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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Rupert Gebhard/Brigitte Haas-Gebhard/Cristina Mazzola

Archäologische Staatssammlung. Wege Bayerns durch die Vergangenheit

Regensburg 2024, Pustet, 160 Seiten, zahlreiche Abbildungen


Rezensiert von Florian Leitmeir
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 20.06.2025

Anlässlich der Wiedereröffnung der Archäologischen Staatssammlung München im Jahr 2024 und der im Zuge dessen neu konzipierten Dauerausstellung ist der anzuzeigende Begleitband erschienen. So folgt sein Aufbau im Wesentlichen dem Rundgang im Museum, er ist aber ein eigenständiger, informativer Wegweiser in Bayerns Vergangenheit. Rupert Gebhard und seinem Team glückt es darin, in knapp gehaltenen Texten die Fülle archäologischer Methodik und grundlegender Forschung in verständlicher Sprache zu vermitteln, ein umfangreiches Glossar erläutert dabei die fachliche Terminologie. Die neun thematischen Kapitel werden durch zahlreiche hochwertige Abbildungen angereichert und die Präsentation bedeutender Funde und Befunde „im Fokus“ betrachtet. Weitere Gestaltungselemente tragen zu einem vielschichtigen Verständnis bei: Die synoptische Gegenüberstellung der bayerischen Denkmäler mit zentralen Funden und Ereignissen der Weltgeschichte in den Klappen eröffnet ein weites, zeitliches Panorama – lediglich eine Karte mit den Fundorten der besprochenen Objekte mag man im Band vermissen. Die von Frank Schmolke gestalteten, in Kooperation mit dem Museum entstandenen und fundierten Comic-Zeichnungen kontextualisieren die archäologischen Relikte und runden die erfrischende Lektüre des Bandes ab.

Inhaltlich gliedert sich der Band in zwei große Bereiche: Die ersten drei Kapitel („Der Mensch“, „Zeit und Kosmos“, „Abenteuer Archäologie“) bieten grundlegende Einführungen in archäologische Methodik. Wie der Mensch im Mittelpunkt der archäologischen Forschung steht, so wird die frühe Menschheitsgeschichte von der Steinzeit bis ins frühe Mittelalter an den von ihm geschaffenen Dingen und Spuren im Boden in Bayern nachgezeichnet. Die im einleitenden Kapitel entworfenen Grundfragen archäologischer Forschung zur Kultur- und Sozialgeschichte der Menschheit, die über eine Verortung der Dinge im Leben der Menschen erreicht wird, ziehen sich leitmotivisch durch den gesamten Band. Dabei rücken auch die vom Menschen geschaffenen Bilder in den Vordergrund, in denen – wie bei der Kalksteinstatuette um 25000 v. Chr. aus dem oberbayerischen Mauern – menschliche Körperformen künstlerisch reflektiert werden. Mit „Zeit und Kosmos“ werden die grundlegenden Methoden der zeitlichen Bestimmung archäologischer Relikte erläutert sowie in die einzelnen Epochen der Steinzeiten, Bronzezeit, Eisenzeit, Römerzeit und Mittelalter bis in die Neuzeit eingeführt. Das „Abenteuer Archäologie“ skizziert den Weg der Funde und Befunde von der Ausgrabung ins Museum nach und betont die Bedeutung der systematischen Dokumentation, naturwissenschaftlichen Analyse und der kulturgeschichtlich relevanten Fundkontexte.

In den anschließenden Kapiteln wird das breite thematische Spektrum der Interpretation menschlicher Spuren in Bayern vorgeführt. Einer kurzen allgemeinen Einführung folgt dabei eine chronologische Darstellung nach den genannten Epochen (mit Ausnahme der Neuzeit). In „Grundlagen des Lebens“ wird somit der Weg des Menschen von der Sesshaftwerdung über den Aufbau sozialer Strukturen und Hierarchien in Siedlungen nachgezeichnet, die wiederum eine technische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung beförderten. „Der Wert der Dinge“ rückt die überlieferten Objekte in den Mittelpunkt und erläutert dabei sowohl die materiellen Eigenschaften und deren technische Be- und Verarbeitung durch als auch deren ideelle Bedeutung für den Menschen.

Die beiden folgenden Kapitel „Weltmacht Rom“ und „Ich, wir und die anderen“ markieren in vielfacher Hinsicht eine historische und kulturelle Zäsur, weshalb sie verständlicherweise auch etwas vom roten Faden der übrigen Kapitel abweichen. So werden weite Teile Bayerns mit der nördlichen Expansion der Römer Teil des Imperium Romanum und belegen deren Einfluss in nahezu allen menschlichen Bereichen, insbesondere durch die militärische Präsenz am Limes als Reichsgrenze. Nach dem Ende der römischen Herrschaft sind in Bayern unterschiedliche Bevölkerungsgruppen überliefert, die auf eine ethnische Vielfalt von Alamannen, Baiuvaren oder Franken im heutigen bayerischen Gebiet schließen lassen. Indem insbesondere bei dieser Phase die „Gräber als Spiegel des Lebens“ fokussiert werden, wird hier auf den später aufgegriffenen sepulkralen Kontext neugierig gemacht. So wird die kulturelle Vielfalt über das Inventar frühmittelalterlicher Gräber geschildert und an einzelnen Objekten wie den Scheibenfibeln aus Unterhaching auch die konstruktive Herstellung anschaulich illustriert.

Die beiden abschließenden Kapitel eröffnen über den Fund- und Verwendungskontext die Perspektive auf die ideelle Bedeutung der Objekte, die über einen alltäglichen Gebrauch hinausgehen. So führen die Wege in „Glaube und Religion“ zu religiösen Vorstellungen und rituellen Kulthandlungen des Menschen, beginnend auf einer vagen, bisweilen spekulativen Grundlage in der Steinzeit bis hin zu Zeugnissen des frühen Christentums, und reichen bis zur beginnenden Monumentalisierung im Kloster- und Kirchenbau ab dem 8. Jahrhundert in Chiemsee und Staffelsee. Der zweite Kontext „Tod und Bestattung“ widmet sich der Frage nach dem Umgang des Menschen mit den Toten in Form eines ausgeprägten Bestattungswesens und den sich über die Art und Weise der Grabbeigaben ausgeprägten Jenseitsvorstellungen. Diese unterschiedlichen Formen werden zusätzlich über die „Graphic Novels“ lebendig vermittelt.

Insgesamt stellt der Band eine informative, wissenschaftliche fundierte und dank der vielen farbigen Abbildungen sehr anschauliche Präsentation der frühen Geschichte Bayerns dar. Die spannenden Erkenntnisse laden dazu ein, die archäologischen Spuren auf den Wegen durch Bayerns Vergangenheit zu lesen und diese in der Archäologischen Staatssammlung zu betrachten.