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Kommission für bayerische Landesgeschichte

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Konrad J. Kuhn/Martin Nitsche/Julia Thyroff/Monika Waldis (Hg.)

ZwischenWelten. Grenzgänge zwischen Geschichts- und Kulturwissenschaften, Geschichtsdidaktik und Politischer Bildung. Festschrift für Béatrice Ziegler.

Münster 2021, Waxmann, 421 Seiten mit Abbildungen, ISBN 978-3-8309-4337-2


Rezensiert von Torsten Bendl
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 07.10.2025

Eine Festschrift zu besprechen, ist eine Herausforderung. „ZwischenWelten“ bildet hier keine Ausnahme. Der Band würdigt die Schweizer Historikerin und Didaktikerin Béatrice Ziegler, die unter anderem als Professorin für Geschichte der Neuzeit an der Universität Zürich, sowie als Leiterin des Zentrums Politische Bildung und Geschichtsdidaktik an der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz tätig war. Zieglers Forschungen zeichneten sich durch eine trans- und interdisziplinäre Herangehensweise aus und es ist nur folgerichtig, dass die von Konrad J. Kuhn, Martin Nitsche, Julia Thyroff und Monika Waldis herausgegebene Festschrift Themen beleuchtet, die „Wissen aus verschiedenen Richtungen integrieren“ (17). Die auf die Einleitung, in der auch Béatrice Zieglers akademisches Lebens vorgestellt wird, folgenden 25 Aufsätze (davon 23 in deutscher und jeweils einer in englischer und französischer Sprache) sollen entsprechend das „Dazwischen“ der einzelnen Forschungsfelder betonen. Unterteilt in die vier Kategorien „ZwischenZeitRäume“, „ZwischenDisziplinen“, „ZwischenBegriffe(n)“ und „ZwischenMethode(n)“ behandeln sie etwa die Rolle von Migration und deren Vermittlung im Geschichtsunterricht, die Beteiligung der Schweiz am System des Kolonialismus, sowie Themen und Objekte, die sich zwischen Disziplinen oder Genres befinden. Der Großteil der Beiträge lässt sich der Geschichtsdidaktik zuordnen, doch versammelt der Band auch wissenschafts- und kulturhistorische, soziologische und juristische Perspektiven. Die „Polemik“ von Walter Leimgruber (99–116) entzieht sich dieser Zuordnung, da sie vor allem eine persönliche Reflexion über die Erfahrungen eines Akademikers und seiner Familie in ihrem „globalen Alltag“ (102) während der Corona-Pandemie in Verbindung mit Überlegungen zur Auswirkung der Krise auf die Demokratie und den Wissenschaftsbetrieb darstellt.  

Die Einleitung leitet knapp in die unterschiedlichen Perspektiven ein und geht insbesondere auch auf die etymologische Herkunft der für den Band ausschlaggebenden Begriffe des „Zwischens“ und der „Grenzgänger“ ein. Ein grober Überblick über die vier Hauptbereiche des Werkes ist zwar gegeben, doch eine klarere Verbindung zwischen den einzelnen Aufsätzen wäre hilfreich gewesen. Dies hätte entweder durch inhaltliche Bezüge oder durch eine persönliche Ebene geschehen können – etwa indem erläutert wird, wie die Autorinnen und Autoren mit der Jubilarin verbunden sind. So wäre die Zusammenstellung des Bandes besser nachvollziehbar geworden.

Besonders der erste Teil, „ZwischenZeitRäume“, ist geprägt von einer großen Varianz an Themen und Inhalten. So geht es allein in den ersten drei Artikeln um Themen, die für sich genommen wenig Verbindungspunkte haben. Bei Markus Furrer liest man über die Entwicklung der Bedeutung von Migration im Geschichtsunterricht an Schweizer Schulen im Lauf des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart (21–34), bei Mischa Gallati über die schwierige Verortung des Schweizer Mittellandes zwischen Jura und Alpen und der daraus folgenden Versuche seiner Bewohnerinnen und Bewohner, eine eigene Identität aufzubauen (35–47), und Hans-Ulrich Grunder vergleicht die Rolle von Schule und Bildung in verschiedenen utopischen Werken seit dem 17. Jahrhundert (48–62). Thematisch einander ähnlich sind Martin Lengwilers Betrachtung der Schweizer Kaufleute und Versicherungsunternehmen im Kolonialismus (117–130) und Bernhard C. Schärs Untersuchung darüber, wie die im 18. Jahrhundert entdeckten Pfahlsiedlungen in der Schweiz zusammen mit den Stimmen der lokalen alpinen Bevölkerung bis ins 20. Jahrhundert hinein als Vergleichspunkt für die Untersuchungen mit den neu „entdeckten“ Völkern des Pazifiks herangezogen wurden (148–169).

Daneben finden sich Untersuchungen zur Rolle der Frauen im Vorfeld und im Nachgang der Baustelle des Staudamms Mattmark und dem damit einhergehenden katastrophalen Gletschersturz (Elisabeth Joris, 63–79), zu den verschiedenen Bildern, die durch die Herstellung und Verbreitung von Spielzeugindianern seit den 1960er Jahren vermittelt wurden (mit einem Plädoyer, bei einer derartigen Auswertung trotz aller Schwierigkeiten auch den performativen Akt des Spielens mit einzubeziehen) (Christoph Kühberger, 80–89) und zur Frage, welchen konkreten Wert der Unterricht von Globalgeschichte in Schulen hat (Philipp Marti, 131–147).

Der Block „ZwischenDisziplinen“ thematisiert vor allem die Aushandlung von Schnitt- und Trennpunkten zwischen politischer Bildung und Geschichtsdidaktik. Martin Nitsche stellt einen Ansatz vor, Konzepte individuellen historischen Lernens und gemeinschaftlicher Geschichtskultur miteinander zu verbinden (225–238), Nadine Fink und Julia Thyroff diskutieren jeweils die Schwierigkeiten bei der Aushandlung kontroverser Themen im Unterricht (173–185; 251–265) und Simon Affolter und Vera Sperisen zeigen, wie antirassistische Bildung durch das „Korsett hegemonialer Bildungsordnungen“ (239) erschwert wird (239–250). Peter Gautschi wiederum versucht am Beispiel einer Unterrichtsstunde als „gelungener Vermittlungspraxis“ (187) zu zeigen, wo sich die Geschichtsdidaktik im Wechselspiel mit anderen Disziplinen verorten sollte, um als angewandtes Fach neue Konzepte zur Geschichtsvermittlung entwickeln zu können (186–200). Abgerundet wird die Sektion durch Georg Weißenos explizite Auseinandersetzung mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Politik- und Geschichtsdidaktik. Ausnahmen zur Dominanz didaktischer Themen innerhalb von „ZwischenDisziplinen“ bilden die Untersuchungen Andreas Glasers und Gisela Haussʼ. Glaser zeigt, wie unterschiedlich einzelne Kantone den zu einem Abschluss führenden Unterricht politischer Bildung als ausreichend für die Vergabe der Staatsbürgerschaft bewerten (201–212). Während in Basel-Stadt etwa der Besuch der Schule, insbesondere der Sekundarstufe, als ausreichend angesehen wird, verlangt der Kanton Aargau einen zusätzlichen Nachweis über Staatsbürgerkenntnisse. Hauss wiederum untersucht die „Anstalt“ (insbesondere im Sinne von Kinder- und Jugendheimen) unter dem Begriff des „Grenzobjekts“ nach Susan Leigh Star und James Griesemer (213–224). Sie kommt zu dem Schluss, dass die Anstalt sowohl durch erneuerte theoretische Konzepte als auch durch (meist negative und schockierende) Berichterstattung Veränderungen erfuhr, dass Grenzobjekte generell wegen dieser Veränderungen nicht abschließend verhandelt werden können und Anstalten im Speziellen wie Grenzobjekte im Allgemeinen sich vor allem durch ihre Heterogenität und Widersprüchlichkeit auszeichnen.

In „ZwischenBegriffe(n)“ handeln die Aufsätze von den Schwierigkeiten einzelner Begrifflichkeiten. Andreas Körber setzt sich etwa mit der Problematik des „Fakten“-Begriffs im Geschichtsunterricht und dem Umgang mit der Feststellung, dass Fakten nicht gegebene, sondern gesellschaftlich und wissenschaftlich ausgehandelte Facetten des Historischen seien, auseinander (283–291). Dass der Begriff „Geschichte“ wiederum kolonial konnotiert und entsprechend problematisch aufgefasst werden kann, diskutiert Bea Lundt in ihrem Beitrag über das Geschichtsverständnis in Ghana (293–308). Einerseits ist der Blick in die Vergangenheit in der ghanaischen Kultur tief verwurzelt, andererseits aber ist die akademische Geschichtswissenschaft in Ghana wenig verbreitet. Das liegt an der Assoziierung des Faches mit dem Kolonialismus. Der Bevölkerung Ghanas wurde im 19. Jahrhundert Geschichte vor allem durch die Kolonialmacht aufgezwungen, um ein europäisches Überlegenheitsnarrativ zu verbreiten. Um das Geschichtsstudium attraktiver zu machen, wurden daher in den vergangenen Jahren neue Curricula umgesetzt, die einerseits das ghanaische Geschichtsverständnis stärker betonen und andererseits, auch in Hinblick auf den Arbeitsmarkt, thematische Schwerpunkte, etwa in Hinblick auf Wirtschaftsgeschichte, Gender Studies oder Diplomatie, setzen.

Zudem gibt es in dieser Sektion noch eine Auswertung einer aufgrund der Corona-Pandemie ins Digitale verlegten Ausstellung des Kreismuseums Mühldorf am Inn zum Verhältnis von Theorie und Praxis von Waltraud Schreiber (309–331) und eine Analyse von Regina Wecker zu den antidemokratischen, antisemitischen und antifeministischen Äußerungen des Schweizer Kunsthistorikers Jacob Burckhardt (332–347).

Zuletzt wird die Kategorie „ZwischenMethoden“ behandelt. Darin stellt Andrea Bertschi-Kaufmann zunächst vor, wie sehr das Geschlecht eine Rolle auch bei so entkörperlicht erscheinenden Tätigkeiten wie dem Lesen spielt (351–368). Sie zeigt, dass Mädchen und Frauen sowohl einen anderen Zugang zum Lesen haben als auch die damit verbundenen Rollen und Inhalte sich auf das Verhalten auswirken. So wurde im 19. Jahrhundert befürchtet, dass das Lesen für Frauen einen negativen Effekt auf die Geschlechtsorgane habe. Gleichzeitig entwickelte sich ein speziell auf heranwachsende Mädchen zugeschnittenes Genre, die sogenannte „Backfisch-Literatur“ (365).

In den weiteren Aufsätzen werden der Wert der Oral-History für die Geschichtsdidaktik (Bodo von Borries, 369–381), die Innovationskraft durch Elternräte an Schweizer Schulen (Patricia A. Buser u. Daniel Kübler, 382–403) sowie der Einsatz von Mixed-Methods bei einer geschichtsdidaktischen Gebrauchsanalyse des Schweizer Rütli (Martin Schaub, 404–416) ausgewertet.

Insgesamt bleibt nach der Lektüre der Eindruck, dass die zahlreichen Beiträge aus „ZwischenWelten“ viele interessante Themen behandeln, die zwar selten Neues sagen, aber einen guten Überblick über den aktuellen Stand der Forschung bieten. Als Gesamtwerk hätte sich der Rezensent aber mehr Querverbindungen zwischen den einzelnen „Dazwischen“ gewünscht. Dazu scheinen die einzelnen Beiträge jedoch inhaltlich zu weit auseinander zu liegen, als dass ein verbindendes Element des „Dazwischen“-Seins innerhalb des Sammelbands eruiert werden könnte.