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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Adelheid Riolini-Unger

Die Bildhauerfamilie Öberl in Friedberg

(Schriften des Heimatvereins Friedberg 7), Friedberg 2022, Likias, 220 Seiten, zahlreiche Abbildungen


Rezensiert von Corinna Malek
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 24.09.2024

Der vorliegende Band ist in der „Schriftenreihe des Heimatvereins Friedberg“ erschienen und fasst die Forschungsergebnisse der Autorin zur Bildhauerfamilie Öberl aus Friedberg zusammen. Die Familie siedelte sich Anfang des 17. Jahrhunderts in Friedberg an und entwickelte sich im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts zu einer der produktivsten Bildhauerwerkstätten der Stadt während des Barock. Im Fokus der Betrachtung durch die Autorin stehen v.a. drei Künstler aus der Familie: Bartholomäus Öberl (1660-1743) sowie seine Söhne Johann Kaspar (1700-1767) und Joseph Karl (1712-nach 1777). Alle drei lebten und arbeiteten in Friedberg, ihre Werke und Aufträge reichten aber weit über die Ortsgrenzen hinaus. Bis dato war der Name Öberl nur in der lokalen Kunst- und Ortsgeschichte ein Begriff. Dies dürfte sich durch den vorgelegten Band nun ändern.

Inhaltlich teilt sich das Buch in einen einführenden und einen umfangreichen Katalogteil auf. Der erste Teil, der aus zwei Kapiteln besteht, hat einen einleitenden Charakter. Im ersten Kapitel gibt die Autorin einen Einblick in Forschungsstand, Familiengeschichte und Werk. Außerdem ordnet sie die Familie Öberl innerhalb der Friedberger Stadt- und Kunstgeschichte ein. Darüber hinaus liefert sie eine sehr gut recherchierte Übersicht über die wichtigsten Quellen und Literatur und skizziert prägnant den bisherigen Forschungsstand und Kenntnisse zum Öberl’schen Werk. Dabei benennt sie auch Desiderate und eröffnet weitere Forschungsperspektiven. Das zweite Kapitel der Einführung befasst sich mit den Biografien von fünf Familienmitgliedern, die die Autorin auf Basis einer vertieften Quellen- und Literaturarbeit erarbeitet hat. Hervorzuheben sind hier v.a. neue biografische Erkenntnisse zu einzelnen Familienmitgliedern, beispielsweise im Hinblick auf die Geburten- und Sterbedaten, die anhand einer bis dato unbekannten Quelle ermittelt werden konnten (S. 12 f.). Darüber hinaus konnte die Autorin zwei bisher unbekannte Künstler aus der Familie ermitteln.

Der zweite, weitaus umfassendere Teil der Publikation umfasst einen Werkkatalog von drei der fünf bearbeiteten Künstler. Die Auswahl der drei Öberl erfolgte aufgrund ihrer Ansässigkeit und ihres Wirkens in Friedberg. Die Werkauswahl nahm die Autorin anhand von drei Kriterien vor, nämlich „die heute noch erhaltenen [und] [...] d[ie] nicht mehr erhaltenen Werke“ (S. 32) sowie eine Auswahl an solchen, die durch die Literatur den Künstlern zugeschrieben wurden, zusammenzutragen. Mit Letztgenannten setzt sich die Autorin jeweils kritisch auseinander und korrigiert bisherige Fehlzuschreibungen auf Basis ihrer Forschungsergebnisse. Pro Künstler werden die Werke nach den Haupttopoi aufgelistet. Jede Werkgruppe ist dabei chronologisch sortiert. Dem Werkkatalog sind eine kurze erklärende Einführung sowie eine Übersichtskarte vorangestellt, um die geografische Reichweite der Öberls zu visualisieren. Allerdings könnte die Karte im Hinblick auf geografische Grenzen, z.B. der Landkreise, durchaus mehr Tiefe vertragen.

Den Abschluss des Buches bildet ein Resümee zusammen mit einem umfangreichen Anmerkungs-, Quellen- und Literaturanhang samt Orts- und Personenregister. Das Resümee fasst die wesentlichen Erkenntnisse knapp und übersichtlich zusammen, ordnet diese in den aktuellen Forschungskontext ein, benennt bestehende Desiderate und gibt Anregungen für weitere Forschungen.

Erstmals in Kontakt mit den Werken der Familie kam die Autorin über ihre Position als Museumsleiterin der Stadt Friedberg, sie intensivierte ihre Forschungen zu Leben und Werk der Öberls nach ihrer Pensionierung. Als Ergebnis ihrer Bemühungen liegt nun der hier besprochene Band vor, für den die Autorin umfangreiche Archiv- sowie Vor-Ort-Recherchen unternahm. Ihr Anliegen „nicht nur alle bisher bekannten Arbeiten, die sich vorwiegend östlich des Lechs finden, […] [aufzulisten], sondern auch bisher unbekannte Öberl-Werke“ (S. 7) zu ermitteln und zu beschreiben, ist ihr eindrucksvoll gelungen. Der Band besticht nicht nur durch seine fundierte Quellenarbeit in verschiedenen Stadt-, Orts- und Pfarrarchiven, sondern auch durch die kunstgeschichtliche Detailbeschreibung und Einordnung der einzelnen Werke. Besonders die Untersuchung der einzelnen Signaturen und deren Aufschlüsselung sind hier zu nennen. Ausgehend von den zur Sammlung des Friedberger Museums gehörenden sechs Figuren und Reliefs hat die Autorin insgesamt rund 150 Werke an 77 Orten in sieben Landkreisen zusammengetragen. Das so entstandene Werkverzeichnis ist eine Pionierleistung für die lokale Kunstgeschichte und hebt die Familie Öberl über eine rein regionale Wahrnehmung hinaus. Ebenso konnte Riolini-Unger bisher falsch zugeschriebene Werke aufdecken und korrigieren. Ihr persönliches Ziel, „gestützt auf archivalische Forschungen, die aber leider oft genug lückenhaft waren – vor allem durch Stilvergleiche Stellung zu Leben und Werk der Bildhauer zu nehmen“ (S. 20), kann man als geglückt ansehen. Der Band schafft es, den Blick auf die Friedberger Bildhauerfamilie zu schärfen sowie zu erweitern und damit einen wichtigen Beitrag zur regionalen und überregionalen Wahrnehmung und Einordnung des Öberl’schen Oeuvres zu leisten. Bereichernd ist außerdem die kritische Auseinandersetzung mit Zuschreibungen, die rein auf der Literatur basierten und deren Auflösung auf Basis archivalischer Belege. Damit gelingt es der Autorin, seit Jahren falsch zugeschriebene Werke zu entlarven als auch teilweise richtig einem anderen Öberl zuzuordnen. Darüber hinaus ermittelte sie durch ihre Forschungen einige Neuzuschreibungen von bis jetzt unbekannten Öberl-Werken.

Weiterhin ist die reiche Bebilderung des Bandes lobend hervorzuheben. Der überwiegende Teil der Fotos stammt von Norbert Liesz, dem die Autorin für sein großes Engagement im Vorwort dankt. Die Bilder vermitteln dem Leser einen genauen Eindruck der im Einzelnen detailreich beschriebenen Werke. Dabei sind die Skulpturen und Schnitzwerke auch rückseitig aufgenommen, was einen Rundumblick liefert und den Fokus auf die Signaturen lenkt. Insgesamt ist der Band in einer sehr gut leserlichen und verständlichen Art geschrieben, so dass auch kunstgeschichtlichen Laien und lokalgeschichtlich Interessierten der sofortige Einstieg in das Thema leichtfällt. Ein rundum gelungener Band, der als Vorbild für weitere Studien lokaler Künstler und zur Auseinandersetzung mit deren Werk dienen kann. Er zeigt, dass die Beschäftigung mit lokalen Künstlern noch viele Desiderate und neue Forschungsfelder und -themen zu bieten vermag.