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Beat Föllmi

Kruzifix und Geisterbeschwörung. Religion in deutschen Vorabendkrimis

Münster 2023, Aschendorff Verlag, 222 Seiten mit Abbildungen, ISBN 978-3-402-25013-6


Rezensiert von Anna-Katharina Höpflinger
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 09.10.2025

„Ausgangspunkt meiner Überlegungen war der Eindruck, dass religiöses Verhalten in vielen kulturellen Produkten der Gegenwart als ‚Abweichung‘ von der Norm dargestellt wird.“ (9) Diese Beobachtung, die der Autor Beat Föllmi in seiner Einleitung formuliert, führt in eine äußerst aufschlussreiche Studie ein, die der Homogenisierung und Stereotypisierung von Religion in Medien nachgeht. Beat Föllmi untersucht 890 deutschsprachige Vorabendkrimis aus zwölf verschiedenen Serien, unter anderem „Großstadtrevier“, „München 7“, „Morden im Norden“, „Hubert und Staller/Hubert ohne Staller“ und „Alles Klara“. In 71 der betrachteten Serienfolgen kommen religiöse Themen explizit zur Sprache. Diese wurden für eine genauere Analyse ausgewählt. Beat Föllmi fragt danach, wie religiöse Themen in den Vorabendkrimis aufgenommen und dargestellt werden, welche Religionen dabei vorkommen und wie diese religiösen Motive in den Serien gewertet werden. Seine Grundannahme ist, dass „Vorabendserien innerhalb ihres Zielpublikums mehrheitsfähig sein wollen bzw. müssen. Der Zuschauer soll in seinen Wertvorstellungen und in seinem sozialen und gesellschaftlichen Kontext bestätigt werden“ (11). Als konzeptuelle Kategorien für die Erfassung von Religion wählt Föllmi „deskriptiv“ und „normativ“: Unter „deskriptiv“ wird verstanden, wenn die Serien „die Realitäten der Rezipienten abbilden“ (gemeint sind damit empirisch beobachtbare Wirklichkeiten in einem bestimmten kulturellen Setting), unter „normativ“ versteht er „Werte und Verhaltensweisen, die von den Rezipienten zwar als allgemeingültig anerkannt werden, obgleich sie zu den tatsächlichen Realitäten in Spannung stehen können“ (11). Dieses Normative herauszukristallisieren und zu verstehen, ist meines Erachtens ein besonders wichtiges Ziel des Buches.

Die Analyse der Serien wird im Buch anhand inhaltlicher Kategorien der Darstellung von Religion systematisiert: Beat Föllmi führt die Lesenden von der Inszenierung religiöser Menschen in Kapitel 1 „Homo religiosus“ und Kapitel 2 „Institutionelle Vertreter: Priester und Pastoren“ über die Repräsentation verschiedener religiöser Gemeinschaften wie Freikirchen in Kapitel 3, „Lifestyle-Religionen“ in Kapitel 4, „Magie und Geisterbeschwörung“ in Kapitel 5 und zu der nichtchristlicher Religionen, die sich als nahezu abwesend erweisen, in Kapitel 7. Dazwischen ist mit Kapitel 6 eine Reflexion über „Religiöse Polemik und Antiklerikalismus“ in den Serien eingebunden. In den Kapiteln 8 bis 10 folgen Themen, die mit Religion verknüpft werden, konkret: religiöse Objekte, religiöser Analphabetismus und religiöse Narrative. Ein Schlusskapitel mit einer Synthese rundet die Studie ab, eine sehr nützliche Filmografie der untersuchten Serienfolgen ergänzt sie.

Dieses Buch richtet sich mit einem direkten und anschaulichen Schreibstil, Endnoten statt Fußnoten und einem sehr schönen Layout an eine breite interessierte Öffentlichkeit. Entsprechend dieser Zielgruppe ist die theoretisch-methodische Reflexion kurzgehalten, der Hauptfokus liegt auf den Serien. Was Beat Föllmi dabei herausarbeiten kann, ist bestechend und äußerst spannend. Religion wird in den ausgewählten Vorabendkrimis – so das deutliche Resultat – im besten Fall als etwas für Kinder und ältere Leute, also für (vermeintliche) Randgruppen der Gesellschaft, betrachtet, im schlechtesten Fall als problematisch bis hin zu gefährlich dargestellt. So werden etwa religiöse Personen in den Serien als moralisch rigide, sexual- und körperfeindlich bis hin zu abgrundtief böse inszeniert. Religion wird als das „Andere“ und als etwas „Abnormales“ dargestellt. Dabei ist auffällig, dass dies vor allem christliche Traditionen und neureligiöse Bewegungen betrifft. „Nicht-christliche Religionen werden sehr selten dargestellt oder sind vollständig abwesend, so zum Beispiel das Judentum oder der Hinduismus.“ (109) „Der Buddhismus kommt nur selten vor und wird fast ausschließlich in seiner europäischen Form gezeigt, als ein Amalgam esoterischer Praktiken, die zumeist von etwas schrulligen Personen ausgeübt wird.“ (110) Und auch „der Islam wird in den Vorabendkrimis auffällig selten thematisiert. Zwar kommen Migranten aus muslimischen Ländern durchaus vor, aber ihre Religionszugehörigkeit wird kaum erwähnt.“ (113)

Beat Föllmis Studie macht deutlich, dass Religion, bis auf wenige Ausnahmen, in den untersuchten Vorabendkrimis als negativ interpretiert wird. Religion wird „in den Bereich des Folkloristischen abgedrängt und dort marginalisiert oder sogar abgewertet“ (159). Religionen und religiöse Figuren werden damit als suspekt, rückständig und/oder naiv festgeschrieben. Religiöse Praxis gilt nur noch für religiöse Spezialisten und Spezialistinnen wie Pfarrerinnen oder Priester als „normal“ (160). Hinzu kommt, dass in den Serien eine Dichotomie zwischen einer säkularen Gesellschaft und religiösen Menschen geöffnet wird, in deren Ausarbeitung religiöse Menschen stereotypisiert und Religionen als „Fremdkörper“ inszeniert werden. Religion wird dabei oft so eng mit diesen religiösen Figuren verknüpft, dass religiöse Motive stets ihr Handeln zu bestimmen scheinen. Oder, wie Föllmi es prägnant formuliert, „religiöse Menschen […] töten meist, weil sie religiös sind“ (160, Hervorhebung im Original), während andere Gruppen wie Politiker, Ärztinnen oder Lehrpersonen Verbrechen aus gängigen Krimi-Motiven wie Gier, Eifersucht oder Habsucht begehen. Allgemein lässt sich eine Kritik an Religion, vor allem am Christentum, sowie ein Unverständnis für religiöse Handlungen und religiöse Lebensformen wie dem Kloster in den Krimiserien ablesen.

Die untersuchten Folgen bilden einen Spiegel dominanter öffentlicher Meinungen gegenüber Religion in Mitteleuropa; gleichzeitig repetieren und festigen sie dieses dominante Bild durch die sich wiederholende und vereinfachte Repräsentation jedoch auch. Damit entsteht ein Zirkel medialer Darstellung von Religion.

Beat Föllmis Buch liest sich – auch weil es für eine breite Öffentlichkeit angelegt ist – hervorragend. Das gut aufbereitete, spannende Thema, das angenehme Layout und die zahlreichen Farbabbildungen bewirken, dass man es kaum mehr aus der Hand legen kann und immer wieder auch an andere mediale Darstellungen von Religion erinnert wird. Hier ergeben sich auch zahlreiche Anschlussmöglichkeiten für weitere Untersuchungen. Die Studie zeigt auf, wie stereotypisierend mediale Bilder und Vorstellungen von Religion sind. Religion wird in einem großen Teil der untersuchten Krimifolgen als das „Andere“ stilisiert und als problematisch festgeschrieben. Dass dies einem dominanten Bild in den Medien Mitteleuropas entspricht, wird zwar im Buch nur am Rande angesprochen, schwingt aber mit. Das Buch entlarvt dadurch mediale normative Vorstellungen bezüglich des Zusammenlebens von Menschen in einer (vermeintlich) säkularen Umgebung, wobei Religion als das „Nicht-Normale“ konstruiert wird.

Beat Föllmi präsentiert also mit seiner Studie eine tiefgehende Analyse von Vorabendkrimis und damit von dominanten medialen Vorstellungen bezüglich Religion im heutigen deutschsprachigen Raum. Die Stärke des Buches liegt in dieser entlarvenden Sicht auf das Material und die sich darin abspielenden Othering-Prozesse. Es richtet sich an alle, die sich für die mediale Darstellung von Religion interessieren. Ich persönlich hoffe, dass es auch einige Krimi-Produzierende lesen und sich davon inspirieren lassen, öffentliche Stereotypen hinsichtlich Religion in ihren Büchern, Drehbüchern, Filmen und Serien nicht zu reproduzieren, sondern zu reflektieren.