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Alois Schmid
P. Daniel Stadler SJ (1705–1764). Ein Jesuit aus Amberg im Umkreis des Wittelsbacher Hofes zu München
(Beiträge zur Geschichte und Kultur der Stadt Amberg 10), Amberg 2025, Stadtarchiv, 376 Seiten, 31 Abbildungen
Rezensiert von Hannelore Putz
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 09.09.2025
Alois Schmid beschäftigt sich seit Jahrzehnten immer wieder und aus unterschiedlichsten Perspektiven mit der Regierungszeit Kurfürst Max III. Josephs. Ausgehend von den intensiven Studien zur Habilitation (publ. 1987) folgt nach einer ganzen Reihe von Monographien, Aufsätzen und Editionen nun die fundierte und quellengesättigte Biographie P. Daniel Stadlers SJ, und damit jenes Jesuitenpaters, der den Kurfürsten so viele Jahre intensiv begleitete. Entstanden ist eine Studie, die sowohl bemerkenswerte Einblicke in die Welt des Ordens und des bayerischen Hofes ermöglicht als auch in die vehementen, von der Aufklärung geprägten Auseinandersetzungen in Politik und Wissenschaft.
P. Daniel Stadler SJ stammte aus einer angesehenen Familie in Amberg, arbeitete doch sein Vater als Jurist in der Verwaltung der Stadt. Nach dem Besuch des dortigen Jesuitengymnasiums, das er als einer der Besten abschloss, bat der junge Mann darum, in den Jesuitenorden eintreten zu dürfen. Damit steht er beispielhaft für viele Jesuiten, die, nicht zuletzt weil sie sich als hervorragende Schüler ausgezeichnet hatten, vom Orden rekrutiert wurden.
Das Noviziat legte Daniel Stadler in Landsberg am Lech ab, darauf folgte das Studium an der Landesuniversität Ingolstadt. Entsprechend den Usancen des Ordens wurde die Ausbildung immer wieder unterbrochen und der junge Jesuit als Lehrer an unterschiedlichen Kollegien der Oberdeutschen Provinz eingesetzt: in Mindelheim, Pruntrut, Straubing und in Hall in Tirol. Nach seinen Studien wurde er als Professor an die von den Jesuiten geleitete Universität Dillingen berufen. Der Orden ermöglichte ihm damit zunächst eine auf Wissenschaft und Bildung hin ausgerichtete Lebensperspektive. Nur wenig später wurde er allerdings neuerlich versetzt und zum Sonntagsprediger in Freiburg im Breisgau bestellt, wo er beispielsweise Predigten zum Tod Kaiser Karls VI. und zur Geburt des späteren Kaisers Joseph II. hielt.
1742 schließlich folgte die Ernennung zum Instruktor des wittelsbachischen Erbprinzen Max Joseph – gemeinsam mit Johann Adam von Ickstatt. Stadler und Ickstatt standen von Beginn an in einem veritablen inhaltlichen wie persönlichen Spannungsverhältnis zueinander, vertrat doch der eine eher den jesuitisch-humanistischen Ansatz und verfocht der andere klar die Ideen und Prinzipien der Aufklärung. Beide prägten Max Joseph auf ihre je eigene Weise und wirkten über lange Zeit als Berater in seinem direkten Umfeld.
Als Beichtvater begleitete P. Daniel Stadler SJ den seit 1745 regierenden Kurfürst Max Joseph knapp zwei Jahrzehnte. Diese Position brachte ihn in ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Kurfürsten, das sich nicht zuletzt im beinahe täglichen Zugang widerspiegelte. Gleichzeitig stand er hierarchisch außerhalb der Hofgesellschaft, was ihn zu einem sehr selbstständigen und von außen nur schwer kalkulierbaren Faktor innerhalb des Gefüges am Münchner Hof machte. Politisch wirkte er durchaus einflussreich, zeichnete ihn doch entgegen des „unentschiedenen und wechselvollen Zickzackkurs[es] zwischen den Machtblöcken“ aus, „einen ungewöhnlich feststehenden Standpunkt, der für die auswärtigen Betrachter einen unerwarteten Fixpunkt am Münchner Hof abgab“, zu bilden (S. 192). Doch folgten zeitgenössische wie auch historische Bewertungen hier mehr antijesuitischen Deutungsmustern und Pauschalurteilen, als dass sie auf wissenschaftlichen Analysen beruhten. Hier gelingt es nun der vorliegenden Biographie, Möglichkeiten und Grenzen differenziert auszuloten und deutlich zu machen, dass Stadler auf einer ganzen Reihe von politischen Feldern gerade nicht erfolgreich gewesen ist: in der außenpolitischen Ausrichtung Bayerns einschließlich der von Stadler angeregten wittelsbachischen Heiratsprojekte beispielsweise, dann in der von ihm nicht befürworteten Gründung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften bis hin zu der sich immer stärker am aufklärerischen Impuls orientierenden landesherrlichen Kirchenpolitik.
1762 berief ihn der Orden als Hofbeichtvater ab, nicht zuletzt, weil habsburgische Interventionen gegen P. Daniel Stadler SJ in Rom bei Papst und Jesuitengeneral ihre Wirkungen zeigten, aber auch, weil er sich gerade in der letzten Phase häufiger in politischen Fragen überschätzt hatte und damit auch am Hof selbst zunehmend kritisch beurteilt worden war. Der Orden versetzte ihn nach Pruntrut im Kanton Bern, wo er nur wenig später im Jahr 1764 verstarb.
P. Daniel Stadler SJ hatte sich – wie im Jesuitenorden üblich – mehrfach in wissenschaftliche Diskurse eingebracht: Seine Forschungen und Abhandlungen über den Magnetismus, dann über das Duellwesen und die Monographie zur bayerischen Geschichte sind hier besonders hervorzuheben.
Die vorliegende Biographie würdigt P. Daniel Stadler SJ, sein Werk und sein Wirken ausführlich und in differenzierter, wissenschaftlich reflektierter Weise. Alois Schmid zeichnet den Lebensweg in feinen Strichen nach und relativiert unter anderem ausgesprochen profund die seit den Tagen Stadlers immer weiter tradierten Vorstellungen maßgeblicher Einflussnahme auf Kurfürst Max III. Joseph. Der Autor verortet P. Daniel Stadler SJ vielmehr sowohl in größeren historischen Bezügen als auch in den spezifisch bayerischen und höfischen Gegebenheiten. Der Band thematisiert gleichzeitig die Spätzeit der alten Societas Jesu und er hilft, die letzten Jahrzehnte des seit dem 16. Jahrhundert in Bayern so einflussreich agierenden Ordens, als er mehr und mehr politisch und kirchlich unter Druck geriet, ein Stück weit tiefer zu verstehen.