Aktuelle Rezensionen
Roman Zehetmayer/Sonja Lessacher/Günter Marian/Ronald K. Salzer/Dagmar Weltin-Huber (Hg.)
Niederösterreichisches Urkundenbuch. Vierter Band (1182-1205)
(Publikationen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung VIII/4), St. Pölten 2023, Niederösterreichisches Institut für Landeskunde, 847 Seiten
Rezensiert von Dieter J. Weiß
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 06.11.2024
Nur 15 Jahre nach dem Erscheinen des ersten, zehn Jahre nach dem zweiten und sechs Jahre nach dem dritten Band kann bereits der vierte Band des Niederösterreichischen Urkundenbuchs angezeigt werden. Er enthält 319 Niederösterreich betreffende Urkunden beziehungsweise Diplome mit der Nennung niederösterreichischer Personen (davon 217 Siegelurkunden), Traditionsnotizen und Briefe. Dabei umfaßt er die Zeit von 1182, dem Todesjahr Alberos (III.) von Kuenring, bis zum Jahr 1205, wofür pragmatische Gründe verantwortlich sind. Nur vier der Urkunden – darunter eine Bischof Wolfgers von Passau für Kloster Formbach (194) – waren bisher nicht ediert. Die anderen Urkunden liegen zwar bereits im Druck vor, aber teils in veralteten oder nur schwer greifbaren Werken.
Die Textedition orientiert sich offenbar an den bewährten Prinzipien der Monumenta Germaniae Historica. Sie bietet jeweils ein Kopfregest, Angaben zum Original und zur Überlieferung sowie den Volltext. Lediglich bei einigen Stücken, die nur am Rande mit Niederösterreich zu tun haben, wurden Kürzungen vorgenommen. Anders als die MGH oder andere Urkundenbücher verzichtet sie aber auf eine chronologische Reihung. Die einzelnen Urkunden sind in 23 Gruppen zusammengefaßt und innerhalb dieser chronologisch numeriert. Es handelt sich dabei offenbar um inhaltlich zusammengehörige Stücke, die allerdings keine Überschrift erhalten, so daß sich der Zusammenhang nicht unmittelbar erschließt. Dadurch wird die ansonsten übliche chronologische Reihung von Urkundenbüchern durchbrochen, die allerdings über eine einleitende Konkordanz rekonstruierbar ist. Wenn man die früheren Bände des Niederösterreichischen Urkundenbuchs nicht parat hat, muß der Benutzer sich diese Zusammenhänge selbst erschließen. Der Vorteil ist, daß mit der Kommentierung nach den 23 Sachgruppen wichtige Bausteine für eine Geschichte Niederösterreichs unmittelbar aus den Quellen heraus entstehen. In diesem Zusammenhang stehen auch vier eigens angefertigte instruktive Landkarten zur Verfügung. Handschriften mit kopialer Überlieferung werden in einem eigenen Abschnitt kommentiert. Ausführliche Personen- und Ortsnamenregister (100 Seiten zweispaltig) und ein Wort- und Sachverzeichnis erschließen den Band.
Der inhaltliche Schwerpunkt liegt bei Adelsfamilien, wobei die bei Hofe wie bei der Besiedlung des Waldviertels führenden Kuenringer im Mittelpunkt stehen. Sowohl die Familiengeschichten der auftretenden Grafen- und Adelsfamilien wie rechts- und verfassungsgeschichtliche Entwicklungen werden eigens in den instruktiven Kommentaren behandelt. In den Urkunden finden sich auch Angaben zur Entstehung von Städten wie zu Neugründungen von Pfarren. Einigen Quellen kann man Angaben zur Sozialgeschichte der bäuerlichen Bevölkerung entnehmen. Die 99 Traditionsnotizen stammen meist aus der Zisterze Heiligenkreuz, während die entsprechenden Bestände von Göttweig und Klosterneuburg bereits in eigenen Bänden ediert sind. Mit 34 Exemplaren entfallen knapp zehn Prozent des Bandes auf Papsturkunden. Fast doppelt so hoch ist die Zahl der landesherrlichen Urkunden der Babenberger mit 62 Diplomen, an deren Abfassung namentlich bekannte Notare beteiligt waren.
Es ist zweifellos eine große Arbeitsleistung der Editoren, in rascher Folge vier Bände des Niederösterreichischen Urkundenbuchs vorgelegt und damit die Quellen in mustergültiger Weise erschlossen und kommentiert zu haben. Man kann nur wünschen, daß es zu einer Fortsetzung dieser nicht nur für Niederösterreich, sondern auch für Bayern – etwa im Hinblick auf die Besitzungen mehrerer Klöster – wichtigen Edition kommen wird.