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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Walter Ackermann

Stoffe und Stoffströme. Bayerns Beitrag zur europäischen Technologiegeschichte

Regensburg 2020, Roderer, 827 Seiten, 22 Abbildungen


Rezensiert von Stephan Deutinger
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 06.06.2025

„Auf keinem Gebiet der bayerischen Geschichte dürften die Wissenslücken so groß, die Vor- und Fehlurteile so zahlreich und gravierend sein wie auf dem der Technikgeschichte.“ Diese auf Textseite 216 etwas versteckte Feststellung könnte man dahingehend zuspitzen, daß auf keinem Gebiet der bayerischen Geschichte eine Überblicksdarstellung derart überfällig ist wie auf diesem. Eine solche unternimmt der im Fach wenig bekannte Autor, der sich indessen, während er als Hochschullehrer jahrzehntelang angehende Ingenieure in das historische Denken einführte, so kontinuierlich mit der Technikgeschichte Bayerns auseinandergesetzt hat wie wohl kein zweiter.

Die Darstellung ist unkonventionell, insofern sie sich zum einen weitgehend auf die Vormoderne beschränkt und zum anderen große Bereiche wie die ganze konstruktive Technik oder die Energetik ausblendet. Stattdessen konzentriert sie sich auf die Gewinnung und Verarbeitung von (Roh-)Stoffen, eine Perspektive, die ihre Begründung letztlich aus einem ökologischen Ansatz erfährt. Dem Autor geht es darum, einer Zeit, die die irdischen Ressourcen hemmungs- und rücksichtslos nutzt und vernutzt, vor Augen zu führen, daß ihr Umgang mit der endlichen materiellen Basis nicht alternativlos ist, indem er aufzeigt, welch große Bandbreite an nachhaltiger Technologie die Menschen im vor- und frühindustriellen Zeitalter nutzten, um ihre materiellen Bedürfnisse zu befriedigen.

Das Spektrum der behandelten Technologien ist riesig, ja umfassend. Es reicht von der Gewinnung und Veredlung der Bodenschätze wie Erz und Salz, aber auch Wasser und Wald über die vielen Handwerke von der Gerberei bis zur Wachszieherei, den Sektor der Nahrungsmitteltechnologie (u.a. Brot, tierische Produkte, Wein, Bier, Gewürze, Zucker, Kartoffeln) bis hin zu den Druck- und Reproduktionsverfahren des beginnenden 19. Jahrhunderts. Im Fokus steht jeweils nicht etwa der technische Superlativ und die Erfindungspriorität, sondern – im Geben wie im Nehmen – tatsächlich „Bayerns Beitrag zur europäischen Technologiegeschichte“. Parallel zu den praktischen Anwendungen wird systematisch die zunehmende Reflexion über das Wesen der Stoffe und ihre Umwandlung verfolgt, mit anderen Worten die Entwicklung von der Alchemie und Goldmacherei zur Chemie als Wissenschaft, beginnend bei Albertus Magnus und endend mit den Laboratorien von Liebig und Baeyer.

All das wird nicht in chronologischer Reihenfolge, sondern in systematischer Anordnung nach den „konkreten Stoffen, Verfahren und Produkten“ (S. 22) dargeboten. Zu jedem Kapitel gehört eine eigene Bibliographie, die die einschlägige, oft entlegene Literatur erschließt. Auf diese Weise erhält das Werk regelrechten Handbuchcharakter.

„Stoffe und Stoffströme“ ist die beeindruckende Syntheseleistung eines einzelnen Autors auf einem wenig bearbeiteten Teilgebiet der bayerischen Geschichte. Indem das Buch den Umgang mit fast jeder Art von Stoffen beleuchtet, bildet es ein überaus nützliches Kompendium praktischen Wissens, das sich für vielfältigste landesgeschichtliche Fragestellungen mit Gewinn heranziehen läßt.