Aktuelle Rezensionen
Gerd Schwerhoff
Auf dem Weg zum Bauernkrieg. Unruhen und Revolten am Beginn des 16. Jahrhunderts
(Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven 43), Tübingen 2024, UVK, 243 Seiten mit Orts- und Personenregister
Rezensiert von Helmut Flachenecker
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 28.04.2025
Rechtzeitig zum Jubiläumsjahr 2025 erschienen, nimmt die Monographie die Vorgeschichte des sog. Bauernkriegs in den Focus. Thematische Schwerpunkte bilden die ländlichen Bewegungen des Bundschuhs sowie des Armen Konrads, die städtischen Proteste zu Beginn der 1510er Jahre, aber auch die Unruhen innerhalb des Niederadels (Fehde contra Landfrieden) sowie die Einflüsse der Reformation auf die vielfältigen sozialen Bewegungen. Regional stehen das Elsass, Oberschwaben und Württemberg im Mittelpunkt, es gibt aber zusätzlich Blicke über diese Regionen hinaus, wie beispielsweise auf die Städte Köln und Mühlhausen/Thüringen, Nürnberg und Zürich.
Nach einer eher angedeuteten Diskussion um die Charakterisierung der Zeit um 1500 als Umbruchszeit geht es dem Autor um die veränderten Grundlagen der Ständegesellschaft, die neuen Herrschaftsstrukturen antwortet. Außerdem steht die seit fast einem Jahrhundert immer wieder verzögerte Reform der Kirche im Focus. Die Ausdifferenzierung der Ständegesellschaften verstärkte sich und die plakativen Begriffe ‚Bauer‘, ‚Bürger‘ und ‚Adeliger‘ simplifizieren eine zunehmend komplexer werdende Situation: Abgrenzungsprozesse und die Herausbildung eines anwachsenden Eigenbewusstseins zeigen ein regional unterschiedliches Bild. Das ursprüngliche Dreiständemodell wurde zusehends ausgehöhlt. Daraus entwickelten sich vermehrt wirtschaftliche Ansprüche spezifischer gesellschaftlicher Gruppen und der Drang nach Partizipation an kommunalen Entscheidungen. Diese Veränderungen wurden zudem durch eine veränderte Landesherrschaft verschärft, die sich durch eine Herrschaftsverdichtung (Verwaltung vor Ort, Steuern, Landesgesetze) neu etablierte, wenn auch die Grenzen von Herrschaftsrechten sich stets überlappten und kaum feste Grenzziehungen erlaubten (wie etwa auch in Franken). Eine Reichsreform konnte nur teilweise erreicht werden, das ‚Alte Reich‘ blieb eher regional denn zentralistisch ausgelegt. Alle diese Veränderungen wurden überwölbt von der Frage nach Kirchenreform und Reformation.
Kritisch werden die Bundschuhbewegungen der Jahre 1493, 1502, 1513 und 1517 (?) gesehen und es wird auf die zahlreichen Quellenprobleme hingewiesen, die bisher gängigen Narrative eines Zusammenhangs der Aufstände wie auch der dominierenden Rolle des Joß Fritz, der nur 1513 wirklich fassbar ist, diskutiert. Deutlich wird die „Kriminalisierung des Untertanenprotests“ durch die entsprechenden Quellennarrative. Ähnliche Probleme zeigen sich beim Armen Konrad, der als eine auf Württemberg konzentrierte Bewegung der Dorf- und Stadtgemeinden nach deren Streben auf Partizipation zu verstehen ist. Eine Verbindung zum Bundschuh zogen die Obrigkeiten, kaum aber die Aufständischen. Es ging der Gemeinde um die Wiederherstellung der alten Ordnung, besonders bei Fragen der Wald- und Weidenutzung, die von gelehrten Juristen, herzoglichen Räten und Amtmännern bzw. Vögten zerstört worden sei. Der Tübinger Vertrag hatte nur wenige Gemeindeforderungen aufgenommen.
Die zahlreichen um 1512/13 im gesamten Reich zu beobachtenden städtischen Unruhen agierten zumeist in dem jeweiligen Mikrokosmos, überwiegend ohne eine Verbindung untereinander. Häufig stand das altetablierte Stadtregiment gegen die Bürgergemeinde und Zünfte sowie aufsteigewillige Bürger und Kaufleute, die (noch) keinen Einfluss auf die Ratsoligarchie hatten. Von Köln bis Kitzingen, von Göttingen bis Schweinfurt sind derartige Bewegungen zu fassen, die zunehmenden städtischen Schulden führten zu einem hohen Steuerdruck, der in Verbindung mit einem Antiklerikalismus die Unruhen befeuerte, wobei offenbleibt, inwieweit diese städtischen Ereignisse ein Ansporn für ländliche Aufrührer waren.
Fehdeführende Niederadelige, seit dem 19. Jahrhundert als Raubritter diffamiert, haben neben wirtschaftlichen auch politische Interessen. Götz von Berlichingen, Franz von Sickingen oder Hans Thomas von Absberg wehrten sich zugleich gegen die zunehmende Herrschaftsverdichtung fürstlicher Herrschaft mit der Gefahr, dass sie von dieser mediatisiert werden sollten.
Diskutiert wird anschließend das weite Thema eines möglichen Zusammenhangs zwischen reformatorischen Ideen und sozialen Unruhen in den Städten und Dörfern. Der Protest gegen klerikale Privilegien (Immunität, Steuerbefreiung u.a.m.) lässt sich schwer in ein gemeinsames System pressen, zu sehr steht der jeweilige „städtische Mikrokosmos“ im Vordergrund. Die dörfliche Autonomie bei Verwaltung und Rechtsprechung wirkte sich auch auf die Pfarreigemeinde aus, da die Unzufriedenheit mit dem seelsorglichen Angebot sich etwa auf eine Verweigerung des Zehnts ausdehnte. Derartige Proteste lassen sich bereits vor der Reformation nachweisen.
Kommt es nun 1525 zu einer kumulativen Verdichtung der zahlreichen und zudem mit unterschiedlichen Intentionen verbundenen Aufstände? Für die Obrigkeiten sah es in manchen Regionen so aus: Zur Rechtfertigung des teilweise harschen Vorgehens im Zuge einer ‚Landfriedenspolitik‘ dämonisierten sie den Bundschuh zu einem Ereignis, das dem tatsächlichen Erkenntnisstand über die einzelnen Bewegungen in keiner Weise entsprach. Der Autor differenziert stark, er weist immer wieder auf die tatsächliche Quellengrundlage hin; er entzieht sich damit zu Recht einfachen und stark generalisierenden Aussagen.