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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Aktuelle Rezensionen


Sebastian Peters

Hitlers Fotograf Heinrich Hoffmann. Eine Biografie

Göttingen 2025, Wallstein, 619 Seiten, 50 Abbildungen


Rezensiert von Stephanie Ruhwinkel
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 16.09.2025

Mit der vorliegenden Studie über Heinrich Hoffmann (1885–1957) schließt Sebastian Peters eine beachtliche Forschungslücke in der NS-Historiografie. Während die Filmemacherin Leni Riefenstahl als Propagandistin des Regimes vielfach untersucht wurde, blieb der Mann, der wie kein anderer unser visuelles Bild von Adolf Hitler prägte, bis heute erstaunlicherweise weitgehend im Schatten.

Sebastian Peters, Kurator für die Dokumentation Obersalzberg am Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, legt nun mit seiner Untersuchung, die auf seiner 2021 an der Ludwig-Maximilians-Universität München eingereichten Dissertation basiert, die erste umfassende wissenschaftliche Gesamtdarstellung und Biografie des „Reichsbildberichterstatters“, wie sich Hoffmann selbst bezeichnete, vor.

Die Studie basiert auf höchst beeindruckender Quellenarbeit, wobei Peters nicht nur auf die bekannten Archivbestände zurückgreift, sondern auch bislang kaum genutzte Materialien wie mehrere tausend überlieferte Kontaktabzüge auswertet. Diese Herangehensweise ermöglicht es ihm, neue Erkenntnisse zu erschließen und manche der von Hoffmann selbst in seinen apologetischen Memoiren verbreiteten Legenden zu entlarven und zu korrigieren. So kann Peters beispielsweise nachweisen, dass Hoffmann bereits 1920 als eines der ersten 500 Mitglieder der NSDAP beitrat – zwei Jahre vor der von ihm später kolportierten ersten Begegnung mit Hitler im Jahr 1922 (S. 70–74). Diese und weitere Korrekturen verdeutlichen, wie sehr Hoffmann nach 1945 versuchte, seine frühe und enge Verbindung zum Nationalsozialismus zu verschleiern.

Der chronologisch aufgebaute Band zeichnet Hoffmanns Weg vom Fotografensohn aus Fürth über seine frühe Politisierung im völkischen Milieu Münchens bis zu seinem Aufstieg als Monopolist der NS-Bildpropaganda genau nach. Petersʼ differenzierte Darstellung bettet Hoffmanns Handeln in den „Kontext seiner Zeit“ (S. 21) ein – was sich der Autor zum Hauptanliegen macht – und zeigt ihn in seinen verschiedenen Rollen: als geschickten Unternehmer, der ab 1933 ein weitverzweigtes Medienimperium mit monopolartiger Stellung aufbaute; als engen Vertrauten Hitlers, der diesem unter anderem Eva Braun zuführte; als einflussreichen Kunstberater und Funktionär im NS-Kulturbetrieb und als skrupellosen Profiteur, der seine Position für systematische Bereicherungen nutzte und beispielsweise durch die sogenannten „Arisierungen“ eine umfangreiche Kunstsammlung anhäufte, die zu erheblichen Teilen aus jüdischem Besitz stammte.

Besonders aufschlussreich und gelungen sind die Passagen des Buches, in denen Peters diese „Profiteurskarriere“ (S.182) sowie Hoffmanns Vernetzung innerhalb der NS-Elite beschreibt und dabei aufzeigt, wie sich der Fotograf geschickt in diese Kreise zu integrieren wusste (S. 272–313). Bezeichnenderweise heiratete auch seine Tochter Henriette einen hohen NSDAP-Funktionär, den Reichsjugendführer Baldur von Schirach. Die Ausführungen zur Funktionsweise von Hoffmanns Unternehmen, das sich von einem kleinen Fotoatelier zu einer hochprofessionellen Propagandainstitution entwickelte und letztlich zur zentralen Schaltstelle der visuellen NS-Propaganda wurde – obwohl es formal ein Privatunternehmen blieb –, sind gleichfalls höchst aufschlussreich. So produzierte der am Höhepunkt seiner Expansion über 160 Mitarbeiter beschäftigende „Verlag nationalsozialistischer Bilder“ Hunderttausende von Propagandafotos, die über verschiedenste Medien – von Postkarten über Zigarettenbilder bis zu millionenfach verkauften Bildbänden wie „Hitler wie ihn keiner kennt“ – distribuiert wurden.

Ebenso werden Hoffmanns Rolle und Verhalten nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ eingehend behandelt. Peters zeigt, wie geschickt Hoffmann seine juristische Rehabilitation betrieb: Trotz seiner Verurteilung zu zehn Jahren Arbeitslager durch die Spruchkammer München kam er bereits 1950 frei und erhielt große Teile seines Vermögens zurück. Seine Selbststilisierung als unpolitischer Fotograf kontrastiert Peters mit den dokumentierten Fakten über Hoffmanns aktive Rolle als überzeugter Nationalsozialist und Antisemit – ein Befund, der Hoffmanns Uneinsichtigkeit bis zum Lebensende eindrücklich belegt.

Erstmals skizziert Peters auch die Rolle der Nachkommen Hoffmanns und das Nachleben seiner Bilder (S. 546–569). Er kann überzeugend darstellen, dass Hoffmann selbst nach 1945 in der Bedeutungslosigkeit versank, während seine Fotografien als prägende visuelle Dokumente der NS-Zeit bis heute fortbestehen.

Die schwierige Quellenlage erschwert es allerdings, die konkrete Rezeption und Wirkung von Hoffmanns Fotografien präzise zu rekonstruieren – eine methodische Herausforderung, die Peters klar benennt. Angesichts des reichhaltigen fotografischen Materials hätte die Studie jedoch von einer großzügigeren Bebilderung profitieren können. So demonstriert beispielsweise Petersʼ exemplarische Deutung der Fotografie vom September 1934 (Abb. 1), die Hitler auf dem Balkon des Reichspräsidentenpalais mit Hoffmann an seiner Seite zeigt (S. 8–12), eindrucksvoll, welches Erkenntnispotential in der bildhistorischen Forschung liegt. Weitere solche Beispiele und Interpretationen – wie etwa zum Kontaktabzug von 1931 (Abb. 12), auf dem private Hoffmann-Aufnahmen direkt neben SA-Aufmarsch-Dokumentationen stehen – hätten Hoffmanns komplexe Rolle und seine privilegierte Position innerhalb der NS-Machtelite noch anschaulicher vor Augen geführt.

Gleichwohl eröffnet Petersʼ hervorragende Pionierarbeit wichtige Forschungsperspektiven, gerade im Bereich der Visual History. Sie lädt zu weiteren Untersuchungen von Hoffmanns spezifischer fotografischer Ästhetik und ihrer propagandistischen Funktion ein sowie zu systematischen Vergleichen mit anderen visuellen Propagandisten des Regimes – allen voran Leni Riefenstahl, deren Film „Triumph des Willens“ interessanterweise denselben Titel trägt wie eine frühere Hoffmann-Publikation.

Sebastian Peters ist mit seinem quellenreichen und präzise recherchierten Werk ein wichtiger Beitrag zur NS-Forschung gelungen, der weit über eine konventionelle Lebensbeschreibung hinausgeht und allen empfohlen werden sollte, die sich wissenschaftlich mit der visuellen Kultur des Nationalsozialismus auseinandersetzen. Das im Anhang befindliche umfangreiche Quellen- und Literaturverzeichnis sowie das detaillierte Verzeichnis der Bildbestände werden künftigen Forschungen als wertvolle Orientierung dienen.

Die Studie zeigt exemplarisch, wie sich im „Dritten Reich“ künstlerische Mittelmäßigkeit – Hoffmanns fotografisches Werk zeichnete sich nicht gerade durch innovative Bildsprache oder ästhetische Experimente im Sinne eines August Sander oder Albert Renger-Patzsch aus –, ideologischer Fanatismus und rücksichtsloser Opportunismus zu einer höchst wirkmächtigen Allianz verbanden. Diese Erkenntnis reicht in ihrer Bedeutung weit über den Einzelfall Hoffmann hinaus.

Besonders verdienstvoll ist in diesem Zusammenhang Petersʼ implizite Warnung vor einer unreflektierten Weiterverwendung von Hoffmanns Bildern, die bis heute unsere visuelle Vorstellung vom Nationalsozialismus prägen. In Zeiten, in denen visuelle Propaganda erneut enorme Bedeutung hat, kommt dieser Mahnung bleibende Aktualität zu.