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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Florian Zwießler

Geistliche Fürsten und der Reichstag. Die Hochstifte Bamberg und Würzburg als Akteure der Reichspolitik Mitte des 18. Jahrhunderts

(Bibliothek Altes Reich 41), Berlin/Boston 2023, De Gruyter Oldenbourg, IX, 415 Seiten


Rezensiert von Maria-Elisabeth Brunert
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 20.06.2025

Die Geschichtswissenschaft hat sich bislang kaum mit der Reichstagspolitik der kleinen und mittleren Reichsstände auf dem Immerwährenden Reichstag befasst. Dieses Forschungsdefizit betrifft zumal die mindermächtigen geistlichen Reichsstände. Florian Zwießler hat es mit seiner von Martin Ott und Frank Kleinehagenbrock betreuten Bamberger Dissertation unternommen, diese Forschungslücke zu verkleinern. Sein Forschungsgegenstand sind die einander benachbarten, zeitweise durch Personalunion verbundenen Hochstifte Würzburg und Bamberg. Sie gehörten – nach den Erzstiften – zu den wichtigsten geistlichen Territorien im Reich, wobei Würzburg wirtschaftlich leistungsfähiger war als Bamberg (S. 19).

Zwießler wählt aus akteurszentrierter Perspektive einen multiperspektivischen Ansatz, wobei er mikropolitische, ereignisgeschichtliche, institutionsgeschichtliche, kommunikations- und kulturgeschichtliche Herangehensweisen zu verknüpfen sucht (S. 27–28). Er hat in großem Umfang ungedrucktes Quellenmaterial herangezogen. Daraus und aus der Detailliertheit seiner Darstellung ergab sich die Beschränkung auf einen kurzen Untersuchungszeitraum. Zwießler wählte die Jahre von 1746 bis 1763. Dies war eine Phase wechselnder personeller und politischer Konstellationen, sodass sich diese Entscheidung als gute Wahl erweist. Allerdings ist sich der Autor bewusst, dass angesichts der Beschränkung seiner Analyse auf siebzehn Jahre bei einer über hundertvierzigjährigen Geschichte des Immerwährenden Reichstags seine Ergebnisse nicht generalisierbar sind (S. 348).

Zwießler widmet sich zunächst dem Gesandtschaftswesen der Hochstifte Bamberg und Würzburg in der Mitte des 18. Jahrhunderts, wobei er die Schwerpunkte von deren Außenbeziehungen skizziert, die beim Fränkischen Kreistag in Nürnberg und beim Reichstag in Regensburg lagen; nur dort unterhielten die Hochstifte permanente Gesandtschaften (S. 34–53).

In einem zweiten Teil rückt Zwießler die Akteure und Institutionen in den Vordergrund (S. 54–220). Bei der Darstellung von Aufbau und Arbeitsweise der Reichstagsgesandtschaften (S. 65–95) skizziert er die Tätigkeiten des Personals, die pekuniären Verhältnisse und die Berichtspraxis. Zudem thematisiert er die Gesandtschaftsarchive, deren Pflege den Sekretären oblag. Nach der Vorstellung der Fürstbischöfe des Untersuchungszeitraums (S. 119–125) widmet er sich den „Geheimen Referendären“ als den „zweiten Männern im Staat“ (S. 126–141) und stellt die Reichstagsgesandten vor, deren Lebensläufe er mit Angaben zu Herkunft, Ehepartnerinnen und Karrierewegen schildert (S. 141–163). Ferner beschreibt er die Netzwerke, die kaiserlichen Einflussnahmen und dabei die Konstituierung von Klientelverhältnissen (S. 185–206). Bei der Darstellung des Reichstagszeremoniells (S. 206–220) geht er auch auf Auseinandersetzungen ein, die z.B. durch eine irreguläre Sitzordnung entstanden.

Der dritte Teil ist der chronologisch geschilderten Politik der beiden Hochstifte beim Reichstag gewidmet (S. 221–341). Zwießler beginnt mit der kurzen Amtszeit des Würzburger Fürstbischofs von Ingelheim (1746–1749). Dieser vorwiegend an Alchemie interessierte Amtsträger kann ihm gleichsam als Beleg für die Nützlichkeit seines akteurszentrierten Ansatzes dienen, denn unter Ingelheim mit seinen persönlichen Defiziten führte Würzburg eine unentschlossene und wechselhafte Reichspolitik (S. 221–235, 345). Sodann analysiert Zwießler die Friedensjahre von 1748 bis 1756 mit ihrer Verfestigung der konfessionellen Fronten im Reich, deren Zentren Wien und Berlin darstellten. Würzburg und Bamberg agierten in dieser Zeit sehr aktiv, stärker als die übrigen Fürstbischöfe, und nahmen großen Anteil an den Problemen des Reichs, wobei in Bamberg stärker als in Würzburg eigene Interessen priorisiert wurden (S. 235–301, 343). Die dritte Phase gilt der Zeit des Siebenjährigen Krieges mit seinen speziellen Herausforderungen. Damals sank die politische Relevanz des Reichstags, der keinen Einfluss auf das militärische Geschehen nehmen konnte, doch gewann er als Nachrichtendrehscheibe besondere Bedeutung. Der ab 1755 in Würzburg und ab 1757 auch in Bamberg regierende Fürstbischof von Seinsheim konnte als Klient des Kaiserhofs seine politischen Ziele erreichen, wobei Zwießler in diesem Fall wie auch generell Wert auf die Feststellung legt, dass die Fürstbischöfe keine voraussetzungslosen Parteigänger des Kaisers waren, sondern der Kaiserhof oft Einfluss ausüben musste, um deren Unterstützung zu erreichen (S. 302–341, 347 f.).

Der Anhang (S. 350–362) enthält neben einer Zusammenstellung der Bamberger und Würzburger Reichstagsgesandten von 1663 bis 1806 eine Übersicht über das Gesandtschaftspersonal und Statistiken der Weisungen an die Gesandtschaften sowie der Gesandtschaftsberichte.

Das Register (S. 405–410) beschränkt sich auf die im Text namentlich erwähnten Personen. Nicht aufgenommen wurden die dort genannten Wissenschaftler. Es gibt keine Verweise, etwa von den Gesandten auf deren Ehefrauen, die ihrerseits nur mit dem Geburtsnamen aufgeführt sind, ohne dass auf die Ehemänner verwiesen wird. Diese restriktive Gestaltung des Registers geht zu Lasten der Frauen, wenn sie im Text z.B. nur als „Gemahlin“ erwähnt sind oder wenn lediglich in einer Anmerkung der Name genannt ist. Das betrifft etwa die Witwe des Bamberger Legationssekretärs Kaufmann, die den Fürstbischof bat, die Stelle ihres verstorbenen Mannes auf sie oder ihre Tochter zu übertragen (S. 86). Diese ungewöhnliche Bewerbung muss zur Voraussetzung gehabt haben, dass die Witwe wusste, welche Pflichten sie erwartet hätten, wäre ihr die Stelle übertragen worden. Hatte sie ihren Ehemann bei seinen Tätigkeiten unterstützt, sodass sie und ihr Mann gemäß dem von Heide Wunder geprägten Begriff als Arbeitspaar zu bezeichnen wären?

Zwießler hat diese Frage nicht gestellt, die vielleicht zu speziell ist, um im Kontext seiner Monographie behandelt zu werden. Immerhin fällt auf, dass er einleitend auf jüngere Forschungen zur Bedeutung der Frau als diplomatischer Akteurin hinweist (S. 12), Einzelne (wie die Fürstin von Thurn und Taxis) auch nennt (S. 216), aber nichts resümierend zu diesem Themenkomplex sagt, sodass sich kein Gesamtbild zur Rolle der Frau auf dem Reichstag ergibt. Dies bleibt also ein Ansatzpunkt für weitere Forschungen.

Zwießler hat sich in seiner zweifellos sehr verdienstvollen Studie des bislang vernachlässigten Themas der mindermächtigen geistlichen Reichsstände auf dem Reichstag angenommen und die Reichstagspolitik von gleich zwei Fürstbistümern untersucht. Seine quellengesättigte und detailreiche Studie wird für künftige, ähnlich gelagerte Forschungsvorhaben ein großer Gewinn sein.