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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Bernhard Schütz

Kurvierte Barockarchitektur in Böhmen, Franken und Schlesien. Von den Dientzenhofern bis Balthasar Neumann

(Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte 196), Petersberg 2023, Michael Imhof, 156 Seiten, über 211 meist farbige Abbildungen


Rezensiert von Erich Schneider
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 02.07.2025

Letzte Frucht eines erfüllten Wissenschaftlerlebens des 2023 verstorbenen Bernhard Schütz ist ein inhaltsschwerer Band zur kurvierten Architektur des Barock. Sein Text versteht sich als „Studie und nicht als umfassende Abhandlung“. Das erklärt die Abfolge der unterschiedlich langen Kapitel. Eingangs skizziert Schütz Vorbilder und Grundlagen: Dem Essay „Spätgotik und Barock in Böhmen“ schließt sich ein Text „Die Dientzenhofer“ an, dem ein Verweis auf das „Dientzenhofer-Skizzenbuch“ im Bayerischen Nationalmuseum folgt. Mit der Sicherheit des Kenners attestiert Schütz der Fassade des Neumünsters in Würzburg, dass sie „offenkundig ein Werk Johann Dientzenhofers“ ist und unterstreicht das durch eine ganzseitige Abbildung. Apropos Fotos: An Schützʼ Buch besticht außer den Analysen in besonderer Weise die Opulenz seiner Abbildungen. Sie sind zudem sorgfältig ausgewählt und unterstützen den Text in einer Weise, wie man das angesichts der Handy-Schnappschüsse kaum noch findet.

Nachdem er „Guarino Guarini“ notwendigerweise gestreift hat, dringt Schütz zum „Beginn der kurvierten Architektur in Böhmen vor“, die 1699 mit der durch Lukas von Hildebrandt geplanten Kirche St. Laurentius einsetzt. An diesem Beispiel führt Schütz die Begriffe der Rotunde und des schon von Günther Neumann in seiner Neresheim-Dissertation von 1937 gebrauchten Fachworts Bogenarkade ein. Daran zeigt sich ein wichtiges Verdienst seiner Publikation, die das bekannte Instrumentarium der architekturgeschichtlichen Terminologie stringent einsetzt und dem Thema gemäß fortentwickelt: Bei der Behandlung der Wiener Piaristenkirche, die das Oktogon von Gabel aufgreift und modifiziert, lenkt er den Blick auf das „Acht-Arkaden-Oktogon“. Im weiteren Verlauf untersucht Schütz in einem zentralen Kapitel Hauptbeispiele für „kurvierte böhmische Polygone“ mit der ab 1723 von Kilian Ignatz Dientzenhofer erbauten, ehemaligen Benediktiner-Propsteikirche Heilig Kreuz in Legnickie Pole (Wahlstadt) und ihren von vier Säulen umstellten Wandpfeilern als Höhepunkt. Es folgt ein Abstecher in die Klosterkirche Frauenzell bei Regensburg und zu dem Projekt für St. Elisabeth in München, um das Thema „Rotunde und Oktogon“ am Beispiel von St. Maria Magdalena in Karlovy Vary (Karlsbad) zu vertiefen. Noch einmal kehrt Schütz mit dem 1668 erbauten „Tetrakonchos“ der Heilig-Kreuzkirche von Westerndorf am Wasen nach Altbayern zurück, der den Dientzenhofer bekannt war, wie er am Grundriss fol. 369 im Dientzenhofer-Skizzenbuch des Bayerischen Nationalmuseums belegen kann. Dieses Kapitel leitet über zu den „Kurvierungen dieser Art in der Folgezeit“, in denen Johann Dientzenhofers Projekt für die Damenstiftskirche St. Anna von 1720 in Würzburg und Balthasar Neumanns verwandter Zentralbau der Schönbornkapelle am Würzburger Dom aus derselben Zeit im Mittelpunkt stehen. Es folgen Ausführungen zur „Vierungsrotunde bei Balthasar Neumann“, um danach mit Christoph Dientzenhofers ab 1737 erbauter Jesuitenkirche St. Niklas auf der Prager Kleinseite ein Hauptwerk des böhmischen Barock zu behandeln, an die sich einige „Nachfolgebauten“ anschließen. Mit der 1712 nach Plänen von Christoph Dientzenhofer erbauten Abteikirche Brevnov leitet Schütz zu den „Bizentralen Langhauskirchen“ in Böhmen über. Johann Dientzenhofer muss sie gekannt haben, als er 1709 mit der Abteikirche Banz in Oberfranken betraut worden ist. So „böhmisch“ ihre Architektur anmutet, ist die „Struktur […] vielschichtiger als alles, was Christoph Dientzenhofer vorher gebaut hatte“: In Banz wurden in eine längsgerichtete Kirche acht im Grundriss ovale Zentralräume eingefügt, die sich Schütz zufolge gegenseitig „zertrümmern“. Diese „Quadratur des Kreises“ oder besser „Zentrierung des Quadrats bzw. Rechtecks“ ist Ausgangspunkt kurvierter Langhausanlagen, die bei Neumann in die Würzburger Hofkirche, Vierzehnheiligen und Neresheim münden.

Diese konzentrierte Publikation versammelt am Beispiel des Kirchenbaus die lebenslangen Forschungen von Bernhard Schütz zur kurvierten Architektur des Barock im Herzen Europas. Nachdem er 1968 bei Erich Hubala in München über die Wallfahrtskirche Maria Birnbaum promoviert hatte, nutzte der Autor die sich damals nach dem Kriegsende wieder bietende Gelegenheit zu Studienreisen nach Böhmen und Mähren. Das Thema hat ihn in zahlreichen Publikationen als Professor für Kunstgeschichte von 1982 bis 2006 an der Julius-Maximilians-Universität nicht losgelassen und spiegelt sich in der Gastprofessur nach seiner Emeritierung 2007 an der Karlsuniversität in Prag. Auch wenn ihm der Tod die Feder 2023 aus der Hand genommen hat, unterstreicht Schütz mit diesem Buch seine Fähigkeit zu anschaulich-stringenter kunstgeschichtlicher Analyse (nicht nur) barocker Architektur, die Vorbild bleiben wird.