Aktuelle Rezensionen
Maximilian Slowioczek
Die Grafen von Bogen. Besitz, Rechte und Gefolge einer Adelsfamilie im bayerischen Hochmittelalter
Regensburg 2024, Friedrich Pustet, 296 Seiten, 1 Abbildung
Rezensiert von Gabriele Schlütter-Schindler
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 02.10.2024
Die vorliegende Arbeit entstand als Dissertation an der Ludwig-Maximilians-Universität. Anlaß der Beschäftigung mit den Grafen von Bogen war der Wunsch des Verfassers, auch diesem Geschlecht eine Neubearbeitung zuteil werden zu lassen, wie sie die Andechser, Vornbacher, Sulzbacher und Diepoldinger bereits erfahren haben, gewissermaßen einen neuen zeitgemäßen Piendl (Die Grafen von Bogen. Genealogie, Besitz- und Herrschaftsgeschichte [Jahresbericht des Historischen Vereins für Straubing und Umgebung, Jg. 55-57, 1953-1955, S. 25-82, 9-88, 25-79]) zu erstellen (S. 15 f.). Für sein bereits im Untertitel formuliertes Anliegen, die Fixierung des Bogener Eigengutes und die Bestimmung der gräflichen Gefolgschaft, kann der Verfasser überwiegend gedruckte Quellenwerke von hoher Qualität nutzen (besonders Cornelia Mohr, Die Traditionen des Klosters Oberalteich [QuE NF 30/1], München 1979; Ingrid Heeg-Engelhart, Das älteste bayerische Herzogsurbar. Analyse und Edition [QuE NF 37], München 1990). Hilfe bieten zudem die einschlägigen Bände des Historischen Atlas von Bayern. Aus dem ältesten Herzogsurbar läßt sich der wittelsbachische Besitzstand vor dem Erhalt des Bogener Erbes 1242 ersehen, aus späteren Urbaren wird der Güterzuwachs deutlich, von dem jedoch unklar bleiben muß, ob hinzugewonnene Orte und Rechte der Bogener Erbmasse oder Entwicklungen (Rodungen) der Zeit nach 1242 angehören (S. 51).
Slowioczek konzentriert sich auf die Präzisierung und Lokalisierung der Ortsnamen, die Identifizierung der Personen und die Datierung der vornehmlich Oberalteicher Traditionen, unterzieht die vorliegenden Werke einer Prüfung und vermerkt Korrekturen und Ergänzungen. Wichtig ist ihm eine genaue Kennzeichnung seiner Ergebnisse: Ist eine „Erkenntnis aufgrund der vorliegenden Quellen als gesichert oder lediglich als wahrscheinlich“ (S. 18) zu bewerten?
Seinem geographiezentrierten Schwerpunkt der Arbeit (Kapitel 3) stellt der Verfasser „dem Verständnis halber“ (S. 18) ein genealogisches Kapitel (2) voran. Dabei greift er die Diskussion um die Herkunft des Gemahls der Gräfin Liutgard auf, die sich derzeitig auf einen Domvogt Friedrich – aus welcher Generation ist noch offen – zubewegt, ohne sich seinerseits zu positionieren. Unter dem Adel des Untersuchungsraumes werden die Regensburger Domvögte, Graf Aschwin von Zeitldorn sowie einige Familien vorgestellt, deren Stand zwischen niederem Adel und Ministerialität sich nicht eindeutig klären läßt; gemeinsam waren diesen ihre begrenzten Entfaltungsmöglichkeiten im Schatten der Bogener.
Was die Erlangung des Grafentitels betrifft (Kapitel 2. 2), so sind den von Slowioczek referierten bisherigen Sichtweisen der Forschung keine neuen Erkenntnisse hinzuzufügen. Ebenso steht es um die sich anschließenden Ausführungen (Kapitel 2. 3) der Bogener Familienmitglieder von Berthold I. bis zu Albert IV. Die Heirat Ludmillas von Böhmen, der Witwe Graf Alberts III., mit Herzog Ludwig I. von Bayern versteht der Verfasser als „starke Fusion“ (S. 44). Die „Problematik“ der „Konkurrenz zueinander“ sei mit dem Tod Alberts IV. 1242 gegenstandslos geworden, was zutreffend ist; dazwischen lagen allerdings fast vierzig Jahre, die keineswegs in verwandtschaftlicher Harmonie verliefen.
In Kapitel 3 nun setzt die Aufarbeitung nach den in der Einleitung beschriebenen Kriterien für Orte und Mannen ein. Den „Kernraum“ (S. 49) der Bogener zwischen Donau und böhmischer Grenze teilt der Verfasser aus orientierungstechnischen Gründen wie folgt ein: Linkes Donauufer: Pichsee bis Rindberg, Schwarzach bis Zinzenzell, Wetzelsberg bis Münchshöfen und Sicklasberg bis Warzenried; für das rechte Donauufer ist überwiegend Streubesitz zu verzeichnen. Über die Befassung mit der Grafschaft Windberg und dem gräflichen Besitz „im Raum der Grafschaft“ (S. 199 f.) – die Grafschaft selbst war Passauer Lehen (s. dazu auch S. 248-251) –, gelangt Slowioczek zum Schwerpunkt der Bogener Aktivitäten im Umfeld des Klosters Niederaltaich und der Propstei Rinchnach bei Regen. Durchaus interessant ist der Gedanke, sich den wohl von Albert IV. gegründeten und von den Ortenburgern zerstörten Marktort Lichtenwörth als ein Ergebnis der „Kooperation“ (S. 202, 269) zwischen Niederaltaich und den Bogenern vorzustellen, von dem beide profitiert haben könnten. Kapitel 3. 1. 4 hat den Streubesitz der Grafen außerhalb Bayerns zum Thema. Für Böhmen ist er um Schüttenhofen anzunehmen, für Kärnten und Krain bleibt Piendl „maßgeblich“ (S. 209). Den Bogenern war in dieser Gegend offenbar an einem Ausbau nicht gelegen, sie verkauften mehrfach Güter und behielten als Lehen lediglich Gurkfeld.
Die Darstellung der Vogteien (Kapitel 3. 2) beginnt mit der Alten Kapelle, für welche die Quellenlage bescheiden ist, es schließen sich Prüfening, Niederaltaich, das Augsburger Domkapitel, Windberg und Oberalteich an. Einen Sonderfall stellt der im Straubinger Raum liegende Besitz des Augsburger Domkapitels dar, auf dem 1218 die herzogliche Gründung der Stadt erfolgte. Bei allen Überlegungen des Verfassers zu den möglichen Zusammenhängen unterbleibt der Blick auf die politische Konstellation. Mit dem Tod Graf Bertholds III. im August desselben Jahres vor Damiette erlitt die Familie eine entscheidende Schwächung, sie wurde nur mehr von Albert IV. vertreten. Diese Situation könnte der Herzog zu einer unübersehbaren Demonstration seiner Präsenz genutzt haben.
Für Prüfening, Niederaltaich (hier besonders in der Auseinandersetzung mit Jürgen Dendorfer, Die Abtei und ihre Vögte im frühen und hohen Mittelalter, in: Die Abtei Niederaltaich. Geschichte, Kultur und Spiritualität von der Gründung bis zur Säkularisation, hg. von Stephan und Roman Deutinger [StMBO Erg.bd. 53], Sankt Ottilien 2018, S. 93-127) und dem als Hauskloster der Regensburger Domvögte geltenden Oberalteich, dessen Vogtei die Bogener nach deren Aussterben übernahmen und für das sich keine besonderen Gunsterweise ermitteln ließen, gab es die hinreichend bekannten Klagen. Negative Auffälligkeiten sind allein im Umgang mit dem Windberger Stift nicht überliefert, das für die Bogener offenbar im Sinne eines Hausklosters behandelt wurde und in dem der Verfasser auch die Familiengrablege vermutet.
In Kapitel 4 faßt Slowioczek die Elemente zusammen, auf welche sich die Herrschaft der Grafen stützte. An erster Stelle steht fraglos der Stammbesitz, den der Verfasser unter Ausschluß jeden durch Eigenleistung erworbenen Besitzes, auf das begrenzt, was von den (Stamm-)Eltern ererbt wurde. Angesichts des ersten, nach wie vor ungewissen Gemahls der Liutgard läßt sich diese Forderung nicht erfüllen. Es bleibt also nur der Rückschluß. Ende des 11., Anfang des 12. Jahrhunderts dürften die Grafen in Bogen wie auch in Windberg über Besitz verfügt haben. Für zwei Frauen – Hedwig von Istrien und Ludmilla von Böhmen – läßt sich als Mitgift der Besitz in Kärnten und Krain sowie an der Grenze zu Böhmen vermuten.
Zur Erweiterung ihres Herrschaftsbereichs bedienten sich die Grafen vor allem der Rodung, auf den Einsatz von Kauf und Tausch gibt es kaum Hinweise. Der Bayerische Wald kann neben der Gewinnung von Raum und Siedlung und dem Ausbau von Handelswegen auch zur Nutzung für die Holz- und Viehwirtschaft gedient haben. Die vielfältigen Möglichkeiten, die das Instrument der Vogtei zur Etablierung und Organisation von Herrschaft bot, sind bekannt. Bleibt noch der Blick auf die Dienstleute, Helfer und Inhaber der Hofämter. An den Hofämtern macht der Verfasser das Anspruchsdenken der Bogener fest, mit dem sie sich „zumindest dem Niveau eines Herzogshofes“ (S. 265) näherten und keinesfalls „als einfache Edelfreie aus der Provinz“ (S. 265) auftraten. Abschließend werden die nur schwach dokumentierten Marktorte Bogen und Lichtenwörth sowie die Burgen – unter ihnen Windberg, Bogen und Natternberg – besprochen.
Bleibt zusammenfassend als Ergebnis: Der Aufstieg in „die vorderste Riege des Reichsadels“ (S. 275) blieb den Bogenern versagt, sie standen der Reichspolitik wie auch dem König eher fern, waren selbst nie Amtsträger. Ehrgeiz und Einsatz galten der Behauptung ihrer regionalen Position, deren Alleinstellungsmerkmal die Geschlossenheit des Territoriums war. Eine Festlegung bestimmter Besiedlungsphasen war nicht möglich. Die Überprüfung der Ministerialensitze ergab, daß sich „viele“ aus der älteren Literatur nicht mit der „wünschenswerten Eindeutigkeit“ (S. 276) belegen ließen.
Zuletzt noch zu der mit der historischen Wahrnehmung der Bogener untrennbar verbundenen Überlieferung durch Abt Hermann von Niederaltaich. Slowioczek moniert die Beurteilung der Grafen durch den Abt aus „seine(r) Perspektive“ (S. 10, 228) und thematisiert seine „negative Grundposition“ (S. 84, s. auch S. 207, 221 f.), was die Frage aufwirft, ob von zeitgenössisch schreibenden unmittelbar Betroffenen objektiv-parteilose Berichte zu erwarten sind. Im übrigen hat Hermann auch kritische Worte zum nachfolgenden Vogt, Herzog Otto II., gefunden, dem zunächst große Hoffnungen galten. Erlaubt sei der Hinweis auf die Einlassung Bischof Ekberts von Bamberg, eines in jeder Weise erfahrenen und weltgewandten Mannes, der dringend davon abriet, Versprechungen Alberts von Bogen zu trauen, „scientes cum huiusmodi contractus et contitiones antea plures violasse“ (MB 11, S. 203 f. Nr. 66, mit irriger Datierung).
Die Arbeit beschließt ein Quellen- und Literatur- sowie ein Abkürzungsverzeichnis. Der Verzicht auf eine Stammtafel und eine Übersichtskarte ist bedauerlich. Der Verzicht auf ein Orts- und Personenverzeichnis steigert das Bedauern, denn er erschwert die Nutzung und den gezielten Zugriff auf gewonnene Ergebnisse des Verfassers erheblich – schon eine drucktechnische Hervorhebung der Ortsnamen wäre hilfreich gewesen.