Logo der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

Kommission für bayerische Landesgeschichte

Menu

Aktuelle Rezensionen


Anke Keller

Metall verarbeitende Handwerke in Nürnberg. Bestandskatalog

Nürnberg 2023, Verlag des Germanischen Nationalmuseums, 496 Seiten, zahlreiche Abbildungen


Rezensiert von Judith Utz
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 11.10.2024

Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg bewahrt eine Vielzahl an sog. „Zunftaltertümern“ (S. 27) auf. Da Nürnberg in der Frühen Neuzeit bedeutender Sitz von Metall bearbeitenden Handwerken war, haben sich hier besonders viele Objekte erhalten, „die die Handwerkskorporationen gemeinschaftlich nutzten“ (S. 10). Mit der Einführung der Gewerbefreiheit 1868 in Bayern gelangten davon viele (meist als Leihgaben) in die Sammlung des Germanischen Nationalmuseums. Der nun erschienene Bestandskatalog von Anke Keller widmet sich genau diesen Objekten. Dazu wertet sie die vielen Quellen aus, die sich dazu im Stadtarchiv und im Historischen Archiv des Germanischen Nationalmuseums erhalten haben. Bei der Publikation handelt es sich um den vierten Band einer Reihe des Germanischen Nationalmuseums, die sich dezidiert den Handwerken der Stadt widmet. Er bereitet Forschung aus dem Museum auf und macht sie einem breiteren Laien- und Fachpublikum zugänglich.

Der Band lässt sich in drei Teile untergliedern, wobei sich das erste Kapitel dem politischen, wirtschaftlichen und kulturhistorischen Kontext, in dem die Korporationen in Nürnberg zwischen dem 15. und dem 17. Jahrhundert agierten, widmet. Die Metall verarbeitenden Handwerke bildeten einen der wichtigsten Wirtschaftszweige der Stadt und waren schon früh von Spezialisierung und Arbeitsteilung geprägt (S. 12). Die Autorin umreißt hier auch die begrenzten politischen Teilhabemöglichkeiten der Korporationen in einer Stadt, in der das Zunftwesen – bis auf wenige Ausnahmen – generell verboten war. Basierend auf den Quellen aus den Archiven zeichnet sie ihre – auch alltägliche – Organisation nach, etwa anhand des Gesellenwesens und der angemieteten Herbergen, in denen regelmäßige Versammlungen stattfanden. Im Anhang findet sich eine Übersicht dieser Herbergen, die zudem auf einem Stadtplan von 1811 eingezeichnet wurden. Schon in diesen einleitenden Kapiteln spricht die Autorin einige der Gegenstände an, die im Katalog dann aufgeführt werden. Etwa nennt sie im Kontext der Herbergen die Herbergsschilder, aber auch die jeweiligen Stubenschilder bzw. Tischzeichen. Ebenfalls zu erwähnen sind hier die Trinkgeräte sowie die Meister- und Gesellenladen, die zum Teil in den Herbergen verwahrt wurden. In den Laden wurden unter anderem Siegel, Geldbüchsen mit dem gemeinschaftlichen Vermögen und Meisterpunzen aufbewahrt, aber auch Meisterstücke, Schreibutensilien etc. In einem Unterkapitel wendet sich die Autorin dem korporativen Begräbniswesen und Funeralreliquien zu, die der Ehrung der Toten dienten, zusätzlich jedoch repräsentative Funktionen innehatten. Abschließend geht sie auf die Entwicklung der Korporationen zu Beginn der Industrialisierung ein und verfolgt den anschließenden Niedergang der Handwerke.

Der zweite Teil „widmet sich den im Katalog behandelten Sammlungsobjekten und deren Weg ins Museum“ (S. 10). Keller thematisiert hier zunächst die Anfänge des Germanischen Nationalmuseums, das 1852 gegründet wurde. Von Beginn an grundlegend war die Sammlung von lokalen Handwerkserzeugnissen und Objekten aus dem Zunft- und Gildenwesen sowie deren Konservierung, wobei „[d]er größte Teil der heute noch im GNM verwahrten Zunftrequisiten […] infolge der 1868 eingeführten Gewerbefreiheit ins Haus [gelangte]“ (S. 26, Hervorhebung im Original). Nach Auflösung der Innungen war in vielen Fällen nicht klar, was mit deren historisch wertvollen Gegenständen geschehen sollte. Um den Erhalt zu gewährleisten, gaben viele Korporationen ihre Objekte als Leihgabe in Museen, wobei das Germanische Nationalmuseum 16 Handwerke übernahm: die Feilenhauer, Gürtler, Huf- und Waffenschmiede, die Schreiner, Glaser, Tuchbereiter, Scheibenzieher, Leonischen Drahtzieher, Rotgießer, Drechsler, Hutmacher, Kammmacher, Kupferschmiede, Posamentierer, Zimmerleute und Zinngießer (S. 27). Im Lauf der folgenden Jahre wurde die Sammlung durch Ankäufe erweitert. Die Autorin geht an dieser Stelle auf einige bedeutende Schenkungen und Stiftungen ein und rekonstruiert deren Aufstellungsorte im Museum. Nach der Einlagerung im Depot verblieben die „Zunftaltertümer“ auch lange nach dem Zweiten Weltkrieg noch dort. Erst 1977 fanden sie im Obergeschoss über dem Nordflügel des großen Kreuzgangs einen neuen Ausstellungsort. Heute umfasst die Sammlung 3.000 bis 3.500 Gegenstände und ist damit eine der größten im deutschsprachigen Raum (S. 32). Neben den „Zunftrequisiten“, denen sich der Band widmet, fallen darunter die Werkzeuge und erhaltene Werkstatteinrichtungen. Das Kapitel abschließend fasst die Autorin den Aufbau des folgenden Bestandskatalogs zusammen, was dessen Nutzung sehr übersichtlich und damit einfach gestaltet.

Den größten Teil des Bands nimmt – naturgemäß – der Katalog ein, der sich in 14 Handwerke untergliedert. Den Objekten vorangestellt findet sich jeweils ein ausführlicher, einführender Textteil, der „Handwerkskooperationen und ihre Berufsbilder, Rituale und Lebensbilder“ (S. 8) vorstellt. Durch die Kontextualisierung der Objekte anhand der archivalischen Quellen entsteht ein lebendiger und detaillierter Einblick in die einzelnen Berufe und ihre historische Entwicklung. „Darüber hinaus wird mithilfe von vor allem Schrift-, aber auch Bildquellen der Versuch unternommen, nicht musealisierte Gegenstände zu rekonstruieren und damit ein etwas konkreteres Bild der ursprünglich vorhandenen Requisitenbestände zu gewinnen“ (S. 32). Im Anschluss an jedes dieser einführenden Kapitel listet die Autorin die verwendeten Quellen aus dem Stadtarchiv und dem Historischen Archiv des Germanischen Nationalmuseums auf, was weitere Forschungen anregt und erleichtert. Der Katalogteil umfasst viele unterschiedliche Objekte, die das Korporationswesen begleiteten. Er enthält zahlreiche und qualitativ hochwertige Farbabbildungen, darunter einmaliges und aus aktueller Forschung am Museum hervorgegangenes Material wie Röntgenbilder (z.B. Kat. Nr. 39). Die einzelnen Katalogeinträge sind auch bei zunächst unscheinbar wirkenden Objekten ausführlich und geben viele kulturhistorische Kontextinformationen, was die Lektüre des Katalogs sehr abwechslungsreich und zugänglich macht. Besonders erfreulich sind die umfangreichen Angaben der Werkstoffe, aus denen die Objekte bestehen.

Im Anschluss an die 14 Handwerke widmet sich ein letztes Katalogkapitel den stark beschädigten und sehr fragilen Kostümen und Fahnen der Handwerke. Hier nimmt die Autorin zusätzlich Textilien derjenigen Handwerke auf, die aufgrund einer zu geringen Anzahl ihnen zuzurechnender Objekte (weniger als drei Objekte aus einem Handwerk) nicht Teil des Katalogs sind. Im Anhang listet Keller diese nicht behandelten Handwerke und ihre Objekte kurz auf. Darunter finden sich auch die für die Stadt so bedeutenden Rotschmiede und -gießer und weitere 10 Handwerke mit insgesamt 17 Objekten. Aufgrund der geringen Zahl und der Bedeutung dieser Handwerke für ein historisches Verständnis des Nürnberger Korporationswesens hätte man sich gewünscht, dass diese ebenfalls Teil des Katalogs geworden wären (etwa „2 blecherne Herbergschilde […], die das Germanische Nationalmuseum 1907 als Depositum der Rot- und Glockengießerinnung Nürnberg erhielt“, S. 33, Hervorhebung im Original). Gleichzeitig ist ersichtlich, dass die Autorin die Arbeit, die sie zur detaillierten Vorstellung der behandelten Handwerke geleistet hat, nicht auch für die 10 verbleibenden Handwerke hätte umsetzen können.

Der Bedeutung des vorliegenden Bands tut dies jedoch keinen Abbruch. Durch die sehr übersichtliche Gestaltung und Gliederung ist er nicht nur sehr gut als Katalog zu nutzen, sondern zugleich, um sich ein detailliertes Bild von den Metall verarbeitenden Handwerken in Nürnberg in der Frühen Neuzeit zu machen. Dem erstarkenden Interesse der Geisteswissenschaften an Materialien und Techniken kommt die Publikation von Anke Keller somit sehr entgegen.