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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Günter Berger

Apostel des Friedens. Die Korrespondenz zwischen Wilhelmine von Bayreuth und Voltaire

Berlin 2023, Duncker & Humblot, 104 Seiten


Rezensiert von Andrea Zedler
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 02.04.2025

„Voltaire hat an Adhémar geschrieben; der Brief ist anrührend. Er bittet mich um die Erlaubnis, hierher zu kommen. Ich glaube nicht, dass es aus Liebe zu meinen schönen Augen geschieht, dass er so viel Übereifer zeigt, um mich zu sehen. Er bildet sich vielleicht ein, dass er seine Gnade wiedererlangen wird. Ich werde ihm daraufhin nur antworten, was Sie wollen.“ (Wilhelmine von Bayreuth an Friedrich II., 10. Dezember 1754, [Avignon], in: Briefwechsel der Wilhelmine von Bayreuth, online verfügbar unter URL: quellen.perspectivia.net/de/wilhelmine/77_src [letzter Zugriff: 20. März 2025]).

Diese Zeilen richtet Wilhelmine von Bayreuth im Dezember 1754 während ihrer Frankreichreise an ihren Bruder Friedrich II. Sie erwähnt darin nicht nur ihren langjährigen Briefpartner Voltaire, mit dem sie nachweislich zwischen 1742 und ihrem Lebensende 1758 korrespondierte. Auch Antoine Honneste Marquis d’Adhémar, ein wichtiger Gegenstand ihres Briefverkehrs mit dem französischen Philosophen und Schriftsteller, wird benannt. Zentral für das Verständnis der erhaltenen Briefe der Markgräfin mit dem Aufklärer ist ein Aspekt, der die letzten beiden Sätze prägt. Mit dem „was Sie wollen“ zeigt sich nach dem endgültigen Bruch Friedrichs mit Voltaire (1753) deutlich, dass die Schwester des Königs nicht gänzlich frei in ihrem Handeln war. Als sich Voltaire mehrmals mit der Bitte um Vermittlung bei Friedrich II. an sie wendet, schweigt sie. Sie entspricht damit der Bitte ihres Bruders, die Korrespondenz einzustellen. „Und noch mehr als vier Jahre später ließ Wilhelmine weitere 18 Monate verstreichen, bevor sie nach mehreren vergeblichen Anläufen Voltaires in den letzten Abschnitt ihrer Korrespondenz eintrat“ (S. 8), so der Romanist Günter Berger.

Der Übersetzer, ein ausgewiesener Experte Wilhelmines und ihrer Schriften, verschweigt in diesem Zusammenhang, dass es nach den Bittbriefen zumindest ein persönliches Treffen der beiden in Lyon im Zuge von Wilhelmines Frankreichreise gegeben hatte. Wenn die Briefe – wie Berger es in der Einleitung (S. 1-14) treffend einordnet – als „Fortsetzung der mündlichen höfischen Konversation“ (S. 11) zu verstehen ist, ist dieses Detail aber in Bezug auf Wilhelmines lange briefliche Stille nicht außer Acht zu lassen und hätte zumindest in der Einleitung Erwähnung finden müssen. Weder wird nach dem Treffen die Korrespondenz gleich wieder aufgenommen, noch erfolgt eine weitere Bitte um Vermittlung von Seiten Voltaires. Er greift im Februar 1756 den Schriftwechsel wieder auf, der bis zu Wilhelmines Tod fortgeführt wird und nun verstärkt die Situation rund um den Siebenjährigen Krieg thematisiert.

Die Initiative zur Aufnahme des brieflichen Austauschs war 1741 zunächst von Voltaire ausgegangen und sollte sich zwischen 1750 und 1752 intensivieren. Befeuert wurde die Kommunikation von der Suche nach einem geeigneten Gesellschafter Wilhelmines. Auf Vorschlag des Philosophen sollte der eingangs erwähnte Marquis d’Adhémar den Bayreuther Hof bereichern, doch die Verhandlungen um die Anstellung als Oberkammerherr erstreckten sich über zwei Jahre, was die Briefe eindrücklich belegen. Damit sind sie ein wichtiges Zeugnis für Fragen nach der Akquise von adäquatem Personal innerhalb des Konkurrenzkampfes der Höfe des Reichs. An Marquis d’Adhémar zeigten andere Höfe – auch verwandte wie der Württemberger – Interesse.

Die anzuzeigenden 46 Briefe werden von Berger auf Grundlage der Edition des Briefwechsels von Theodore Bestermann der Voltaire Fondation hier erstmals in deutscher Sprache vorgelegt. Aus der Lektüre erschließt sich die Existenz von mindestens zwölf weiteren Schreiben der Briefpartner. Die Einleitung nimmt eine zeitliche Einordnung der Korrespondenz vor und verweist auf die zentralen Inhalte wie auch auf die unterschiedlichen Rollen der Korrespondenzpartner. Um den Schriftverkehr zu vereinfachen und die Standesunterschiede einzuebnen, griff Wilhelmine hierbei als „Schwester Guillemette“ zu einem Rollenspiel und schrieb ihrem „Bruder Voltaire“ als Teil eines fiktiven Klosterverbands, dem Friedrich II. als Abt vorstand (S. 13). Diese Rolle legte sie mit dem Bruch „ihrer Brüder“ 1753 ab und ließ erst 1757 wieder „eine gewisse Nähe signalisierende Selbstbezeichnung als ‚Freundin‘“ (S. 14) zu.

Die instruktive Einleitung liest sich flüssig und legt pointiert die wesentlichen Informationen dar, lässt aber Punkte zu den editorischen Grundlagen der Ausgabe offen. So äußert sich Berger nicht zu den von ihm angelegten Übersetzungskriterien; ebenso ist unklar, an welchen Stellen und in welchem Umfang er kommentierend die Textstellen erläutert. Als sensibler Kenner von Wilhelmines schriftlicher Hinterlassenschaft wäre es umso interessanter gewesen, über (etwaige) Übersetzungsproblematiken informiert zu werden. Was die Kommentierung betrifft, fragt man sich, warum Berger bei der Personenidentifizierung nicht einheitlich vorging. Der Sänger, der 1751, wie Wilhelmine beklagt, seine Stimme verloren habe (S. 42), wird genauso wenig identifiziert wie Wilhelmines als „Herzog von Württemberg“ erwähnter Schwager Karl Eugen (S. 33), der aber immerhin im den Band abschließenden Personenverzeichnis zu finden ist. Es erschließt sich erst aus der Lektüre, dass offensichtlich nur namentlich erwähnte Personen einen Kommentar erhalten.

Bergers Ausgabe der Briefe stellt eine wichtige Bereicherung und Grundlage für die kulturwissenschaftlich mittlerweile erfreulich breitgewordene Forschung zu Wilhelmine von Bayreuth dar. Sie ergänzt darüber hinaus die kommentierte Briefedition (mit Übersetzung) „Wilhelmine von Bayreuth. Briefe über ihre Reise nach Frankreich und Italien 1754/1755“ des Research Center Sanssouci und seine eigenen Schriften über die Markgräfin in idealer Weise. Mögen weitere Publikationen Bergers das Feld bereichern!