Logo der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

Kommission für bayerische Landesgeschichte

Menu

Aktuelle Rezensionen


Enno Bünz/Wolfgang Weiß (Hg.)

Region–Kultur–Religion. Festschrift für Klaus Reder zum 65. Geburtstag

(Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg 82), Würzburg 2023, Echter-Verlag, 536 Seiten mit Abbildungen, ISBN 978-3-429-05928-6


Rezensiert von Jochen Alexander Hofmann
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 09.10.2025

Den 65. Geburtstag des unterfränkischen Bezirksheimatpflegers Klaus Reder würdigt der Würzburger Diözesangeschichtsverein mit der mehr als 500-seitigen Festschrift „Region – Kultur – Religion“. Der Themenkanon im Titel vereint harmonisch die persönlichen, wissenschaftlichen und beruflichen Interessen und Handlungsfelder des Geehrten, der seit 1986 für die Kultur- und Heimatpflege des Bezirks Unterfranken tätig ist (seit 1999 als deren Leiter) und seit 2007 als Honorarprofessor für Volkskunde/Europäische Ethnologie an der Universität Würzburg lehrt (zuvor seit 1996 als Lehrbeauftragter).

Vor- und Grußworte, unter anderen von Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, und Franz Jung, Bischof von Würzburg, sowie eine persönliche Würdigung durch Reders oberfränkischen Kollegen Günter Dippold zeichnen den Lebens- und Berufsweg des im Grabfeld geborenen und aufgewachsenen Jubilars nach und betonen seine bleibenden Verdienste für die regionale Alltagsgeschichte und die kulturelle Landschaft Unterfrankens. Dazu zählen unter anderem der Einsatz für die Erinnerung an die zerstörte Kultur der Jüdinnen und Juden in der Region, die kritische Analyse und Edition der bayerischen Physikatsberichte, die Dokumentation von Objekten der Sachkultur sowie die Unterstützung kleiner, ehrenamtlich geführter Museen. Auch der Mensch Klaus Reder wird porträtiert, betont wird seine tiefe Verwurzelung sowohl im christlichen Glauben wie im ländlichen Franken.

Die damit bereits angeklungenen (Lebens)themen Klaus Reders variieren in der Folge 30 Beiträge in vielfältiger Weise. Sie sind in fünf unterschiedlich lange Kapitel gegliedert: „Franken und das Reich im Mittelalter“ (33–66), „Glaubensleben und Brauchtum“ (67–230), „Bildende Kunst und Musik“ (231–368), „Überlieferung und Erinnerungskultur“ (369–472) sowie „Museen, Popmusik und Opferkrippen – acht Miszellen aus der unterfränkischen Bezirksheimatpflege“ (473–524). Dieser letzte Abschnitt ist bemerkenswert, da die Beiträge von Reders eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stammen und er somit, den Herausgebern Enno Bünz und Wolfgang Weiß zufolge, „fast eine Festschrift in der Festschrift darstellt“ (13).

Die ersten beiden Aufsätze führen in das späte Mittelalter und zeigen die Einbettung des Hochstifts Würzburg in die Reichsgeschichte auf. Die übrigen Beiträge widmen sich der Neuzeit und der Zeitgeschichte, verbleiben regional jedoch meist in (Unter-)Franken.

Dass die jahrhundertelange katholische Prägung dieser Region auch heute auf Schritt und Tritt zu erkennen ist, zeigen Wolfgang Brückners „Skizzen zu bloßen Zufallsfunden vom Spazierengehen“ (99). Freilich erfasste der Blick des Altmeisters der Frömmigkeitsforschung mit den fränkischen Klosterdörfern und der Verehrung des Hl. Cyriacus in Franken zwei Phänomene, die ungeübtere Augen wohl übersehen würden (99–110).

Bisher zu wenig beachtet wurden offenbar auch die in Franken so häufigen, meist lebensgroßen Ölbergdarstellungen an den Außenwänden katholischer Kirchen (111–145). Enno Bünz weist auf Erfassungslücken in der vorliegenden Literatur hin. Mit der detaillierten Dokumentation der Ölberggruppen an Würzburger Kirchen und der Dokumentation ihrer Bedeutung für die alltägliche Frömmigkeit zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit gibt der Autor einen kräftigen Anstoß zur weiteren Forschung.

Auf so manchen Besucher werden die vier „Heiligen Leiber“ – reich mit Posamentierarbeit geschmückte Skelette, sogenannte „Katakombenheiliger“ – von Kloster Banz wohl einen makaber-gruseligen Eindruck machen. Dabei wurden sie von den oberfränkischen Benediktinern mit hohem Aufwand beschafft – in zwei Fällen wohl direkt in Rom – und in Bamberg von den Englischen Fräulein aufwendig ausgestattet, wie Günter Dippold (147–157) aus den Quellen nachzeichnen kann.

Dass historische Glaubenswelten und –praktiken heute eher fremd wirken können, zeigt auch Norbert Kandlers mikrohistorische Spurensuche nach der Herkunft der „Sündenzettel“, die 1973 bei Bauarbeiten in der Kirche von Neubrunn in den Haßbergen entdeckt wurden. Zwischen 1776 und 1805 hatte der Dorfschullehrer darauf genau notiert, wie er gesündigt hatte und wann er zur Beichte ging. Von dieser Quelle ausgehend rekonstruiert Kandler ein spannendes mentalitätsgeschichtliches Zeitbild des ausgehenden 18. Jahrhunderts, in dem die Furcht vor dem alles sehenden und strafenden Gott trotz der Aufklärung gegenwärtig war.

Wie ein Lied aus dem 18. Jahrhundert, das ursprünglich auf die Wallfahrt zur oberbayerischen Wieskirche bezogen war, sich im 19. Jahrhundert mit den fränkischen Wallfahrten auf den Kreuzberg in der Rhön beziehungsweise ins odenwäldische Walldürn verband und so als fränkisches „Volkslied“ dokumentiert wurde, um schließlich durch die Volksliedpflege des 20. Jahrhunderts auch in Altbayern wieder bekannt gemacht zu werden, analysiert Armin Griebel (287–310).

Dass das lange verbreitete stereotype Bild des „katholischen“, des „heiligen“ Frankens sich auch aus geschichts- und kulturpolitischen Absichten des 19. Jahrhunderts speiste, verdeutlicht Wolfgang Weiß in seinem Porträt des Würzburger Universitätsbibliothekars und „klerikalen Aktivisten“ (391) Johann Baptist Stamminger (1836–1892) (391–416).

In die Gegenwart und ins evangelische Franken führt der Beitrag von Heidi Christ zum „Christkindlesrunterläuten in Leutershausen“ (183–197). In geradezu detektivischer Manier spürt sie den Ursprüngen und Wandlungen dieses „scheinbar einmaligen“ (183) und „vorgeblich ‚jahrhundertealten‘ Brauch[es]“ (183) nach. Wieder einmal stellt sich heraus, dass die historischen Quellen kaum ins 19. Jahrhundert zurückreichen und die gegenwärtige Form des Brauchs auf eine Reaktivierung nach dem Zweiten Weltkrieg zurückgeht. Gleichwohl ist der Brauch lebendig und hat sich in jüngerer Zeit als anpassungsfähig erwiesen.

Dies gilt auch für die fränkische Kirchweih, der sich Nicolas Jagla am Beispiel von Mönchsondheim widmet. Auf der Grundlage aktueller wie bereits in den 1990er Jahren erstellter Zeitzeugeninterviews kann er typische Elemente und Abläufe dieses Festes und deren Wandel im 20. Jahrhundert herausarbeiten. Mönchsondheim war im Übrigen ein evangelischer Ort, wie auch Melkendorf bei Kulmbach, dessen Pfarrkirche St. Aegidius ein Beispiel für protestantischen Barock in Franken darstellt, einschließlich Hochaltar und Beichtstuhl. Die entscheidende Bauphase 1730/31 zeichnet Ulrich Wirz nach (279–285).

Neben der katholischen Mehrheit und einer evangelischen Minderheit waren es in besonderer Weise Menschen jüdischen Glaubens, die das (ländliche) Unterfranken prägten. Klaus Reder hat sich über Jahrzehnte hinweg für die historische Erforschung des fränkischen Judentums und eine aktive Erinnerungskultur engagiert. Zu den wichtigsten Gedenkorten jüdischen Lebens zählen die über vierzig noch vorhandenen Friedhöfe, darunter der bereits im 16. Jahrhundert angelegte „Judenhügel“ bei Kleinbardorf mit über 3.000 Grabmälern. Reinhold Albert stellt diesen und weitere jüdische Friedhöfe im Landkreis Rhön-Grabfeld vor (67–98) und setzt ihre Geschichte in Beziehung zum Schicksal des unterfränkischen Landjudentums.

Eine weitere Gruppe von Beiträgen stammt aus der Praxis der regionalen Kulturarbeit und Geschichtsforschung: Thomas Wehner stellt mit den Pfarrchroniken und Pfarreigeschichten im Bestand des Würzburger Diözesanarchivs einen überaus vielversprechenden Quellenbestand vor (417–441). Katrin Schwarz blickt auf die Geschichte der 1943 gegründeten Würzburger Diözesanbibliothek und die Entwicklung ihrer Bestände und Aufgaben zurück (459–471). Nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen wird Erich Schneiders Plädoyer für neue Sammlungsstrategien der Museen und die Einrichtung regionaler Zentraldepots (347–367).

Aus dem Arbeitsalltag der unterfränkischen Bezirksheimatpflege gegriffen sind die schon erwähnten kleinen Beiträge der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Klaus Reders: Josefine Glöckner erläutert am Beispiel zweier Skulpturen des Hl. Georg die Ansätze zur inklusiven Neugestaltung des Graf-Luxburg-Museums (475–480). Celia Maurer stellt mit Weihwasser-Kesselchen eine Objektgruppe des ebenfalls in Schloss Aschach untergebrachten Volkskundemuseums vor (481–488) und Annemarie Heuler dokumentierte die Weihnachtskrippen in über 900 Kirchen der Region und fand dort unter anderem 59 mechanische „Krippenopferstöcke“, bei denen nach dem Einwurf einer Münze die Kirchenglocken läuten, Lichter aufleuchten und sich Figuren bewegen (489–496). Auch moderne Sachzeugnisse der katholischen Frömmigkeit zu sammeln und zu erschließen, war Klaus Reder stets ein besonderes Anliegen.

Anne Kraft setzt sich mit der Wechselbeziehung von „Heimat“ und „Museum“ auseinander (497–502); Riccardo Altieri schildert, wie die jüdische Erinnerungskultur in Unterfranken in den 1980er Jahren ihren Anfang nahm und welche Rolle Klaus Reder schon damals gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde, David Schuster, spielte (503–507). Benjamin Haupt unterstreicht die Bedeutung der Popkultur für die Entwicklung attraktiver ländlicher Räume (509–512) und Christiane Landgraf weist auf den Quellenwert von Vereins-Festschriften für die Regionalforschung hin (513–519).

Birgit Speckle schließlich widmet sich den bayerischen Physikatsberichten. Klaus Reder hat über diesen wertvollen, aber kritisch zu lesenden Quellenbestand des 19. Jahrhunderts nicht nur seine Dissertation verfasst, sondern sich auch danach für deren Transkription, Kommentierung und Veröffentlichung – im Druck sowie im Internet – eingesetzt. Die zahlreichen Beiträge Reders zu den Physikatsberichten, wie auch seine übrigen Publikationen, finden sich im chronologischen Schriftenverzeichnis wieder, das den Band beschließt.

Leider können hier nicht alle Artikel vorgestellt werden, sie sind jedoch durchweg lesenswert. Obwohl eine Festschrift immer auch dem Rückblick auf Erreichtes dient, weisen die meisten Beiträge in die Zukunft, indem sie auf blinde Flecken der bisherigen Forschung und bislang noch kaum benutzte Quellen hinweisen. Bemerkenswert ist zudem, dass fast alle Autorinnen und Autoren Realien und Praktiken als Ausgangspunkt ihrer Analysen und Darstellungen wählen. Der inhaltliche und methodische Bezug zu der von Klaus Reders akademischem Lehrer Wolfgang Brückner an der Universität Würzburg einst geprägten „Volkskunde als historischer Kulturwissenschaft“ ist zu erkennen. Der vorliegende Band stellt somit nicht nur eine verdiente Anerkennung für das arbeits- und erfolgreiche Wirken Klaus Reders dar. Er zeigt auch, welche Kraft und Faszination eine weitblickende und zugleich auf die konkreten Tatsachen fokussierende, vielleicht typisch fränkische Perspektive auf Geschichte und Kultur entfalten kann.