Aktuelle Rezensionen
Jürgen Bärsch/Stefan Kopp (Hg.)
Die Kathedrale im Kontext der mittelalterlichen Stadt. Liturgie und ihre sakraltopographischen Bezüge
(Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 116), Münster 2023, Aschendorff, 407 Seiten, zahlreiche Abbildungen
Rezensiert von Friederieke Maria Schnack
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 08.09.2025
Das Verhältnis von kirchlichen Institutionen und Städten stellt sich äußerst vielseitig dar und ist es wert, aus unterschiedlichen Perspektiven untersucht zu werden. Die Herausgeber dieses Bandes haben einen raumbezogenen, sakraltopographischen Ansatz gewählt: Im Mittelpunkt stehen liturgische Praktiken und der für sie genutzte Kirchenraum, ferner werden die Erkenntnisse in größere räumliche Kontexte wie den der Stadt eingebunden und mitunter städtische Räume auch vergleichend betrachtet. Der zeitliche Fokus liegt auf dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit, was die Möglichkeit bietet, nach Kontinuitäten zwischen beiden Epochen zu fragen.
Im Anschluss an die Einleitung der Herausgeber, in der die Sakraltopographie mitsamt den verschiedenen Fächern, von denen Anregungen für die heute interdisziplinäre Arbeit im Forschungsfeld ausgingen, überblicksartig vorgestellt wird, sind zehn Beiträge mit unterschiedlichen Zugriffen versammelt. Neben kunst- und baugeschichtlich ausgerichteten Fragestellungen sind liturgiewissenschaftliche, kirchen- und allgemeinhistorische Perspektiven sowie die Blickrichtung der Kirchenmusikgeschichte vertreten, wobei jeweils auch Nachbardisziplinen einbezogen werden und die Ergebnisse der einzelnen Aufsätze fächerübergreifend aussagekräftig sind. Am Beginn der untersuchten Fallbeispiele stehen Jerusalem und Rom, behandelt von Harald Buchinger, als Basis späterer sakraltopographischer Entwicklungen. Ferner werden folgende Städte analysiert: Paderborn (Prozessionen im Raum des baulich nicht vervollständigten Kirchenkreuzes, Stefan Kopp), Hildesheim (Prozessionstypen und Pilgerwege, Jörg Bölling), Köln (Frauenstiftskirchen im Spiegel von Architektur, Liturgie und städtischem sakralen Raum, Johanna Beutner), Speyer und Worms (früh entstandene Konvente und „Domnebenstifte“, Matthias Untermann), Augsburg (Topographie des Verhältnisses von Fürstbischof und Stadt, Wolfgang Augustyn), Halle an der Saale (Albrecht von Brandenburg und die Modifikation der Palmsonntagsprozession, Matthias Hamann), Seckau (Liturgie und Prozessionen nach dem um 1590 entstandenen Liber Ordinarius, Franz Karl Praßl) und Bamberg (Auswirkungen der mittelalterlichen Sakraltopographie auf die Liturgie des Barock, Jürgen Bärsch). Enno Bünz, der sich in seinem richtungsweisenden Beitrag mit der bislang nur unzureichend analysierten Frage beschäftigt, ob die Kathedrale immer auch eine Pfarrkirche gewesen ist, hat Fallstudien zu 17 verschiedenen Städten vorgelegt (Schleswig, Bremen, Lübeck, Hamburg, Köln, Münster, Magdeburg, Merseburg, Naumburg, Mainz, Speyer, Verden, Würzburg, Brixen, Passau, Regensburg, Trier).
Die zeitliche, geographische und thematische Vielfalt der Analysebeispiele, bei denen es sich bei weitem nicht nur um bereits gut erforschte Städte handelt, bietet einen mehr als fundierten, zudem vergleichenden Einblick in unterschiedliche Regionen und liturgiegeschichtliche Fragen. Das Bildmaterial ist sehr gut ausgewählt und aussagekräftig. Bei der Erschließung des Bandes helfen ein Personen- sowie ein Orts- und Sachregister; möglicherweise hätte eine Zusammenfassung die Vielfalt der Ergebnisse und weiteren Desiderate noch etwas pointierter bündeln können, aber die Abschlüsse der Aufsätze leisten dies ebenso. Der Band mit seinen allesamt sehr lesenswerten Beiträgen ist eine Bereicherung der bisherigen Forschungen zu sakraltopographischen Fragen und wird hoffentlich weitere Untersuchungen anregen.