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Binas-Preisendörfer, Susanne

Populäre Musik zwischen Musik- und Medienwissenschaften

(intro: Musikwissenschaft), Baden-Baden 2025, Rombach Wissenschaft, 230 Seiten mit Abbildungen, ISBN 978-3-96821-963-9


Rezensiert von Laura Niebling
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 14.10.2025

Populäre Musik und ihre Musikkulturen der Moderne sind ohne Medien, die Musik speichern, übertragen und bearbeitbar machen, nicht vorstellbar: „Populäre Kulturen sind Medienkulturen“ (35). Von dieser Prämisse geht die Paderborner Musikwissenschaftlerin Susanne Binas-Preisendörfer in diesem handlichen Einführungsband aus. Das Buch soll eine Lücke füllen, die ihr vor allem in der Lehre als Professorin für Musik und Medien begegnet und die auch in den großen Fachverbänden wie der International Association for the Study of Popular Music (IASPM) und in vielen Sammelbänden und Einführungen seit den 1980er Jahren immer wieder kritisch diskutiert wird. Es geht um die Herausforderung, populäre Musik und Medien im Verhältnis zu lesen – wenn auch vor dem Hintergrund der schon von Peter Wicke beschworenen kategorischen Unmöglichkeit, populäre Musik in einer begrenzten Buchform adäquat einzufangen. Der Titel des Bandes verspricht aber vor allem mit seiner Lese von „Populäre[r] Musik zwischen Musik- und Medienwissenschaft“ eine wichtige, aber inhaltlich nicht unproblematische Setzung der Perspektive.

Anstatt dem unmöglichen Versuch nachzugeben, eine umfassende Einführung zu schreiben, arbeitet das Buch mit einer Reihe von Exkursen zu einzelnen Musikmedien. Nach einer wissenschaftshistorischen und -theoretischen Einführung zur Forschung an und mit populärer Musik (15–35) bietet das Buch einen Exkurs zum Walkman-Dispositiv (Kontext: Medien in der Musikwissenschaft, Musik in der Medienwissenschaft) (35–65), zu verschiedenen Stadien der Tonträgergeschichte (Kontext: Industrie- und Technikgeschichte, Ästhetik und Nutzung) (65–107), zur Analyse populärer Musikstücke (107–141), zu In-Game Konzerten (Kontext: Live-Konzerte im Medienzeitalter) (141–173) und zu Musikfilmen (Kontext: Popmusikgeschichte(n) im Film) (173–207). Dieser Querschnitt durch mediale Repräsentationsformen wirkt zunächst etwas arbiträr, deckt in den Vertiefungen der Kapitel aber viele wichtige Zusammenhänge von den ersten Popmusikmedien bis in die gegenwärtigen digitalen Musikkulturen ab. 

Binas-Preisendörfer ist eine wichtige und etablierte Stimme in der deutschsprachigen Forschung zu populärer Musik. Ihre Expertise als Musikwissenschaftlerin wird insbesondere im Kapitel mit kleinen Analyseanleitungen deutlich, in dem sie gekonnt Analysen verschiedener Kolleginnen und Kollegen bündelt. Auch die Exkurse in den einzelnen Kapiteln eignen sich sehr gut, um Sitzungen in der Lehre zu bestreiten – sie liefern anschauliche techno- und soziokulturelle Rahmeninformationen zur Musikmediengeschichte und -praxis und sind mit klarer Rahmung und Zielsetzung formuliert. Das Buch bietet damit eine solide Einführung in verschiedene musikwissenschaftliche Facetten der populären Musik, die für die Lehre in dem Fach sicherlich von Belang sind und die auch für angrenzende Fächer mit kulturwissenschaftlichem Bezug nutzbar gemacht werden können. Die titelgebende Schnittstelle zur Medienwissenschaft, die auch ein Versprechen der Öffnung in die erweiterten Kulturwissenschaften zu beinhalten scheint, birgt jedoch aus medienwissenschaftlicher Perspektive einige Tücken.

Die Autorin möchte den durchaus schwierigen Dialog zwischen Musik- und Medienwissenschaft begleiten, indem sie zum Beispiel ein Konzept nutzt, „das in den Medienwissenschaften entwickelt wurde und in den Musikwissenschaften […] Anklang finden könnte“ (42). Gemeint ist hierbei das Mediendispositiv, dessen Begriff und Konzept sie aus Grundlagentexten in der Medienwissenschaft und unter Rekurs auf Rolf Großmanns Arbeiten zu dessen Übertragung in die Musikwissenschaft (52–53) herleitet. Die Prämisse, dass alle Popmusikkultur zugleich Medienkultur ist, schlüsselt sie jedoch über verschiedene methodische Zugänge auf – etwa Filmanalysen, Dispositivanalysen, musik- und kulturwissenschaftliche Songanalysen – und zeigt dabei auch wiederholt, wie Forschungsfelder und -richtungen entstanden sind. Die Medienwissenschaft hierbei verschiedentlich als Methodenbaukasten einzusetzen, führt unweigerlich zu den im Fach in jüngeren Jahren kontroversen (aber im Buch nicht abgebildeten) Methodologiedebatten. Darin geht es immer wieder um die zentrale Frage, welche Medien welche Methoden bedingen und wie sie wiederum darin in Erscheinung treten.

Das Kapitel zu audiovisuellen Musikmedien diskutiert etwa die Tendenz zur Historisierung von Pop, Image-Theorien und Genrediskurse wie dokumentarische Authentizität und zieht sich zuletzt für den Exkurs auf die Inhalte und Ästhetik eines Biopics, also eines Spielfilms, zurück. Die Autorin erkennt dabei selbst an: „eine Interpretation durch eine Filmanalyse hat […] immer ihre Grenzen“ (199). Es stellt sich in der Frage der Historisierung von populärer Musik die Frage, warum sie nicht stattdessen – wie überzeugend im Kapitel zu den Tonträgern – eine Mediendispositivanalyse stark macht, um für den Film die schwierigen Authentizitätsdiskurse und ihrer Industrieverbindungen zur Popmusikindustrie aufzuschlüsseln und so Aufschluss über die eigentlichen „Konstruktionsprinzipien medialer Historiographien“ (203) zu erlangen. Zugleich stellt sich die Frage, ob eine Pop/Rockumentary (als dokumentarische, musikindustriell geprägte Filmform) diese Zusammenhänge nicht noch deutlicher hervorgehoben hätte – insbesondere in der Kürze des Kapitels. Beide Genres hätten im Anschluss über filmanalytische Fallstudien weiter aufgeschlüsselt werden können; hier wäre ein zweistufiger Zugang sinnvoll gewesen. Aus medienwissenschaftlicher Sicht verwundert also die Wahl des Untersuchungsgegenstands und der Methode im Kontext der avisierten theoretischen Lesart. Solche Momente bieten sich in dem Buch verschiedentlich, an anderen Stellen, insbesondere in der Tonträgerdiskussion, bietet es aber durchaus schlüssige Verzahnungen und interessante Ansätze.

Ein Einführungsbuch, das zwei Fächer verbindet, muss sich zudem der unweigerlichen Zeitlichkeit beider Fachtextkorpora stellen. Dabei ist es stets eine Gratwanderung, die Grundlagentexte abzudecken, aber auch den Blick in die Gegenwart nicht zu vernachlässigen. Hier scheint die Autorin vor allem jene Kolleginnen und Kollegen beider Fächer zu erwähnen, die historisches Gewicht haben oder die in den Popmusikverbänden aktiv sind. Die jüngere Generation der Forschenden und ihre aktuellen Arbeiten sind kaum abgebildet – was etwa im Kapitelabschnitt zu Tonstudios oder zu Videospielen auffällt. Dies lässt sich mit der kondensierten Einführungsform durchaus begründen, irritiert aber an manchen Stellen doch etwas, wenn etwa die Autorin selbst beklagt, ihr seien „in der Recherche und bei der Lektüre [zur Tonträgergeschichte] […] vor allem männliche Kollegen“ begegnet (68). Die Einschätzung des stark männlich geprägten Fachkontextes ist zutreffend. Zugleich hätte das Buch die Chance gehabt, die Arbeiten der existierenden Kolleginnen an den interdisziplinären Grenzen der Musikmedienforschung des Populären – wie etwa Christina Bartz, Brigitte Hipfl, Christina Dörfling (die explizit medienwissenschaftliche Tonträgerforschung gemacht hat), Charis Goer, Magdalena Fürnkranz, Maren Lickhardt, Birgit Richard oder Melanie Schiller sichtbar zu machen.

Es ist anzuerkennen, dass das vorgelegte Einführungsbuch in die populäre Musik zwischen Musik- und Medienwissenschaft mit einer schweren Prämisse startet. Aus der Musikwissenschaft heraus ein Handbuch zu schreiben, dass niedrigschwellig und dennoch fachlich korrekt das komplexe Feld der Medien mitdenkt, ist keine einfache Aufgabe. Es gelingt wiederholt, zu zeigen, worin das Potenzial einer Verbindung von Musik- und Medienwissenschaft für die Erforschung populärer Musik liegen könnte. An anderen Stellen scheint jener Zwischenraum – das „Dazwischen“ von Musik- und Medienwissenschaft – aber noch wie ein schwieriges Terrain der populären Musikmedien, auf dem die Musikwissenschaft unterwegs ist und die Medienwissenschaft den Habitus einer sichernden Leitplanke beitragen soll. Allein diese Rolle liegt ihr aufgrund der Diversität ihrer Gegenstände schon im eigenen Fach nicht und genauso geartete fachliche Eigenheiten sind wohl schon immer auch die Herausforderung kulturwissenschaftlicher Schnittstellenforschung. Insbesondere die Konzeption über Mediendispositive der populären Musik ist jedoch spannend – es bleibt zu sehen, wie die Musikwissenschaft, und vielleicht auch andere benachbarte Fächer, sie in Lehre und Forschung weiter in Anwendung bringen können.