgerlichen“ Vorstellungen orientiert. Über lange Zeit wurde die Wohnrealität großer Bevölkerungsteile, insbesondere der städtischen Unterschichten, von einer drangvollen Enge bestimmt, die kaum individuellen Raum ließ. Andererseits: Bei wohlhabenderen Verhältnissen ist ab dem Übergang von der Frühen Neuzeit zur Moderne ein Hang zur Intimität feststellbar, den man in der Lebenswelt der vorindustriellen Welt des Alten Reichs kaum kannte. Unter günstigen Bedingungen bildete sich nach und nach eine räumliche Abgrenzung der Familien und ihrer Angehörigen heraus. Dies gilt vor allem für den nur mehr aus zwei Generationen bestehenden Haushalt: die Kleinfamilie, bei der sich die Funktionstrennung, etwa von Essen, Schlafen und sonstiger Wohnlichkeit, am ehesten verwirklichen ließ. Wischermann geht in seinem Beitrag über Franken hinaus und bringt mehrere Fallbeispiele anderer Regionen, welche die Wohnsituationen unterschiedlicher Bevölkerungsschichten konkretisieren. Hilfreich sind die Abbildungen, vor allem die Pläne eines großstädtischen „Muster-Miethauses von 1865“, wie sie der „Centralverein in Preußen für das Wohl der arbeitenden Klassen“ entworfen hat.

Die nächsten Referate sind wieder auf Mittelfranken ausgerichtet, vorrangig wird das „Wohnen ohne Eigentum“ in dessen Zentrum Nürnberg untersucht. Einleitend bringt Christian Feja in „Wo der Teufelsheinz sein Unwesen trieb. Mietverhältnisse im Nürnberg der frühen Neuzeit“ auch eigene Erfahrungen ein und setzt sich kurz und kritisch mit der umstrittenen Schrift von Otto Brunner (1898–1982) „Das ‚Ganze Haus‘“ auseinander (erschienen 1968 in „Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgeschichte“), die kulturhistorische Gemüter bewegte. Hin zum „Teufelsheinz“: Mit diesem Schimpfnamen war ein Müller und Bäcker namens Heinrich Gräf gemeint, der in den Jahrzehnten um 1600 in Nürnberg lebte und Eigentümer etlicher Mietshäuser war. In einem umfangreichen Aktenbestand des Stadtarchivs sind die Machenschaften dieses profitgierigen Mannes gegen seine Mieter festgehalten, den Feja folgerichtig als „Immobilienhai“ einstuft (115–119).

Man könnte meinen, dass die historischen Zins- oder Mietshäuser generell von einfacher Struktur waren. Es gibt aber auch Gegenbeispiele, von denen Michael Giersch eines in seinem Beitrag vorstellt: „Das sogenannte Uhrenhaus in der frühneuzeitlichen Industrieanlage Hammer in Nürnberg-Laufamholz“. Die Reichsstadt Nürnberg war im späten Mittelalter führend im verarbeitenden Metallgewerbe. 1492 wurde in Laufamholz an der Pegnitz ein Hammerwerk gegründet, aus dem sich im 16. Jahrhundert ein weitläufiger Produktionsstandort für Messing entwickelte. Das bauliche Ensemble erlitt im Zweiten Weltkrieg schwere Beschädigungen. Der erhaltene Restbestand vermittelt allerdings immer noch einen Eindruck des frühindustriellen Konzepts (Abbildung 6 auf Seite 51). Das repräsentativste Gebäude der alten Substanz ist das sogenannte Uhrenhaus, das in den frühen 2000er Jahren eingehend bauhistorisch untersucht worden ist. Das teils massiv, teils als Fachwerk ausgeführte Haus von zwei Stockwerken, das laut dendrochronologischer Untersuchung 1554/55 errichtet wurde, besitzt als markantes Detail ein Zwerchhaus mit einer gut sichtbaren Uhr. Die archivalisch belegte Nutzungsgeschichte des Uhrenhauses führt nicht in Richtung Wohnstätte der Eigentümer des Hammers – sie bewohnten ein schlossartiges Herrenhaus daneben –, sondern zum Zinshaus hin. Die geräumigen Wohnungen des Uhrenhauses dienten aller Wahrscheinlichkeit nach von Anfang an Fachkräften des Hammerbetriebs als Unterkunft (137).

In Nürnberg, wirtschaftlich blühende Reichsstadt im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, lebten zahlreiche Bürger in Mietshäusern, die sich im kommunalen Eigentum befanden und vom städtischen Zinsmeisteramt verwaltet wurden (Feja,100–102). Ähnliches gab es auch in manchen Kleinstädten, wie es die erwähnten Torhäuser darlegen (Wenderoth, 63). Ein besonderes Beispiel für Wohnungsvermietungen unter eher provinzialer Obhut ist ein ehemaliges Badhaus aus Wendelstein von 1450 (Kreis Roth), das 2017 im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim wiederaufgebaut wurde. Dieter Gottschalk beleuchtet im vorliegenden Band die Bau- und Sozialgeschichte dieses Hauses und erweitert damit seine frühere Untersuchung.[i]

Mietshäuser finden sich in vielen Sparten der historischen Architektur Frankens; so geht es in Robert Gierschs Aufsatz um „Zinshäuser und -wohnungen auf den Nürnberger Herrensitzen“. Zahlreiche, häufig großzügig angelegte Landsitze bezeugen ab dem späten Mittelalter den Drang der führenden Geschlechter des Patriziats in diese Richtung. Die archivalische Lage hierzu ist aufgrund eines umfangreichen Schriftverkehrs, der von zahlreichen Karten und Plänen begleitet wird, günstig. Der Bestand resultiert vorzugsweise aus der Hinterlassenschaft der reichsstädtischen „Waldämter“, die für die Zuteilung von Brenn- und Bauholz zuständig waren und Baugesuche recht restriktiv behandelten. Auch die Eigentümer der Herrensitze spürten eine solche Haltung, wenn sie ihre Anlagen ausbauen wollten, beispielsweise um weiteren Wohnraum für Personal zu gewinnen. Gestattet wurden allenfalls geringfügige Maßnahmen, die nach Möglichkeit die Anzahl der Herdstätten nicht allzu sehr vergrößern sollten. Manch Bauentschlossener und Bauentschlossene kam dabei auf die Idee, Zinshäuser und ähnliches an die Ringmauer des Anwesens anzulehnen oder sogar in sie zu integrieren. Diese Methode war platzsparend und man brauchte weniger Baumaterial, was zudem wirtschaftliche Vorteile mit sich brachte. Es entstanden sowohl klein dimensionierte Zinshäuser als auch größere Bauten. Dabei konnte es zu kuriosen Lösungen kommen, wie es ein „Wohnhäuslein“ dokumentiert, das als einfache Fachwerkkonstruktion – dabei vorkragend – auf einer massiven Eckbastion eines Herrensitzes errichtet wurde (Abbildungen 11 und 17). Die zugehörige Zeichnung ist 1594 datiert. Weitere Pläne stammen aus dem frühen 17. Jahrhundert, das Gros gehört aber dem 18. an. Insgesamt gesehen, bietet der Beitrag einen überzeugenden, bestens illustrierten Überblick großbürgerlicher Lebensverhältnisse. Unverkennbar war ihr Vorbild die feudal-höfische Welt des Adels.

Auf ein städtisches Ambiente in der Umgebung von Nürnberg konzentriert sich. Ursula Kaiser-Biburger in „Das Wohnen und Arbeiten in der ‚Alten Farb‘, einem bürgerlichen Zinshaus in Schwabach“. Die Stadt war einst ein wichtiger Verwaltungssitz im Markgraftum Brandenburg-Ansbach. Die „Alte Farb“ ist ein ehemaliges Färberhaus, das Gewerbebau und Mietshaus kombiniert, was bis in das 16. Jahrhundert zurückreicht. Schwabachs Salbücher von 1410 und 1530 lassen die Vermutung zu, dass der Vorgängerbau schon „Wohnungen ohne Eigentum“ zur Verfügung stellte. Auch deutet das „Reichsteuerregister“ von 1497 – erwähnt in Thomas Wenderoths Ausführungen – auf eine solche Nutzung hin.

Wie die Bauuntersuchungen ergeben haben, finden sich kaum nennenswerte Bauspuren aus der Zeit vor 1732. Die Ursache hierfür ist, aller Wahrscheinlichkeit nach, ein verheerendes Hochwasser, das Schwabach damals heimgesucht hat (206–210). Fassbar werden die Bauzeiten erst ab den folgenden Jahren des Wiederaufbaus (vergleiche die Baualterspläne im Anhang der Farbabbildungen). Es entstand ein dreigeschossiger Massivbau. Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Dachgeschoss ausgebaut. Das Haus erhielt eine Mansard-Etage und damit sein eigentümliches Aussehen. Eine Frage dazu: Wurden dabei auch die Fassaden „bereinigt“, indem man eventuell den Baudekor des 18. Jahrhunderts weitgehend abschlug? Barocke Formauffassungen zeigen nur ein Schlussstein der von einem Bogen gerundeten Toreinfahrt in der Hausmitte (Abbildung 4) und ein Steinrelief darüber, das einen Arbeitsvorgang des Handwerks der Färberei vorstellt (Abbildung 3).

Auch in sozialgeschichtlicher Hinsicht sind Schwabachs „Alte Farb“ und ihre Vorgängeranlage aussagekräftige Beispiele. Bekannt ist die Folge der Eigentümer seit dem ersten Drittel des 17. Jahrhunderts. Ab 1799 schließen sich präzise Informationen über die Mieter an, über ihre Berufe und ihren Personenstand. Die Ausgangslage hierfür sind die sogenannten „Seelenlisten“ – Daten-Erhebungen wie bei heutigen Einwohnermeldeämtern.

Rückt Ursula Kaiser-Biburgers Aufsatz vor allem die Mietverhältnisse an der Wende des Alten Reichs zur jüngeren Neuzeit in den Vordergrund, so steht Sebastian Guldens Arbeit „Mieten an der Pegnitz. Miethausbau in Nürnberg zwischen 1859 und 1914“ ganz im Zeichen der Industrialisierung und Urbanisierung ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bezogen auf den untersuchten Zeitraum ist sie eine Parallele zu der von Clemens Wischermann. Hier geht es indes ausschließlich um die Stadt Nürnberg, deren Bevölkerung sich zwischen 1850 und 1914 ungefähr versiebenfachte. Mitte des 19. Jahrhunderts war der Stand circa 51 000 Personen (235). Es ergaben sich für die Stadtverwaltung riesige Probleme, ausreichende Wohnungen für die Zugezogenen zu schaffen. Nach zögerlichen Anfängen forcierten sich die Bemühungen. Allein im Jahr 1898 wurden zum Beispiel 669 Wohnbauten erstellt, ein Spitzenwert. Der Bedarf an Mietshäusern blieb aber bestehen.

Die Skala an Bauten, die in der zweiten Hälfte des 19. und im frühen 20. Jahrhundert errichtet wurden, ist weit gefächert. Es gab, wie in anderen Großstädten, zweigeschossige Mietshäuser mit nur wenigen Wohnungen und mehrgeschossige Anlagen, die zahlreichen Mietparteien Unterkunft boten. Es gab Klein- oder Kleinstwohnungen und stattliche Etagen in „Mietspalästen“, beliebt bei einer wirtschaftlich gut gestellten Klientel. Als Baumaterial wählte man bei repräsentativen Straßenfassaden gerne Sandstein, die Ansichten der Hinterhäuser oder „Rückgebäude“ waren dagegen schlicht gestaltet. Manche Bauten zeigten noch klassizistische Anklänge, im Übrigen schätzte man die gesamte Vielfalt des Historismus. Dem Autor zufolge ist ein „Nürnberger Stil“ erkennbar, der sich nach der lokalen Bauweise des 16. und17. Jahrhunderts richtete (259). Hier erlebte das Chörlein eine Wiedergeburt.

Die Wohnungsnot hielt in Nürnberg auch nach dem Ersten Weltkrieg an. Mit dieser Situation, mit möglichen Abhilfen und deren Vorstufen im späten 19. Jahrhundert befasst sich Bernd Windsheimer in: „Kommunaler Wohnungsbau und Baugenossenschaften von den Anfängen bis 1933“. Initialzündung für Wohnungsbaugenossenschaften im Deutschen Reich gab ein entsprechendes Gesetz von 1889. Nürnbergs erster Bauverein wurde wenige Jahre später, 1896, gegründet. Schon bald danach ließ er Mietshäuser für Arbeiter errichten. Und die Gartenstadt-Bewegung fand an der Pegnitz Freunde, wie es an einer nach ihr benannten Wohnungsbaugenossenschaft erkennbar ist, 1908 ins Leben gerufen. Für sie konnte Richard Riemerschmid als Architekt gewonnen werden (278). In den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts kam es in Nürnberg zu etlichen Gründungen von ähnlichen Genossenschaften. Darunter waren auch manche unseriöse Etablissements. Eine besonders wichtige sozial verantwortungsvolle Kooperative sollte die „Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Nürnberg“ (mit Kürzel wbg) werden, die 1922/23 unter starker Beteiligung der Kommune entstand – der Firmenname hebt es hervor. Errichtet wurden unter ihrer Führung Eigenheime und Wohnungen in der Größenordnung zwischen 44 und 67 Quadratmetern an Fläche, dazu gehörten kleine Gärten. Inhaltlich unterschied sich dieser Aufbau nicht von dem in anderen Großstädten. Architektonisch war das Programm recht konservativ-konventionell ausgerichtet, ohne Verbindungen mit dem „Neuen Bauen“.

Bernd Windsheimer lässt seinen Beitrag, der ein detailreiches Zeugnis der Nürnberger Verhältnisse von der späten Kaiserzeit bis 1933 ist, mit einem Epilog ausklingen, für den folgende Erkenntnis bezeichnend ist: „So erfolgreich die Bautätigkeit der wbg sowie der Baugenossenschaften in Nürnberg auch war, gelang es in der Weimarer Republik nicht, der Wohnungsnot auch nur annähernd Herr zu werden.“ (317)

Fazit: Dem Bezirk Mittelfranken und dem Verlag ist zu dieser Publikation zu gratulieren. Natürlich möchte man wissen, wie es nach 1933, im „Dritten Reich“, weiterging. Auch würde das Baugeschehen „Wohnen ohne Eigentum“ unter bundesrepublikanischen Voraussetzungen interessieren. Begrüßenswert wäre es, wenn diese Themen auf einer weiteren architektur- und sozialhistorischen Tagung referiert und diskutiert würden.

[i] Dieter Gottschalk u. Ralf Rossmeissl: Bau- und Nutzungsgeschichte des spätmittelalterlichen Badhauses aus Wendelstein. In: Dieter Gottschalk, Susanne Grosser, Johanna Kemmler, Herbert May u. Ralf Rossmeissl: … dem ist sein paden nuetz und guet. Badhäuser und Bader in Franken (Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums des Bezirks Mittelfranken 92). Bad Windsheim 2022, S. 48–89. Der Band enthält auch den Beitrag von Thomas Wenderoth: Das Mietwesen um Nürnberg, S. 90–95. Eine Besprechung der Publikation von Klaus Freckmann in: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 2023, S. 273–275.