Aktuelle Rezensionen
NORICA. Berichte und Themen aus dem Stadtarchiv Nürnberg 18 (2022), Schwerpunkt: Nürnberg am Wasser
Nürnberg 2022, Stadtarchiv, 144 Seiten, zahlreiche Abbildungen
Rezensiert von Christian Petrzik
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 12.05.2025
Anlässlich des 50. Jahrestags der Gründung des Nürnberger Hafens am heutigen Rhein-Main-Donau-Kanal widmet sich das Stadtarchiv dem Thema „Nürnberg am Wasser“.
Robert Giersch befasst sich in seinem Beitrag „Die Almosmühle und die Heldsche Schraubendrehbank. Zwei Beispiele für die Nutzung der Wasserkraft am Fischbach“ mit dem Betrieb von Mühlen in Nürnberg seit dem Mittelalter. Die Wege des Wassers, insbesondere die Brunnen, Leitungen und Gruben der Nürnberger Waisenhäuser, untersucht Felix Schönrock. Bereits seit dem Mittelalter verfügte Nürnberg über Waisenhäuser für Mädchen und Jungen, denen der Rat der Reichsstadt in den Jahren 1557 und 1560 die Nutzung des östlichen Teils des infolge der Reformation aufgehobenen Barfüßerklosters gestattete. Veranschaulicht werden die Gebäude und die räumliche Situation des „Findelkomplexes“ durch Pläne und Zeichnungen, überwiegend aus den Beständen des Nürnberger Stadtarchivs aus dem 18./19. Jahrhundert. Das explosionsartige Wachstum Nürnbergs durch die Industrialisierung bedingte Hygienemaßnahmen der Stadt, zu denen auch die vier Bedürfnisanstalten zählten, die 1894 in Nürnberg errichtet wurden. Susanne Rieger bietet „Eine kleine Geschichte der Nürnberger Bedürfnisanstalten und Pissoirs“, von denen manche, wie der 1907 errichtete Sandsteinpavillon mit Walmdach am platzartigen Ende der Deutschherrnstraße zur Johannisbrücke, noch heute architektonische Schmuckstücke sind. Annemarie Alice Olaru widmet sich dem „Dutzendteich als Lustort um 1800“, der im Laufe des 19. Jahrhunderts als Freizeitareal zunehmend an Bedeutung gewann und um 1900 eines der bekanntesten und beliebtesten Ausflugsziele Nürnbergs war. Ansichten des Dutzendteiches, überwiegend aus den Kunstsammlungen der Museen der Stadt Nürnberg, verdeutlichen der Leserschaft die Vorstellungen vom Teich als Vergnügungsort in den vergangenen zwei Jahrhunderten.
Mehrere Beiträge nehmen die Nürnberger Schifffahrt in den Blick: „Als Nürnberg aufs Wasser ging“ von Helge Weingärtner vollzieht die Geschichte des Ludwig-Donau-Main-Kanals nach, der 1846 vollendet wurde und in Nürnberg einen Hafen besaß. Dieser erstreckte sich zwischen der heutigen Rothenburger Straße und der Schwabacher Straße sowie zwischen den aktuellen beiden Fahrstrecken des Frankenschnellwegs. Ergänzend zu diesem Beitrag wandelt Thomas Gilgert in seinem Text auf den Spuren des alten Ludwigskanals. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Schiffsverkehr eingestellt, die beschädigten Abschnitte und technischen Anlagen nicht mehr instandgesetzt. Aufgrund der Überbauung in den folgenden Jahrzehnten ist der größte Teil des ehemaligen Ludwigskanals aus der Landschaft verschwunden. Die Geschichte des Nürnberger Hafens vollzieht Maria Horn von der baulichen Planung und Organisation über die Eröffnung am 23. September 1972 bis hin zur offiziellen Einweihung des Personenschifffahrtshafens 2016 nach.
An Nürnbergs maritime Vergangenheit erinnert Michael Kaiser in seinem Beitrag „Drei Kreuzer ‚Nürnberg‘ – die Patenschiffe“: Am 28. August 1906 erfolgte die Schiffstaufe des Kleinen Kreuzers „Nürnberg“, der am 8. Dezember 1914 in der Seeschlacht bei den Falklandinseln unterging. Taufe und Stapellauf des zweiten Kreuzers „Nürnberg“ erfolgten am 14. April 1916. Nach Ende des Ersten Weltkriegs diente er den Briten als Zielschiff, bevor er am 7. Juli 1922 bei der Isle of Wight durch Artilleriebeschuss versenkt wurde. Die Schiffstaufe der dritten und letzten „Nürnberg“ erfolgte am 8. Dezember 1934, dem 20. Jahrestag der Seeschlacht bei den Falklandinseln. Im Zweiten Weltkrieg legte der Kreuzer Minensperren in der Deutschen Bucht, wurde im November 1942 nach Norwegen verlegt und bis Ende Januar 1944 als Kadettenausbildungsschiff verwendet. Die Zeit des Kreuzers als aktives Schiff endete nach dem Zweiten Weltkrieg mit seiner Umbenennung in „Admiral Makarow“ am 13. Januar 1946 und der Eingliederung in die Nordbaltische Flotte am 1. November 1958. 1959 wurde er zerlegt und verschrottet.
Gerhard Jochem befasst sich mit den tragischen Schicksalen der Nürnbergerinnen und Nürnberger 1939 auf dem Emigrantenschiff „Saint Louis“. Es wird davon ausgegangen, dass 254 Vertriebene auf der „St. Louis“ Opfer der Judenverfolgung wurden. Wie Jochem zeigt, haben sich neben den NS-Verantwortlichen auch jene schuldig gemacht, die den Familien die Zuflucht verweigerten. Die Fotografien der im Text genannten Personen tragen dazu bei, das Andenken jener „schwer geprüften Passagiere“ zu bewahren.
Der letzte Beitrag von Thomas Knapp thematisiert den Dammbruch des Kanals bei Katzwang im Jahr 1979, dessen Folgen eine Tote, acht Verletzte, 15 zerstörte Häuser und 20 Millionen Mark Sachschaden waren. Dieses Unglück wurde von den Fotografen des Hochbauamts der Stadt Nürnberg mit über 400 Aufnahmen dokumentiert. Der Bildbestand wird heute im Stadtarchiv Nürnberg verwahrt.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Beiträge ein breites Spektrum des Themas „Nürnberg am Wasser“ behandeln, stets gründlich recherchiert und anhand der einschlägigen Quellen erarbeitet. Die dem Thementeil vorangestellten Berichte bieten, wie es der Hoffnung der Redaktion entspricht, einen guten Einblick in die Arbeit des Stadtarchivs. Den Autorinnen und Autoren gilt der Dank dafür, der Leserschaft die Stadtgeschichte Nürnbergs wieder auf so unterhaltsame, teilweise berührende und stets lehrreiche Art und Weise zugänglich gemacht zu haben.