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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Günther Moosbauer/Veronika Fischer

Römer und frühe Baiern in Straubing. Archäologie – Geschichte – Topographie

Regensburg 2022, Friedrich Pustet, 248 Seiten, zahlreiche Abbildungen


Rezensiert von Marcus Zagermann
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 24.02.2025

Straubing, das antike Sorviodurum, war während der Römerzeit ein wichtiger Militärplatz, Standort mehrerer Truppenlager mit zugehörigen Zivilsiedlungen und umgeben von zahlreichen Gutshöfen im fruchtbaren Gäuboden. Auch während der Spätantike und ins frühe Mittelalter hinein war der Ort bedeutend und ist dadurch ein entscheidender Baustein in der Diskussion um das Ende der römischen Verwaltung in Raetien und die Entstehung der Baiovaren. Seit 2021 ist Straubing Stätte des Unesco-Welterbes als Teil der „Grenzen des Römischen Reiches: Donaulimes (westlicher Abschnitt)“.

Diese vielversprechende Ausgangslage, verbunden mit einer weit zurückreichenden regen archäologischen Grabungs- und Forschungstätigkeit sowie der Strahlkraft des bekannten Gäubodenmuseums, war Anlass für den vorliegenden Führer. Er stellt den Katalog der römerzeitlichen Abteilung des Gäubodenmuseums dar, wobei es sich um keine einfache Auflistung von ausgestellten Objekten in den Vitrinen handelt. Vielmehr bietet das Buch einen spannenden Stand der Dinge zur Erforschung des römischen Straubings und ist als Lesebuch konzipiert. Veronika Fischer und Günther Moosbauer sind ausgewiesene Experten der römischen Militärgeschichte Raetiens im allgemeinen und Straubings im Besonderen und daher prädestiniert als Autorenduo. Der Grundstock der Texte stammt von Günther Moosbauer, Veronika Fischer lieferte verschiedene Beiträge, darunter eine Zusammenfassung ihrer Dissertation zum Thema des Ostkastells III von Straubing.

Der Band richtet sich an ein recht weites Publikum: Studierende und Fachleute finden hier einen wertvollen Überblick und idealen Einstieg in die Materie Straubing und Donaulimes. Besucher des Gäubodenmuseums und andere Interessierte lässt das Buch Eindrücke vertiefen und manches Detail nachlesen, wenngleich die Texte durchaus gewisse Grundkenntnisse verlangen. Nicht zuletzt sind Straubinger Bürger eine Zielgruppe, denn das Werk vermittelt nachvollziehbar die bayernweit herausragende Bedeutung Straubings als archäologischer Fundplatz, worauf man vor Ort zu Recht stolz ist.

Zwei große Abschnitte bestimmen das Buch: Nach den Vorworten widmen sich die Seiten 24 bis 186 der Römerzeit bis in die Zeit um 400. Auf den Seiten 187 bis 242 wird die weitere Entwicklung ins Frühmittelalter hinein vorgestellt, bis hin zur Altstadt als Vorläufer des heutigen Straubing. Der thematisch-chronologische Aufbau folgt einem bewährten Schema, die Verwendung als Museumskatalog, der dem Ausstellungsaufbau folgt, führte zu einigen auf den ersten Blick etwas überraschend platzierten thematischen Einschüben. Jedem Abschnitt ist ein reicher Literaturapparat angehängt, über den sich gerade Fachleute freuen dürften, während gleichzeitig auf Fußnoten verzichtet wurde.

Innerhalb weiter gefasster zeitlicher Abschnitte (Okkupation, claudisch-neronische und flavische bis antoninische Zeit) werden zunächst die in Straubing und Umgebung getätigten militärischen Befunde und Funde eingeordnet und in größere Zusammenhänge gesetzt (S. 27–68). Bestimmte Fundstellen werden im laufenden Text mehrfach genannt, nicht alle Leser werden unmittelbar eine Vorstellung haben, wo genau man sich befindet. Eine Orientierungshilfe bieten daher mehrere Pläne mit Eintragung wichtiger Fundstellen. Im Bucheinband werden innen die römischen Befunde präsentiert, dort lässt sich der Lagebezug der einzelnen Straßen, Lager und Gräberfelder gut erkennen, ergänzend sind die Abb. 78 und 79 auf Seite 86 zu empfehlen. Für die Spätantike und das Frühmittelalter entscheidend ist die Abb. 262 auf Seite 192. Hier finden sich alle wichtigen Fundstellen eingetragen, was für das Verständnis des Textes sehr wichtig ist, denn es handelt sich mitunter um einzelne Grabfunde oder Orte, die deutlich außerhalb des Stadtgebietes liegen.

Während aus der Okkupationszeit offenbar als Altstücke anzusprechende Einzelfunde aus Straubing existieren, spricht indes einiges für die Präsenz einer militärischen Besatzung in claudisch-neronischer Zeit. Lokalisiert wird ein zugehöriger Posten in Straubing-St. Peter, der im Zusammenhang mit dem Ausbau der Donausüdtraße und des Flussweges gestanden haben dürfte. Ab flavischer Zeit wurde Straubing dann zu einem entscheidenden Militärplatz in Ostraetien. Der Band fasst die Entwicklung sehr gut zusammen, vor allem gewährt er einen schnellen Überblick über die zeitliche Abfolge der verschiedenen Straubinger Lager, deren topografisch-numerische Bezeichnungen, vergeben nach dem Zeitpunkt der Entdeckung (z.B. Ostkastell II, Westkastell IV bzw. Kastelle I–IV) für Außenstehende oder Beginner schnell verwirrend sein können. Neben den Ausführungen im Text sind hier vor allem der Zeitstrahl im Anhang ab Seite 243 und die Tabelle auf Seite 37 hilfreich. So wird deutlich, dass zunächst das erste Westkastell (Kastell IV) und ein militärischer Donauhafen entstanden sind. Kurz darauf wurde mit dem ersten Ostkastell (Kastell I) das militärische Potential noch einmal deutlich verstärkt. Auf den Seiten 54 bis 67 wird das wichtige Ostkastell III von Veronika Fischer präsentiert. Das gut 3 Hektar große Lager erbaute und bezog um die Mitte des 2. Jahrhunderts eine 1.000 Mann starke Kohorte von hochspezialisierten Bogenschützen (cohors I Flavia Canathenorum milliaria sagittariorum), die zuvor in Regensburg-Kumpfmühl stationiert gewesen war. Sein Ende fand das Lager wohl gleichzeitig mit der Zivilsiedlung um die Mitte des 3. Jahrhunderts in einer Brandkatastrophe. Vieles spricht für einen Zusammenhang mit dem Ende des raetischen Limes im Jahr 254 im Zuge eines verheerenden kriegerischen Angriffs.

Nach diesem Überblick folgen Abschnitte zu den in Straubing stationierten Einheiten und deren militärischem Alltag anhand einschlägigen Fundmaterials (S. 69–78), Nachweise von Übungslagern (S. 79–81) sowie kleinere Abschnitte, die Details aus der Dauerausstellung vorstellen. Die Seiten 84 bis 126 sind der zivilen Besiedlung gewidmet. Circa 35 Hektar groß war die Zivilsiedlung, die sich rund um die Militärlager entwickelte und die auch das Areal des im späten 2. Jahrhundert aufgegebenen Westkastells überbaute. Für die Militärplätze an der Nordgrenze des Reiches war das ganz typisch und so entwickelte sich eine Symbiose mit Handel, Handwerk und Dienstleistungen, von denen die militärische Garnison und die Leute aus der umgebenden Siedlung gegenseitig profitierten. Den Abschluss bildet ein Beitrag zu Heiligtümern und Kulten, wobei im antiken Straubing neben den klassischen römischen Gottheiten auch orientalische Erlösungskulte praktiziert wurden. Es schließen sich kurze Abschnitte zu den Gräberfeldern (S. 127–136) sowie zur ländlichen Besiedlung (S. 137–143) an. Zahlreiche Gutshöfe in der Region profitierten vom großen Bedarf der Garnison in Straubing an Lebensmitteln und verschiedenen Agrarprodukten.

Das 3. Jahrhundert war für Rom von Herausforderungen geprägt und in die zweite Jahrhunderthälfte fallen das Ende des Limes und die Aufgabe der Provinzgebiete nördlich der Donau. Verwahrfunde (Hortfunde, Schatzfunde) sind ein besonderes Phänomen dieser Zeit und aus Straubing stammen wichtige Vertreter dieser Fundgattung. Diese mitunter lang bekannten Ensembles werden ausführlich mit teils neuen Erkenntnissen präsentiert (S. 145–175). Besonders der so genannte Schatzfund von Straubing ist hier zu erwähnen, denn er besteht unter anderem aus repräsentativer Militärausrüstung, die teilweise Besitzerinschriften trägt, sowie aus bronzenen Götterstatuetten, wohl aus einem privaten Hausheiligtum.

Schwer zu bewerten bleibt die Zeit zwischen dem Ende von Ostkastell und Zivilsiedlung und der im späten 3. Jahrhundert neu entstehenden spätantiken Festung bei St. Peter. Von dieser Anlage ist noch wenig bekannt, es kann aber eine Lebenszeit bis ins 5. Jahrhundert hinein vorgeschlagen werden, auch eine Zerstörung mit anschließendem Neuaufbau im frühen 4. Jahrhundert ist wahrscheinlich. Wichtig sind die Gräberfelder dieser Zeit: die beiden Azlburger Friedhöfe mit Körpergräbern auch der Zeit um 300 sowie das Brandgräberfeld von Friedenhain, im nördlichen Vorfeld Straubings. Letzteres war namengebend für die Friedenhain-Keramik, die eine wichtige Rolle spielte in der Diskussion um die Entstehung der Baiovaren. In der Literatur zum betreffenden Abschnitt finden sich die aktuellen Beiträge zur kontroversen Diskussion um diesen Fragenkomplex.

Ab Seite 187 handelt das Buch von der neu eingerichteten Abteilung „Baiern gefunden!“. Die wichtigen Gräberfelder Straubing-Bajuwarenstraße und Alburg werden dabei vorgestellt und man erfährt dabei auch Methodisches zur Untersuchung frühmittelalterlicher Friedhöfe. Entgegen der zurückhaltenden Bewertung der Friedenhain-Keramik werden hier bestimmte Elemente des Sachgutes ethnisch interpretiert (fränkisch, langobardisch, ostgotisch). Bemerkenswert ist der Nachweis frühmittelalterlicher Siedlungsstrukturen, da nach wie vor die Gräberarchäologie diese Zeitstufe stark dominiert.

Resümierend kann der vorliegende Band als gut lesbarer Forschungsstand zum römischen und frühmittelalterlichen Straubing bezeichnet werden, der einen Museumsbesuch vertieft und abrundet oder Interessierten einen konzisen Überblick erlaubt. Klar wird außerdem, dass Straubing und sein Umfeld nach wie vor mit äußerst wichtigen Befunden aufwarten, die immer noch einer ausführlichen Analyse und Vorlage harren. Wie groß das Potential ist, zeigt der Erkenntnisgewinn, der im Beitrag zum Ostkastell III vorgestellt wird. Gleiches ist beispielsweise von der systematischen Durcharbeitung der späteren Gräberfelder zu erwarten. Aber auch im Boden liegt noch einiges verborgen und jeder Aufschluss kann hier Ergebnisse von weit überregionaler Bedeutung erbringen.