Aktuelle Rezensionen
Kurt Andermann/Ulrich A. Wien (Hg.)
Begegnungsraum Stadt. Bürger, Adel, Geistlichkeit. Landau in der Vormoderne
(Forschungen zur Pfälzischen Landesgeschichte, Bd. 3); Ubstadt-Weiher u.a. 2023, Verlag Regionalkultur, VII, 149 Seiten, 34 Abbildungen
Rezensiert von Hans Ammerich
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 24.02.2025
Der von Franz von Sickingen einberufene Rittertag vom 13. August 1522 in Landau/Pfalz bot den Anlass dazu, die Geschehnisse vor 500 Jahren in einer am 29. und 30. September 2022 von der Bezirksgruppe Landau des Historischen Vereins der Pfalz angeregten Tagung kritisch zu betrachten und unter dem Titel „Begegnungsraum Stadt in der Vormoderne“ eingehend zu würdigen. Die Ergebnisse dieser Tagung wurden im vorliegenden Band veröffentlicht, der die sechs gehaltenen Vorträge und eine sie kommentierende Zusammenfassung („Landau um 1500 – Ein Panorama“) von Jörg Peltzer enthält.
Die Reichsstadt Landau in der Pfalz erlangte 1511 durch die Auslösung aus der Verpfändung an das Hochstift Speyer ihre reichsstädtische Libertät zurück und schloss sich zehn Jahre später dem elsässischen Zehnstädtebund, der „Dekapolis“, an. Kurz danach wurde Landau für rund 600 aus dem gesamten südwestdeutschen Raum angereiste Ritter zum Konferenz- und Begegnungsort. Dort gründeten sie den Landauer Bund. Auf sechs Jahre geplant, bestand dieser Bund aber nur sehr kurz. Franz von Sickingen, der den Landauer Rittertag einberief, war der Hauptschuldige am Scheitern des Ritterbundes. Die „Trierer Fehde“, der Kampf gegen den Trierer Kurfürsten und Erzbischof Richard von Greiffenclau, zu der Sickingen von Landau aus zwei Wochen nach dem Rittertag aufbrach, endete für ihn in einer Katastrophe und führte im folgenden Jahr (1523) zu seinem Tod auf seiner Burg Nanstein über Landstuhl. Damit hatte der Ritterbund seinen in Landau gewählten Hauptmann und seine wichtigste politische Persönlichkeit verloren. Der in Landau geschlossene Bund löste sich bald auf.
Nach einem Vorwort der Herausgeber Kurt Andermann und Ulrich A. Wien, die zugleich als Organisatoren der Tagung fungierten, beschäftigt sich Martina Stercken mit der Topographie der Reichsstadt Landau. Dies geschieht anhand eines Vergleichs von Landaus frühester Beschreibung und graphischer Darstellung in gedruckten Städtebüchern, nämlich von Sebastian Münsters „Cosmographie“ von 1544, mit der hundert Jahre später erschienenen „Topographia Alsatiae“ des Matthäus Merian.
Benjamin Müsegades betrachtet die Innen- und Außenbeziehungen Landaus im späten Mittelalter. Im Vordergrund steht dabei das Verhältnis der Reichsstadt zum bischöflichen Pfandherrn von 1324 bis 1511 sowie zu den wichtigsten geistlichen Institutionen in der Stadt, dem Kloster (seit 1483 Stift) der Steigerherren und dem Kloster der Augustinereremiten. Gerhard Fouquet stellt – ausgehend von der Landau 1274 durch König Rudolf von Habsburg zusammen mit dem Hagenauer Stadtrecht verliehenen Marktfreiheit – anhand der Begriffe „Markt, Kaufhaus, Messe, Menschen“ die wirtschaftlichen Verflechtungen der Reichsstadt im Spätmittelalter und im 16. Jahrhundert dar. Die Landauer Kaufmannsfamilie Boner weitete ihre Handelsbeziehungen bis nach Polen aus. Hans Boner erwarb das Krakauer Bürgerrecht und stieg zum Hoflieferanten und Bankier der polnischen Könige auf.
In seinem instruktiven Beitrag zur Bedeutung des Landauer Rittertags wendet sich Kurt Andermann deutlich gegen frühere Forschungsmeinungen. So war der Landauer Ritterbund – seinen Recherchen zufolge – weder „mächtig“ noch „demokratisch“. Es gebe auch keine Hinweise auf Sympathien der Ritter für die beginnende Reformation. Der Landauer Rittertag diente auch nicht der Vorbereitung von Sickingens verhängnisvoller Fehde gegen das Erzstift Trier. Der Ritterbund war eine Friedenseinung, mit der die in Verruf geratene Ritterschaft beweisen wollte, „dass sie, die oft nur als Unruhestifter wahrgenommen wurde, zu friedlicher Konfliktregelung sehr wohl in der Lage war, zu eigenständiger friedlicher Konfliktregelung, denn selbstverständlich war damit in allererster Linie intendiert, sich von fremder, als hegemonial wahrgenommener Rechtspflege, wie das Reichskammergericht und die fürstlichen Hofgerichte sie boten, unabhängig zu machen“ (S. 80). Der Text des sogenannten „Bundesbriefs“, der Satzung des Ritterbunds, ist nur als Druck, der noch 1522 bei Heinrich Steiner in Augsburg hergestellt wurde, erhalten; er ist – nach dem Exemplar im Stadtarchiv Landau – in Andermanns Beitrag auf sechs Bildtafeln (S. 70-76) vollständig wiedergegeben.
Eike Wolgast beschreibt die Einführung und Durchführung der Reformation in Landau. Die Anfänge der reformatorischen Bewegung gehen bis 1522 zurück und sind untrennbar mit der Person des Stadtpfarrers Johannes Bader (1487/88-1545) verbunden. Bader war von der Straßburger Theologie, besonders von den Lehren Martin Bucers, beeinflusst. Baders Sakramentenlehre, die Einflüsse von Kaspar Schwenckfelds Theologie in Baders Spätwerk und seine Obrigkeitsauffassung werden ausführlich dargestellt.
Anhand Baders Katechismen, besonders an dem von ihm 1526 verfassten ersten Katechismus in deutscher Sprache, zeigt Athina Lexutt den Beitrag der Bildung zur kulturellen Bedeutung der Reformation auf. Bader war daran interessiert, die Menschen zu erreichen und sie zu bilden. Bildung wird dabei in einem sehr weiten Sinn verstanden. Die eigentliche Bildung – so Lexutt – zeige sich in den Taten und geschehe „weniger im Kopf als in Herz und Händen“ (S. 130); das sei ein wesentlicher Bildungsgrundsatz Baders. Von vornherein setzte Bader darauf, „über ein relativ einfaches Bildungsprogramm, nämlich in Form des Katechismus, selbst Einfluss auf diejenigen zu nehmen, die am vermeintlich einfachsten zu formen sind: die jungen Leute, die nach und nach in den Inhalten des christlichen Glaubens geübter werden sollen“ (S.134).
Über die Erinnerung an den Landauer Rittertag von 1522 hinaus ist durch die Tagung und deren Dokumentation ein differenziertes Bild der Reichsstadt Landau im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit entstanden. Dabei wird Landaus Brücken- und Vermittlungsfunktion zwischen der Vorderpfalz und dem Elsass nach dessen Pfandauslösung herausgestellt. Die einzelnen Beiträge bewegen sich auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau. Sie sind vorzüglich bebildert und werden mit einem geographischen und einem Personenindex erschlossen. Auch für den geschichtlich interessierten Laien sind sie gut verständlich. Die Stadt Landau hat somit einen an Details reichen Band zu ihrer wechselvollen Geschichte auf dem neuesten Forschungsstand erhalten.