Aktuelle Rezensionen
Victoria Huszka
#ruhrgebiet. Visualisierung einer Region im sozioökonomischen Wandel
(Bonner Beiträge zur Alltagskulturforschung 14), Münster 2024, Waxmann, 307 Seiten mit Abbildungen, ISBN 978-3-8309-4925-1
Rezensiert von Fatma Sagir
In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde
Erschienen am 28.10.2025
Die Bonner Kulturanthropologin Victoria Huszka widmet sich in ihrer Dissertation der Identitätsfindung einer der bedeutendsten und größten postindustriellen Regionen Deutschlands, die sich mitten im Struktur- und Kulturwandel befindet: dem Ruhrgebiet. Hierfür fokussiert sie mittels digitaler Visualisierungspraktiken auf der Social Media Plattform Instagram schwerpunktmäßig auf die zivilgesellschaftlichen Akteure und deren Ortsimaginationen.
Die vorliegende Buchhandelsausgabe der Dissertation gliedert sich in acht Kapitel. Die originelle, streng systematische Gliederung sollte nicht unerwähnt bleiben. Sie dürfte anderen Promovierenden Orientierung und Anregung zugleich bieten. Für eine Arbeit, die große Forschungsbereiche wie die der digitalen Kulturforschung und der Stadt-/Raum-/Regionalforschung zusammenbringt, ist diese Strukturierung sinnvoll und lässt dabei die Leseführung nicht außer Acht (7–10). Dies ist unerlässlich angesichts der Fülle an Interviewauszügen, methodischen und theoretischen Rahmungen, die unabdinglich ist, um der Fragestellung der Forschung gerecht zu werden. Huszka gelingt das hervorragend. Trotz der Komplexität der Thematik und des methodischen und theoretischen Zugangs, den die Autorin gewählt hat, ist die Arbeit in einem anregenden Stil geschrieben, der durchgehend das Interesse des Lesers / der Leserin weckt und hält.
Raumaneignungspraktiken, Prozesse der regionalen, geografischen Identitätsfindung, Aushandlung von Erinnerung und Erinnerungskultur im Hinblick auf die Gestaltung der Gegenwart und die Handlungsmacht, die aus der Medien- und Visualisierungspraxis mittels Social Media Plattformen wie Instagram erwächst und genährt wird, werden sorgfältig bearbeitet und anhand von Beispielen dargelegt. Neben Instagram wird das Café oder der Coffeeshop als Ort der Aushandlung von neuer und alter Regionalidentität mikroperspektivisch und akteurszentriert untersucht. Hierbei geht Huszka auch der Frage nach der Definition und Ästhetik von urbanem Leben nach. Im Fallbeispiel (109) werden Instagramästhetik, in der die Kaffeetasse für urbane cozyness und das Café für coolness stehen, versus Gelsenkirchener Barock, Raumaneignung und Übernahme durch eine neue urbane, meist akademische, soziale Schicht, die sich selbst im Ruhrgebiet abgebildet sehen möchte, diskutiert (119). Dies deutet unter vielen anderen Beispielen auf den Wandel hin, in dem sich diese Region befindet (119). Hierbei werden von den Akteuren auch Stereotype des Ruhrgebiets, die auf eine vergangene Arbeiteridentität verweisen, kritisch diskutiert (120–121).
Huszka widmet sich der Rolle von Instagram-Akteuren und ihrem Beitrag zur aktiven Umdeutung und Umformung der Regionalidentität (162) am Beispiel von Coworking-Spaces und Instagram Meetups (179–181). Dabei geht sie der Frage nach, wie sich neue und alte Arbeitstechniken, Arbeitszeit und -strukturen gestalten lassen und welchen Konflikten sie dabei ausgesetzt sind (183).
Bei der kritischen Reflektion des eigenen methodischen und theoretischen Zugangs (271–274) schließt Huszka die digitale Forschung ein. Wie etwa die Problematik der Zeitlichkeit bei der Nutzung von Instagram sowohl für Nutzer als auch für die ethnografische Forschung. Welches Datenmaterial wird zu welchem Zeitpunkt verwendet, ausgegeben, eingeordnet? Welche technischen und medienpraktischen Instrumente ermöglichen eine Variation von Zeitlichkeit und was bedeutet dies für Forschung? (272–273) Ein methodisches und theoretisches Problem, das es in zukünftiger Forschung weiterhin auszuloten gilt.
Im Schlusskapitel acht mit Fazit, Zusammenfassung und Ausblick (264–276) kommt Huszka zu kritischen und zum Weiterforschen anregenden Schlussfolgerungen, die hier nicht vorweggenommen werden sollen. Dennoch soll ihr Plädoyer für die Querschnittsforschung nicht unerwähnt bleiben, die zunehmend in der Verflochtenheit von online und offline Lebens- und Handlungsräumen und medialen Gestaltungsmöglichkeiten nicht nur für die kulturanthropologische Forschung zunehmend an Bedeutung gewinnt (271–274).
Die vorliegende Arbeit leistet hierzu einen wichtigen Beitrag.