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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Christoph Gampert

Die Soldatensteuer in Schwaben, Franken und Westfalen. Ein Beitrag zur Geschichte des Kontributionswesens im Dreißigjährigen Krieg

(Stadt und Region in der Vormoderne 11), Baden-Baden 2024, Nomos, 497 Seiten


Rezensiert von Marco Kollenberg
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 21.07.2025

In seiner umfangreichen Dissertation widmet sich Christoph Gampert der in der Forschung erstaunlich oft vernachlässigten finanziellen Versorgung der Heere im Dreißigjährigen Krieg durch lokale Zwangsabgaben. Gegenstand der Untersuchung ist die „Soldatensteuer“, verstanden als eine Unterform des in zeitgenössischen Quellen und der aktuellen Forschungsliteratur gleichermaßen nebulös verwendeten Begriffs „Kontribution“. Dieser wird zugleich als übergeordnete Sammelkategorie konzipiert, unter der sich verschiedene militärische Praktiken systematisch einordnen lassen.

Durch die analytische Betrachtung des Phänomens der „Soldatensteuer“ als eigenständige Form der Militärfinanzierung soll – sowohl begrifflich als auch strukturell – eine Ordnung und Gewichtung der sich in der Praxis nicht selten überlagernden Zwangsmaßnahmen ermöglicht werden. „Kontribution“ wird dabei als historisches Homonym verstanden, das in die darunterfallenden Einzelpraktiken aufgelöst werden muss (zum Beispiel Kriegssteuern, Einquartierung, Salva Guardia, Requisition, Brandschatzung), bevor eine Analyse gelingen kann. Abseits der einleitenden theoretischen Überlegungen und einiger Quellenzitate wird daher konsequent auf die Nutzung des Wortes „Kontribution“ verzichtet.

Die unter diesen Oberbegriff fallende „Soldatensteuer“ im Zentrum der Untersuchung identifiziert Gampert als seiner Meinung nach wichtigste und für die Verlängerung der Kriegsdauer maßgebliche Erscheinungsform der Heeresfinanzierung. Der Autor versteht darunter die unter „Gewaltandrohung erhobene, steuerähnliche, direkte Abgabe an das Militär für den Unterhalt der (auch ortsabwesenden) Soldaten unter Zusammenarbeit zwischen der lokalen Verwaltung und den militärischen Befehlshabern“ (S. 457).

Die Studie gliedert sich in zwei große Teile. Der erste, systematisch-theoretische Teil beginnt mit einer kritischen Auseinandersetzung mit den vielfältigen Formen der Heeresfinanzierung und deren Herleitung (S. 45–107). In Abgrenzung dazu wird anschließend die „Soldatensteuer“ als Kategorie aufgebaut: erst im Lichte der modernen Forschung und der zeitgenössischen Quellen (S. 109–149), dann auf der Basis rechtlicher Überlegungen (S. 151–177) und schließlich im Rahmen einer chronologischen Aufarbeitung und Genese der Praxis beginnend mit der Antike, wobei der Hundertjährige und der Achtzigjährige Krieg als zentrale Entwicklungspunkte herausgearbeitet werden (S. 179–226), bevor die Praxis selbst dargestellt wird (S. 228–245). Im zweiten Teil der Arbeit (S. 247–456) folgen detaillierte Fallstudien (Memmingen, Augsburg, Würzburg, Soest und Lippstadt sowie zu hessischen Zwangsabgaben in Westfalen), anhand derer gezeigt wird, wie variabel sich die Praxis der Erhebung gestaltete, inwieweit die zuvor gemachten theoretischen Überlegungen mit der praktischen Ausführung zur Deckung gebracht werden können, in welchem Ausmaß die städtischen Obrigkeiten mit den finanziellen Anforderungen des Krieges konfrontiert waren und wie die durchaus komplizierte Kommunikation zwischen städtischen und militärischen Akteuren verlief.

Besonders positiv hervorgehoben werden muss zunächst die hier vorgebrachte empirische Leistung. Die Fallstudien bauen auf intensiver Arbeit u.a. in Kommunalarchiven auf und zeigen anschaulich, wie die Städte mit konkurrierenden militärischen Anforderungen, wechselnden Besatzungen und wachsender Verschuldung rangen. Der Einblick in die lokale Perspektive und die damit einhergehende Verbindung von Militär-, Sozial- und Alltagsgeschichte, bei der die Belastung der Bevölkerung nicht unterschlagen wird, ist eindrucksvoll und stellt eine nicht zu vernachlässigende Erweiterung für das Verständnis frühneuzeitlicher Kriegsfinanzierung dar. Die Auswahl der Fallstudien überzeugt, da kaiserliche, schwedische, bayerische und hessische Varianten der Soldatensteuererhebung betrachtet werden können. Erwähnenswert ist dabei außerdem, dass auch den Bemühungen der Städte, den oft turmhohen Erwartungen der Militärs gerecht zu werden, umfassend Platz zugestanden wird – von der aus der Not heraus neu eingeführten 6-Kreuzer-Steuer in Augsburg (S. 305–307) bis hin zur Soester Schornstein-Schatzung (S. 384).

Das um den Soldatensteuerbegriff aufgebaute Analyseraster ist dabei zugleich Stärke und Schwäche. In der Arbeit als wohl wichtigster Bestandteil der Heeresfinanzierung definiert, taucht der Ausdruck in den zeitgenössischen Quellen selbst kaum auf und wenn doch, dann meist nicht in der von Gampert definierten Bedeutung. Entsprechend wird mehrfach festgestellt, dass die untersuchten Fallbeispiele immer nur annäherungsweise mit der schon früh als Idealtypus identifizierten Arbeitsdefinition zur Deckung gebracht werden können, auch weil die Grenzen der häufig parallel stattfindenden Kontributionspraktiken im vom Krieg geprägten Alltag zu verschwimmen drohen (S. 262). Die Einstufung einer gegebenen Praxis als „Soldatensteuer“ ist also meist erst nach sorgfältigem Abwägen der Argumente dafür und dagegen möglich, was dem Konzept grundsätzlich aber nicht abträglich sein muss, zeigt sich daran doch deutlich, wie kompliziert sich die detaillierte Untersuchung der Heeresfinanzierung bisweilen gestaltet.

Mit dem vorgelegten Band ist Christoph Gampert ein starker Beitrag zur Militär-, Finanz- und Sozialgeschichte des Dreißigjährigen Krieges gelungen. Anschaulich wird dargestellt, mit welchen Herausforderungen der zeitgenössische Kontributionsbegriff die Forschung wegen seiner Bedeutungsvarianz bisweilen konfrontiert. Soldaten-, Kriegs-, Reichs-, Kreis-, landesherrliche sowie allgemeine Steuern (und je nach betrachteter Zeit einige mehr) konnten gemeint sein, weswegen dessen Erhebung zur Sammelbezeichnung überzeugt. Das Anliegen, ein besseres Verständnis der in den Quellen verwendeten Termini zu forcieren, muss unbedingt unterstützt werden und der hier zu Beginn vorgenommene Überblick über die unter „Kontribution“ fallenden militärischen Finanzierungspraktiken ist überaus begrüßenswert. Ob es gelungen ist, den Soldatensteuerbegriff als genuines Muster für die Analyse der Heeresfinanzierung während des Dreißigjährigen Krieges einzuführen, kann zwar nicht vollends bestätigt werden, doch die Arbeit bietet ohne Zweifel zahlreiche Ansatzpunkte, an die künftige Untersuchungen werden anknüpfen können und sie glänzt durch erhebliche empirische Tiefe. Die Dissertation sei außerdem all jenen ans Herz gelegt, die sich mit der militärischen Frühneuzeitforschung im Allgemeinen und mit der Kriegsfinanzierung sowie der kommunalen Belastungsgeschichte im Speziellen näher auseinandersetzen möchten. Da jedes Fallbeispiel zudem durch eine Übersicht über die einschlägige Literatur und die Quellenlage eingeleitet wird, eröffnet sich hier für militärisch- und regionalgeschichtlich Interessierte eine wahre Fundgrube.