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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Daniel Richter

Die Schweden kommen. Stadteroberungen als soziale Praxis im Dreißigjährigen Krieg (1630–1632)

Hannover 2023, Wehrhahn, 528 Seiten, 19 Schwarz-Weiß-Abbildungen


Rezensiert von Winfried Romberg
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 27.11.2024

Die historische Dissertation (Göttingen 2022) erschließt die performativen Dimensionen kriegerischer Gewalt am Beispiel der Stadteroberungen des schwedischen Königs Gustav II. Adolf. Weit über rein militärisch-funktionale Aspekte hinaus nimmt der Autor die diesbezügliche mediale und kommunikative Praxis in den Blick hinsichtlich der Skalierung und symbolhaften Konnotation des Gewaltgeschehens an sich (Methodik und Quellen, S. 7-34). Um Städte in die eigene Hand zu bekommen, griff Schweden im jeweiligen Falle zu genau abgewogenen Dosierungen und ritualisierten Ausdrucksformen von Handlungswillen und tatsächlicher Anwendung von Waffengewalt. Das Spektrum reichte hierbei vom demonstrativen Aufmarsch der eigenen Übermacht vor den Mauern als einschüchternder Drohung (S. 102-130) und weiterhin über Kapitulationsverhandlungen mit den militärischen Verteidigern und städtischen Ratsvertretern (S. 153-195), um günstigstenfalls eine Stadt ohne Pulver und Blei einzunehmen (z.B. München, S. 128-130). Äußerstes Mittel im Weigerungsfalle blieben Belagerung und blutiger Sturm (S. 130-153, 246-288). Nachfolgend wurden diese urbanen Erwerbungen als materielle und administrative Versorgungsbasen genutzt (S. 289-353, 431-453). So erschien Gustav Adolf aufgrund seiner raschen Eroberungen – und insbesondere hinsichtlich der zuvor von kaiserlich-ligistischer Seite im Dänischen Krieg (1625/26-1629) besetzten Städte Norddeutschlands – als regelrechter Befreier. Gleichwohl stellte Schweden im objektiven Sinne eine fremde Macht dar und forderte auch von freundlich gesinnten Städten den Besatzungstribut zumeist kaum weniger unerbittlich ein (S. 333-353). Dergleichen Dialektiken propagandistisch überspielend, konstruierte die damalige Flugblattpublizistik freilich die suggestive, dem König vorauseilende Fama des politischen und religiösen Retters des Protestantismus (S. 45-57 mit Abb. 1-19). Auf Ebene der Meinungsbildung nährte sich auf diese Weise der Erfolg quasi von selbst durch Bestärkung der eigenen, durchweg neugläubigen Klientel im Reich und der moralischen Verunsicherung des Gegners. Im weiteren, nicht minder wichtigen Symbolgehalt illustrierte Gustav Adolfs Inbesitznahme einer katholischen Residenzstadt das wohl größte und deutlichste Zeiten des Triumphs (S. 354-384). Gleiches galt für die auf nämlicher Klaviatur spielende Konfessionspolitik der schwedischen Eroberer, die aus politischem und propagandistischem Kalkül gegenüber katholischen Stadtbevölkerungen sogar zu Formen der Duldung bereit war, ohne zwingend zu deren Protestantisierung zu schreiten (S. 385-430). In dieser aufschlussreichen und quellennahen Untersuchung wird damit erstmals in vergleichender Zusammenschau und analytischer Aufbereitung dieses militärisch-urbane Gesamtgeschehen als eines der epochentypischen Kennzeichen des Dreißigjährigen Krieges behandelt (vgl. S. 9 f.).