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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Andreas Flurschütz da Cruz

Der Krieg der Anderen. Venedig, die deutschen Reichsfürsten und die Anfänge internationaler Subsidienprojekte in der Frühen Neuzeit

(Krieg in der Geschichte 121), Paderborn 2024, Brill Deutschland/Schöningh, XIV + 684 Seiten


Rezensiert von Magnus Ressel
In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte
Erschienen am 23.09.2025

1933 veröffentlichte Ludwig Beutin ein bis heute in mancherlei Hinsicht noch gültiges Werk über die Entwicklung des deutschen Mittelmeerhandels vom späten 16. Jahrhundert bis ins Zeitalter der Revolutionskriege. Dabei deutete er immer wieder an, dass die von ihm als negativ konstatierte Außenhandelsbilanz Deutschlands wohl durch ein typisches Phänomen der zerfahrenen deutschen Kleinstaaterei bezahlt wurde: „Schon im 18. Jahrhundert hat man sich gefragt, wie denn eigentlich der ungeheure Überschuß von Deutschland bezahlt werde. Es hatte ja weder Kapitalien zu verleihen, noch zog es nennenswerte Gewinne aus einer Frachtfahrt für ausländische Rechnung. […] Man hat auf die Geldsummen verwiesen, die als Subsidien den deutschen Fürsten vom Ausland her zuflossen. [...] Es kann kein Zweifel sein, daß Deutschland in der Tat seine Einfuhr an Genuß- und Luxuswaren zum großen Teil mit solchem Geld bezahlt hat.“ (Ludwig Beutin, Der deutsche Seehandel im Mittelmeergebiet bis zu den Napoleonischen Kriegen, Neumünster 1933, S. 77)

Mit diesen Zeilen griff Beutin einen seit dem 18. Jahrhundert bestehenden Diskurs erneut auf. Der Konsum von Luxusgütern durch die Oberschicht, die dabei sittlich korrumpiert wurde, wurde angeblich durch das Blut der deutschen Untertanen bezahlt, die für die Interessen fremder Mächte geopfert wurden.

Angesichts einer gewissen Bestätigung der pekuniären Vorteile, die jüngst immer wieder für die Schweizer Söldnervermietung in den letzten Jahrzehnten herausgearbeitet wurde, hätte ein ähnliches Urteil bei einer eingehenden Studie zum äquivalenten Phänomen des Alten Reichs nahegelegen. Es ist eine der bemerkenswertesten Leistungen der hier anzuzeigenden Habilitation von Andreas Flurschütz da Cruz, mit solchen Urteilen grundlegend aufgeräumt und häufig genug sogar ein finanzielles Verlustgeschäft für die Söldner stellende Partei aufgezeigt zu haben. Im Buch wird immer wieder belegt: „Als finanziell lukrativ kann allein die kostspielige Unterhaltung permanenter Truppen hingegen nicht gewertet werden; über deren Vermietung konnten zwar wiederum Einnahmen generiert und Unterhaltskosten vor Ort reduziert, im besten Fall Kostendeckung, in seltenen Fällen aber tatsächlich Überschüsse erzielt werden.“ (S. 546)

Der Autor kann aufzeigen, dass häufig eine andere Form von Lukrativität der fürstlichen Söldnervermietung zugrunde lag. Dies war das fürstlich-dynastische Prestige. Den Konzepten von Pierre Bourdieu und Wolfgang Reinhard folgend sieht Flurschütz da Cruz das kulturelle und soziale Kapital, welches aus der Söldnervermietung resultierte, als primäres Movens für diese Art von Geschäften – mit Ausnahmen.

Zu diesem Ergebnis kommt der Autor als Resultat einer umfangreichen Studie. In der fast 50-seitigen Einleitung bettet Flurschütz da Cruz diese konzeptuell in einen transnationalen und vergleichenden Rahmen ein. Er sieht Subsidienprojekte als Ausdruck europäischer Gewaltmärkte, auf denen militärische Ressourcen zirkulierten. Seine Untersuchung verbindet dabei Ansätze der neuen Militärgeschichte mit Fragen nach Patronage, Ehre, Prestige und politischem Kalkül. Die Frühe Neuzeit sieht er als eine Zeit intensiver zwischenstaatlicher Kooperation im Bereich der Gewaltorganisation. Der Autor will darüber hinaus zeigen, dass sich im Subsidienwesen bereits viele Strukturmerkmale moderner sicherheitspolitischer Praktiken abzeichnen – von Outsourcing über strategische Allianzen bis hin zu ökonomischer Rationalisierung militärischer Gewalt.

Im etwa 50-seitigen ersten Kapitel, welches einen Überblick zu deutschen Subsidientruppen im Dienst europäischer Großmächte von 1615 bis 1815 gibt, fokussiert Flurschütz da Cruz zunächst auf das französische Pensionswesen als Instrument frühneuzeitlicher Außen- und Militärpolitik und seine Rolle im europäischen Subsidienwesen. Frankreich etablierte unter Ludwig XIV. systematisch Patronagenetzwerke in der Eidgenossenschaft und im Heiligen Römischen Reich. Ab ca. 1670 wechselte Frankreich von großflächiger Bündnispolitik (z.B. Rheinbund) zur gezielten Finanzierung einzelner Fürsten. Das Pensions- und Subsidienwesen in Bezug auf das Reich wurde gegen Ende des 17. Jahrhunderts zu einem europäischen Phänomen, als England und die Niederlande auch stärker auf diese Instrumente setzten.

Im folgenden Kapitel von etwas mehr als 40 Seiten zum Ende des Dreißigjährigen Krieges und den Bestimmungen des Westfälischen Friedens schaut Flurschütz da Cruz auf die militärischen und völkerrechtlichen Folgen des Vertrags für das Heilige Römische Reich und insbesondere die Entwicklung des ius foederis der Reichsfürsten. Die Fürsten wurden dadurch zu halbsouveränen Akteuren mit wachsender außenpolitischer Handlungsfreiheit – vor allem über Subsidienverträge. Der Kandiakrieg gegen die Osmanen bot dabei eine besonders geeignete Bühne, auf der Reichsfürsten sich international als Verteidiger der Christenheit profilieren konnten.

Es folgt das fast 350 Seiten umfassende Kapitel „In Principio erat Venetia“ zur Markusrepublik und ihrem Bedarf an Humankapital als Prototyp und Motor des frühneuzeitlichen Subsidienwesens. Hier zeigt Flurschütz da Cruz die engen Beziehungen zwischen der Republik Venedig und ausgewählten Reichsständen vor allem im 17. Jahrhundert auf. Venedig war auf ausländische Truppen angewiesen und erkannte früh das Potenzial süddeutscher Adeliger als Broker, um sich landesherrlich organisierte Gewaltmärkte zu eröffnen. Die Eidgenossenschaft, einst zentraler Partner Venedigs, verlor wegen französischer Exklusivverträge zunehmend an Bedeutung. Deshalb bemühte sich Venedig um neue Partner unter den Reichsfürsten. Die Republik trat dabei nicht nur als Käufer von Humankapital auf. Venezianische Gesandte und Residenten etablierten für die Nutzung deutscher Soldtruppen dichte Netzwerke vor allem über niederadelige Partner. Über sie wurde die Kooperation mit kleineren Reichsfürsten zur tragenden Säule venezianischer Wehrfähigkeit im späten 17. Jahrhundert. Flurschütz da Cruz zeigt, dass die Kreisstrukturen eine Möglichkeit boten, Nachrichten und militärische Appelle flächendeckend zu verbreiten. Die Rolle der Reichskreise als Informationsvermittler und Mobilisierungsplattformen wurde in den folgenden Jahrzehnten weiter ausgebaut. So konnte Venedig bis ins frühe 18. Jahrhundert stetig auf die Söldner aus dem Heiligen Römischen Reich bauen.

Nach dem Frieden von Passarowitz 1718 endete Venedigs militärische Präsenz auf dem europäischen Söldnermarkt. Das Subsidienwesen entfaltete sich im 18. Jahrhundert nun auf den westlichen und kolonialen Kriegsschauplätzen, was im folgenden, etwa 30-seitigen Kapitel ausgeführt wird. Deutsche Fürsten stellten zahlreichen Seemächten Truppen, besonders im Spanischen Erbfolgekrieg und noch mehr im Siebenjährigen Krieg. Trotz wachsender Kritik und logistischer Probleme blieb das Modell attraktiv. Soldtruppen dienten jahrzehntelang in niederländischen Diensten, unter anderem auch in Übersee – etwa in Surinam, Südafrika und im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Der britisch-waldeckische Vertrag von 1776 zeigt exemplarisch die Kulmination dieser Entwicklung. Obwohl Waldeck nur ein kleines Kontingent stellte, wurde der Fürst vom britischen König als „Blutsverwandter“ angesprochen. Die militärischen Allianzen schufen eben nicht nur ökonomische Verbindungen, sondern festigten vor allem dynastische und klienteläre Beziehungen in der frühneuzeitlichen Adelsgesellschaft.

In einem Ausblick zeigt Flurschütz da Cruz das Ende des frühneuzeitlichen Subsidienwesens auf. Im späten 18. Jahrhundert setzte eine zunehmend kritische Auseinandersetzung mit diesem Phänomen ein. Literarische und politische Debatten prangerten die Praxis als unzeitgemäß und moralisch verwerflich an. Der Einsatz deutscher Soldaten im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg wurde in der Öffentlichkeit als Symbol für willfährige Untertanen skrupelloser Fürsten wahrgenommen. Besonders Hessen-Kassel geriet ins Zentrum dieser Kritik und wurde zum Synonym für „Soldatenverkauf“. Begriffe wie „Blutgeld“ oder „Menschenhandel“ zeugen vom emotionalisierten Sprachgebrauch der Gegner. Diese Invektiven wirkten weit über das 18. Jahrhundert hinaus: Friedrich Kapps Schrift von 1864 prägte nachhaltig das Bild vom Soldatenhandel als Schandfleck deutscher Geschichte und wurde zur Grundlage der borussisch-nationalen Reichsstaatsidee, die die Kleinstaaterei delegitimierte. Historische Differenzierungen traten zurück, pauschale Verurteilungen dominierten. Auch in der DDR, der BRD und in populären Medien blieb der Mythos vom „Soldatenhandel“ virulent. Flurschütz da Cruz betont hingegen, dass die Kritik erst zur Spätphase des historischen Phänomens einsetzte und in vielerlei Hinsicht den Kern des Sachverhalts verfehlt, vor allem in ihren relativ pauschalen Urteilen.

Im Schlusskapitel fasst der Autor die Kernerkenntnisse der Studie zusammen. Er betont, dass die Subsidienverträge nur selten primär ökonomische Transaktionen, sondern meist eingebettet in komplexe Fragen der Ehre, Hierarchie und Anerkennung waren. Vor allem im Reich wurde Truppenvermietung zu einem Mittel politischer Souveränitätsbehauptung. Die armierten Stände bildeten ein alternatives Machtzentrum, entwickelten eigene Außenbeziehungen und traten als diplomatische Akteure auf. Mit der Zeit wandelte sich das Subsidienwesen: Die Verträge wurden standardisierter, die persönlichen Zeremonien gingen zurück, die Rolle von niederadeligen Vermittlern nahm ab und die Bürokratisierung hingegen zu. Die politische Symbolkraft blieb jedoch bestehen. Militärmietverträge manifestierten politische Bündnisse, ermöglichten den sozialen Aufstieg und prägten nachhaltig die internationale Stellung der beteiligten Reichsfürsten. Erhellend ist die Analogie zur Schuldenökonomie der Frühen Neuzeit, die viele Akteure in dauernde Bindungen zueinander brachte. So waren Truppenvermieter nicht selten selbst Mieter von Truppen – und in beiden Fällen verstärkte dies die horizontalen Bindekräfte der Adels- und Fürstengesellschaft. Exemplarisch sei ein Zitat wiedergegeben: „Ein ähnliches, norddeutsches Beispiel stellt der Mecklenburger Herzog Friedrich Wilhelm I. dar, der 1701 seine komplette Infanterie bis auf wenige Mann an die Generalstaaten der Niederlande vermietete und sich daher noch im gleichen Jahr dazu gezwungen sah, von Herzog Friedrich Wilhelm von Schleswig-Holstein (1668–1714) 600 Fußsoldaten und 300 Kavalleristen anzumieten, um sein Land nicht völlig schutzlos zurückzulassen.“ (S. 538)

Manche neueren Erkenntnisse der Arbeit zur Reichsgeschichte seien hier explizit hervorgehoben. So kann Flurschütz da Cruz herausarbeiten, dass die selten betonte Trennung der Reichsstände in armierte und nicht-armierte seit dem Westfälischen Frieden einen essentiellen Unterschied im Reichsgefüge zur Folge hatte. Die Herrscher solcher Territorien konnten durch die Truppenvermietung Prestige erwerben und damit in der Fürstengesellschaft wichtige Vorteile erringen. Entsprechend war die Söldnervermietung besonders für eine Art von Territorien interessant: Mittelmächtige, protestantische territoriale Stände unterhalb der Kurwürde – da diese am meisten Prestige aus der Truppenvermietung ziehen konnten. Die Evidenz spricht deutlich dafür. Die sächsische Truppenvermietung blieb eine eher gescheiterte Episode. Brandenburg zog sich aus diesem Geschäft nach Erwerb der preußischen Königskrone 1701 weitgehend zurück. Die geistlichen katholischen Territorien folgten keiner dynastischen Logik, daher war für sie die Soldatenvermietung kaum interessant. Die weltlichen katholischen Territorien, insbesondere Kurbayern und die Habsburgermonarchie standen aus verschiedenen Gründen dem Soldatenhandel eher distanziert gegenüber, unter anderem weil für sie die Heiratspolitik anderen Zielsetzungen als bei den mindermächtigen protestantischen deutschen Fürsten folgte. Alleine diese Evidenz zeigt bereits, dass die Vermietung der Landestruppen finanziell offenbar nicht besonders interessant war. Es waren im Wesentlichen Württemberg, Waldeck, Braunschweig-Lüneburg, Hessen-Kassel und weitere ähnlich strukturierte Reichsstände, die überproportional im Soldatenhandel engagiert waren, da deren Dynastien hier prospektiv am stärksten gewinnen konnten. Dies galt umso mehr, als Subsidienverträge häufig mit Eheverbindungen einhergingen und damit die Einheiratung dieser Dynastien in die mächtigere europäische Fürstenwelt möglich wurde.

Die Arbeit bringt bedeutende Erkenntnisse im Feld der erneuerten Militärgeschichte. Ebenfalls werden viele Aspekte zur Reichsgeschichte hier erhellt und damit auch wichtige Umgewichtungen vorgenommen. Die Trennung zwischen den armierten und nicht-armierten Ständen sollte künftig wohl noch schärfer in den Blick genommen und ihr innerhalb des Repertoriums fürstlicher Politik im Zeitalter des Ancien Régime dem Medium des Soldatenhandels als einer weiteren Handlungsoption (neben den bekannten Optionen wie dynastischer Politik, höfischem Leben, Patronage, Mäzenatentum, u.v.m.) noch mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden. Auf Desiderate im Feld der Geschlechtergeschichte angesichts der „überraschend oft [bei Subsidienverhandlungen; MR] beteiligten Frauen“ sowie bei Forschungen zum Alltag und den Lebenswelten der Soldaten verweist der Autor selbst (S. 561).

Diese Anmerkungen zeigen, welches Forschungspotential mit der vorliegenden Studie eröffnet wurde. Nicht nur wurde die Scharnierfunktion der deutsch-venezianischen Verflechtung in den 1640er Jahren für die Zukunft des deutschen Soldatenhandels in einem hohen Detailgrad erhellt. Die konzeptuellen Einsichten zur geringen monetären Lukrativität und die Herausstellung einer doch sehr anderen handlungsleitenden Logik beim Soldatenhandel weisen der Forschung neue Perspektiven. Spätestens mit dieser Studie sind Ansichten der großen Einkünfte aus dem Soldatenhandel, die von den Eliten des Reiches verprasst wurden, wie sie Ludwig Beutin 1933 vorbrachte, in das Reich der Legenden verwiesen.