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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Helen Wiedmaier

Kämpfer auf dem Schlachtfeld – Kämpfer in den Texten. Schlachtenschilderungen in den historiographischen Quellen des 14. und beginnenden 15. Jahrhunderts

(Byzanz und die euromediterranen Kriegskulturen 3), Göttingen 2024, Mainz University Press, 320 Seiten


Rezensiert von Philipp Thomas Wollmann
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 10.09.2024

In der historischen Ereignisgeschichte wurden und werden viele Schlachten über alle Epochen hinweg oftmals als soziale oder politische Wendepunkte wahrgenommen, nach denen meist ein deutlicher Einschnitt folgt und die als solche auch im kollektiven Gedächtnis der Gesellschaft bewahrt werden. Ein prominentes Beispiel aus der mittelalterlichen Geschichte dafür wäre wohl die Schlacht von Hastings im Jahr 1066, in der durch den Sieg Herzog Wilhelms von der Normandie die Geschichte Englands einen völlig anderen Verlauf nahm. Die erzählenden Quellen, die über diese Schlachten berichten, werden aber gerade in jüngerer Zeit nicht mehr nur zur Rekonstruktion der Ereignisgeschichte benutzt, sondern stehen nun verstärkt selbst im Zentrum der Forschung. So wird etwa unter Verwendung von literaturwissenschaftlichen Methoden nach den darin vorherrschenden Topoi und transportierten gesellschaftlichen Vorstellungen gefragt. Diese veränderte Perspektive versucht Helen Wiedmaier in ihrer 2023 an der Universität Mainz eingereichten Dissertation auf ausgewählte Schlachten und deren erzählende Quellen vornehmlich des 14. Jahrhunderts zu übertragen, wobei sie das vermittelte Bild von Kämpfern ins Zentrum ihrer Arbeit stellt.

Von den zahlreichen europäischen Schlachten des 14. Jahrhunderts begrenzt sich die Verfasserin mit den Schlachten von Gammelsdorf (1314), am Morgarten (1315), bei Mühldorf (1322) und bei Sempach (1386) auf Geschehnisse aus dem oberdeutschen Raum. Als Grund für diese Auswahl führt sie an, dass zum einen eine bessere Vergleichbarkeit bestehe, da bereits durch die Zeitgenossen die Konflikte als zusammengehörig verstanden worden wären, zum anderen durch die Vielzahl an Quellen „bemerkenswerterweise für jede Schlacht sowohl Sieger- als auch Verliererperspektive“ überliefert seien (S. 16). Diesen vier Schlachten ist nach einer knappen Einführung (S. 11-29) jeweils ein eigenes Kapitel gewidmet, in dem neben Forschungsstand und Quellenauswahl die Charakterisierung von Einzelkämpfern und Kämpfergruppen sowie das Vorkommen und die Bedeutung von Raumbeschreibungen, Geräuschen oder Redeszenen in den Quellen analysiert werden. In einem abschließenden analytischen Kapitel (S. 249-268) fasst Wiedmaier die gewonnenen Erkenntnisse zu den vier Schlachten zusammen: So kann sie überzeugend nachweisen, dass den Einzelkämpfern, bei denen es sich durchwegs um herausragende Personen wie Könige, Herzöge oder Grafen handelte, in den Quellen eine von den drei Rollen Held, Antagonist oder lehrreiches Exemplum zugewiesen wurde. Teilweise verbanden sich diese Rollen auch, indem dem Helden ein Antagonist gegenübergestellt wurde und deren unterschiedliche Handlungsmuster als Vorbild oder Warnung dienen sollten. Entsprechend der übernommenen Rolle wurden der Person durch den Chronisten Topoi zugeordnet, wobei sich ein guter Kämpfer durch sein Gottesvertrauen (S. 252 f.), seinen Mut in der Schlacht (S. 253) und seine Gnade gegenüber den Feinden (S. 253) auszeichnete, während der schlechte Kämpfer durch Hochmut und Feigheit sowie der damit verbundenen Flucht vom Schlachtfeld (S. 253 f.) charakterisiert wurde. Die Kämpfergruppen, die die Masse des Heeres stellten, wurden in den erzählenden Quellen dagegen selten thematisiert oder durch den Chronisten dazu genutzt, durch ihr Verhalten eine narrative Begründung für Sieg oder Niederlage zu schaffen und dadurch Kommandanten von der Verantwortung des Misserfolgs zu befreien. Eine Ausnahme von dieser formlosen Darstellung nehmen bei Mühldorf die Ungarn und Kumanen sowie bei Sempach die Schweizer ein, wobei erstere durch ihre religiöse und kulturelle Andersartigkeit in der Regel eine negative, letztere vor allem in der städtischen Geschichtsschreibung aber eine durchweg positive Konnotation erhielten. Neben diesen grundsätzlichen Charakterisierungen dienten weitere Elemente der Konstruktion der Erzählung. Dazu zählten unter anderem auditive Komponenten, von denen sich in den Quellen Trompetenklänge, Schlachtengeschrei, religiöse Schlachtengesänge oder schlichter Lärm feststellen lassen. Mit diesen waren nach der Verfasserin zumeist „Höhe- oder Wendepunkte oder Hervorhebung einzelner Kämpfer und deren Handlungen“ (S. 259) verbunden. Die wörtliche Rede diente dagegen als geschickt eingebautes Stilmittel zur Steigerung der Dramatik sowie gleichzeitig zur Heraushebung einer bestimmten Person und deren genauerer positiver wie negativer Charakterisierung. Schließlich beschrieben nur wenige Chronisten die Umgebung, in der ihre Schlachtendarstellung handelte. Sollte dies doch vorkommen, so beschränkte sich dies meist auf auffällige reale Landmarken wie Flüsse, Burgen und Ortschaften oder auf die narrative und somit zum Teil fiktive Verwendung solcher topographischen Elemente (S. 263).

Mögen diese Ergebnisse ohne Frage überzeugen, so hat die Studie dennoch mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. Dies beginnt schon bei der Gliederung, denn einem Kapitel nur ein einzelnes Unterkapitel unterzuordnen, wie bei 2.7.1, 3.5.1 und 4.4.1 geschehen, kann nur als ungünstig bezeichnet werden. Daneben fallen die häufigen wörtlichen und inhaltlichen Wiederholungen sowie einige unglückliche Tippfehler auf, etwa S. 100 Sachsen-Wittelsbach statt Sachsen-Wittenberg oder S. 145 Matseenes statt Matseenses. Zu korrigieren ist außerdem, dass der auf S. 236 angeführte Burkhard von Ellerbach, der an der Schlacht von Sempach teilnahm, nicht identisch ist mit dem gleichnamigen Augsburger Bischof wie in Anm. 1255 suggeriert; Bischof Burkhard dürfte wohl ein Neffe gewesen sein. Zu bedauern ist außerdem, dass die im Dezember 2022 bei den Monumenta Germaniae Historica erschienene kritische Edition der Cronica Aule Regie von Anna Pumprová und Libor Jan nicht für die Drucklegung berücksichtigt wurde. Handelt es sich dabei um Ungenauigkeiten, über die hinweggesehen werden kann, so wäre es aber im Allgemeinen für die Studie sinnvoll gewesen, verstärkt die in der Einleitung durch die Verfasserin selbst angeführte Intention der Chronisten (S. 23) zu berücksichtigen. Die „causa scribendi“, also der Grund für die Abfassung einer erzählenden Quelle, hatte maßgeblichen Einfluss auf die Darstellung durch den Chronisten und ist für zahlreiche der durch Wiedmaier verwendeten, bereits kritisch edierten Quellen schon ausführlich diskutiert worden. Entsprechend sind etwa die Darstellungen des Liber certarum historiarum des Johann von Viktring zu werten, in dem er eine an praktischer Moral und Lebensphilosophie orientierte politische Bildung vermitteln wollte, die nur in der ersten Fassung Herzog Albrecht II. von Österreich gewidmet war. Entsprechend ist die Episode zur Schlacht am Morgarten vor dem Entstehungshintergrund einzuordnen, also als „eine Art Lehrstück“ (S. 81), sicherlich aber nicht um „Friedrich von der Verantwortung für die Niederlage freizusprechen“ (S. 81) und so eine nachträgliche Legitimierung im Thronstreit zwischen Ludwig IV. von Bayern und Friedrich dem Schönen von Österreich zu schaffen.

Auch wenn die Übernahme neuer Methodiken aus verwandten Disziplinen wichtig und sinnvoll für die Mediävistik ist, so bleibt dennoch der Einbezug der Quellenkritik von Bedeutung. Trotz der Schwierigkeiten ist der Verfasserin aber ein wichtiger Beitrag zum Verständnis der mittelalterlichen Rollenbilder in Chroniken gelungen, von dem nicht zuletzt die bayerische Landesgeschichte durch die Analyse der Schlachten von Gammelsdorf und Mühldorf profitieren kann.