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Sigrid Oehler-Klein (Bearb.)
Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern (1314-1347). Die Urkunden aus den Archiven und Bibliotheken Hessens
(Regesta Imperii VII. Die Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern [1314-1347] 13), Köln 2023, Böhlau, LVIII, 564 Seiten
Rezensiert von J. Friedrich Battenberg
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 18.10.2024
Das seit einiger Zeit von Michael Menzel betreute Projekt der „Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern“ (nach der alten Zählung der „Regesta Imperii“ Band VII) konnte mit dem nun vorliegenden 13. Band (trotz des Umfangs immer noch als „Heft“ bezeichnet) ein gutes Stück vorangetrieben werden. Erfasst wurden die staatlichen und relevanten kommunalen bzw. privaten Archive und Bibliotheken aus dem Bereich des heutigen Bundeslandes Hessen. Am ertragreichsten waren dabei die im Staatsarchiv Darmstadt (heute Abteilung des Landesarchivs Hessen) ermittelten Urkunden und Urkundenabschriften – nicht weiter verwunderlich, da in den dortigen, vor allem die ehemals großherzoglichen Provinzen Starkenburg, Oberhessen und Rheinhessen betreffenden Archivbeständen die (nach der Terminologie Peter Moraws) „königsnahen Landschaften“ erfasst sind, also diejenigen Regionen, in denen der römisch-deutsche Kaiser im Mittelalter seine machtpolitischen Schwerpunkte hatte. Die meisten darauf bezüglichen Urkunden hatte der Rezensent dieser Zeilen in seiner Zeit als Referent und Leiter dieses Archivs bereits ermittelt und inventarisiert. Daneben waren auch die staatlichen Archive in Marburg und Wiesbaden sowie das Institut für Stadtgeschichte in Frankfurt mit wichtigen urkundlichen und kopialen Überlieferungen relevant, sowie die Ysenburgischen/Isenburgischen Archive in Büdingen und Birstein.
Die Bearbeiterin konnte außer an die teilweise durch Tiefenerschließung gut bekannten Vorlagen in den meisten Fällen auch an die durch die hessenweite digitale Datenbank „Arcinsys“ öffentlich zugänglichen Inventare anknüpfen. Die Urkunden über Streitentscheidungen Ludwigs sowie über seine Gerichtsstandsprivilegien sind außerdem durch die vom Rezensenten veröffentlichten Regesten (besonders Band 5 der „Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451“, 1987) und einige darauf beruhende Studien der einschlägigen (rechts-)historischen Forschung wohlbekannt. Das Verdienst der vorliegenden Publikation liegt also, wie schon bei den anderen 12 „Heften“ des Projekts der „Regesta Imperii VII“, darin, alle die bisher an verschiedener Stelle publizierten bzw. edierten Urkunden nach ihren Lagerorten erfasst und durch weitere Überlieferungen ergänzt zu haben. So konnten die in Hessen nachweisbaren Überlieferungen von 774 Ludwig-Urkunden präsentiert werden, wobei 230 Stücke davon in anderen Bundesländern mit älteren Überlieferungen nachweisbar sind; in diesen letzteren Fällen, die in anderen „Heften“ der Reihe mit Vollregesten präsentiert wurden bzw. noch werden, konnte sich die Bearbeiterin auf Kurzregesten beschränken. Weniger als 400 Originalurkunden konnten in hessischen Urkundenbeständen nachgewiesen werden (davon eine Urkunde nur noch nach einem Foto des verlorenen Originals), die übrigen nach zeitgenössischen oder wenig späteren Kopien einschließlich Inserten, sowie knapp 50 Stücke lediglich noch als Deperdita, die durch Hinweise in anderen Urkunden erschlossen werden konnten.
In einer ungewöhnlich umfangreichen, etwa 50 Seiten umfassenden Einleitung hat die Bearbeiterin versucht, die über 400 Seiten umfassende Sammlung von 774 Regesten nach formal-statistischen und inhaltlichen Gesichtspunkten zu erschließen und hinsichtlich der Bedeutung für die Politik Ludwigs des Bayern zu bewerten. Dass die ermittelten Urkunden ihrem Inhalt nach weit über den Raum des Bundeslandes Hessen hinausgehen, war zu erwarten. Betroffen waren neben dem kurmainzischen und kurpfälzischen Einflussraum Rheinhessen auch das heutige bayerische Franken sowie Baden-Württemberg, vor allem mit der vormals zum Großherzogtum zählenden Reichsstadt Wimpfen. Wie die Bearbeiterin mit Recht feststellt (S. XXI), war für Ludwig vor allem die Region der Wetterauer Reichsstädte (damals Königliche Städte) und Reichsburgen, der Grafen von Katzenelnbogen, Landgrafen von Hessen, Grafen von Nassau und Isenburg sowie der Herren von Eppstein und Hanau von immenser Bedeutung im Kontext der reichspolitisch wichtigen Konsolidierung seiner Reichsherrschaft. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung war in diesem Zusammenhang der – in der Forschung weniger bekannte – Fränkische Landfrieden vom Dezember 1332 (Regest 391) sowie das vieldiskutierte Dreieicher Wildbannweistum von 1338 (Regest 555). Dass Ludwig in seinen Urkunden vor allem auf Anfragen bzw. Klagen von Bürgern und Adligen (jeweils etwas über 40 Prozent der Urkunden) reagierte, aber nur mit 16 Prozent seiner Urkunden die Geistlichkeit bedachte, mag ungewöhnlich erscheinen. Durch die Kurmainzer Überlieferung in Würzburg dürfte sich dieses Bild noch korrigieren. Die Bemerkungen der Bearbeiterin zur Königskanzlei beruhen vor allem auf den Forschungen von Helmut Bansa und Peter Moraw. Die unabhängig davon agierende Hofgerichtskanzlei wurde dagegen nicht thematisiert, obwohl drei der hier tätigen „Hofschreiber“ dieser Zeit namentlich bekannt sind (dazu F. Battenberg, Urkundenregesten, Band 5, s.o., S. XIX-XXI).
Nach archivtechnischen Gesichtspunkten sind die Regesten korrekt und allgemein verständlich formuliert und aufgebaut. Neben den ermittelten Lagerorten wurden auch Regesten und Editionen mitgeteilt sowie auf etwa vorhandene Forschungsliteratur in den Anmerkungen hingewiesen. Benutzte Quellen und Literatur wurden in einem knapp 50-seitigen Verzeichnis nachgewiesen. Empfänger(-Gruppen) wurden in einem ersten Register zusammengestellt, ein zweites Register erfasst neben Orten und Personen erfreulicherweise Sachbetreffe. Damit liegen für die Einzelforschung hervorragende Benutzungsinstrumente vor, die einen schnellen Zugriff auf die Themen und Schwerpunkte des urkundlichen Materials ermöglichen. Beispielhaft seien nur die Stichpunkte „Gerichte“ und „Juden“ genannt, die einen leichten Zugang zu den Problemen ludowicianischer Juden- und Streitschlichtungspolitik ermöglichen (z.B. „Goldener [Opfer]Pfennig“, Schlichtungen). Somit kann für diesen Band attestiert werden, dass er für weitere Forschungen zur Politik Ludwigs des Bayern, auch für den fränkisch-bayerischen Raum, eine ausgezeichnete Grundlage bietet.